Bittere Zeiten: Was macht eigentlich Michael Stürzenberger?

Er wollte dem Mainstream den Kampf ansagen. Eine Massenbewegung sollte entstehen, am Ende des „Freiheitskampfes“ sollten alle, die nicht seiner Meinung sind, wegen „Volksverrat“ angeklagt und verurteilt worden sein. Doch ca. zwei Jahre nach Aktivwerden dreht sich Michael Stürzenberger in einem Kreis, dessen Umfang immer kleiner zu werden scheint. Nach desaströsen Wahlergebnissen dreht er noch immer in Polizeikäfigen in den Fußgängerzonen Münchens seine Bahnen und ruft nach wie vor erbittert eine Revolution aus. Seine Revolution. Zuhören mag ihm dabei kaum jemand mehr. Jetzt musste die Polizei ihm das Wort abdrehen. Bittere Zeiten für den einstigen Hoffnungsträger.
Von Felix Benneckenstein und Philipp Janowski
Das Kommunalwahlergebnis hat die Partei geschockt. Es fehlten nur wenige hundert Stimmen, um zumindest einen einzigen Sitz zu ergattern. Doch Stürzenberger und seine Partei DIE FREIHEIT (DF) gingen komplett leer aus. Nach dem Überwinden der ersten Depression und der Schockstarre schien Stürzenberger irgendwann wieder langsam Fahrt aufzunehmen: Die Zeitintervalle zwischen seinen Publikationen auf dem extrem rechten Internetportal „PI-News“ verkürzten sich, die Terminspalte für seine Kundgebungen füllte sich allmählich wieder auf. Nach dem Totalversagen auf ganzer Linie wollte er sich gerne mit einem Paukenschlag zurück auf den Straßen Münchens melden. Gleichzeitig zeigt sich, dass auch der ehemalige CSU- Mann irgendwo lernfähig ist. Es hält sich hier wie mit dem Kind, wenn es sich zu oft an derselben Herdplatte verbrannt hat.
Statt, wie ursprünglich geplant, 40.000 Unterschriften für sein „Bürgerbegehren! Kein Islam-Zentrum in München“ abgeben zu wollen, sammelt er von nun ab lieber gleich 50.000. Zu groß ist offensichtlich die Angst, womöglich aufgrund ungültiger Unterschriften am Ende bei Abgabe der Unterschriften zu wenig Puffer eingerechnet zu haben und somit einen weiteren, möglicherweise finalen Rückschlag, also das Scheitern seines zentralen Projektes, einstecken zu müssen. Sofern es dieses denn überhaupt noch gibt. Stürzenberger legte wieder los, sein Stammaktivistenpotenzial von etwa 10 Personen scheint ohnehin durch nichts abzuschrecken zu sein.
Kundgebung in Neufahrn
Auf den ersten Blick wirkten seine Kundgebungen, wie man sie eben aus München in den vergangenen beiden Jahren kannte. Doch die Eintönigkeit der stundenlangen Monologe, die immer gleichen Wortgefechte mit meist immer denselben Gegendemonstrant_innen an den immer gleichen Orten, schienen Stürzenberger plötzlich nicht mehr so recht zu befriedigen. Am diesjährigen Pfingstmontag hielt die "Freiheit" bei glühender Hitze eine Protestkundgebung gegen die feierliche Eröffnung der Al Mahdi- Moschee in Neufahrn (bei Freising) ab. Gekommen waren trotz Hilfe bei der Mobilisierung durch die bayerische NPD lediglich die üblichen Stammaktivist_innen. Der engere Kreis um die Person Stürzenberger, diejenigen wenigen, die ihm noch die Treue halten.
Schon zu Beginn zeichnete sich ab, dass dies keine gewöhnliche Kundgebung werden würde. Dass am Ende allerdings die anwesende Polizei die antimuslimische Demonstration gegen den Willen Stürzenbergers beenden würde, damit rechnete zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Die einzelnen DF-Unterstützer_innen konzentrierten sich auf ihre eigenen "Aufgaben". Insbesondere ein jüngerer Mitstreiter Stürzenbergers ließ keine Gelegenheit aus, um vorbeigehende Passanten – bei weitem nicht nur muslimischen Glaubens - zu beleidigen, zu diffamieren oder zu bedrohen.
Dazu gab es Stürzenbergers Volksaufklärung in Endlosschleife. Wäre es nach dem ehemaligen Journalisten selbst gegangen, dann wäre dieses Szenario wohl erst mitten in der Nacht beendet worden. Mit dem Platz direkt an einem Zugang zur Moschee, konnte er seine Feindbilder endlich direkt stören und bekämpfen. Stürzenberger war sich sicher, seine Kundgebung bis „ca. (sic!) 20 Uhr“ angemeldet zu haben. Er wollte solange reden, bis
die Besucher die Eröffnungsfeier verlassen hatten, mit deren Ende er gegen 20 Uhr rechnete. Niemand sollte seinem Redeschwall entgehen. Das Ende hätte er so weitgehend selber bestimmen können.
Polizei dreht Stürzenberger das Mikro ab
Als er auch eine Viertelstunde nach dem offiziellen Ende der Anmeldung, deren Dauer sich laut Anmeldebescheid nun mal auf „von 17 bis 20 Uhr“ erstreckte , noch keine Anstalten machte, den Platz auflagenkonform freizugeben, wurde er vom polizeilichen Einsatzleiter dazu aufgefordert, nun abzubrechen. Doch damit traf er Stürzenbergers empfindlichen Nerv. Denn dieser redete sich nun erst recht in Rage, begann gar damit, dem Einsatzleiter in einem hochnäsigen Tonfall „Fremdbestimmung“ durch „höhere Herren" zu unterstellen und der Lüge zu bezichtigen.
Nachdem Stürzenberger weiter verärgert in Megaphon-Lautstärke mit der Polizei diskutierte und lautstark wiederholt ankündigte, der Aufforderung nicht nachkommen zu wollen, sah sich schlussendlich ein Polizist dazu genötigt, den Strom abzudrehen . So blieb dem wütenden Dauerredner und seinen Mitstreiter_innen nicht mehr übrig, als fluchend den Pavillon und die Plakataufsteller abzubauen und mit langen Gesichtern von dannen zu ziehen.
Stürzenberger fühlt sich als Marktplärrer wohl. Seine Kundgebungen sind offensichtlich alles, was er noch hat. Und so wird momentan der Einsatzleiter zur Zielscheibe. Auf PI-News wird er öffentlich an den Pranger gestellt, auf Stürzenbergers Youtube-Account werden die im Video erkennbaren Beamten von einem Nutzer als „verräterische polizeiliche Drecksbande“ betitelt, man „zahle auch noch Steuern, dass diese Hunde was zu fressen haben“. Solche Einträge bleiben dort dann auch mal stehen. Eine Partei der bürgerlichen Mitte hat ein anderes Verhältnis zur Polizei als Kollektiv. Maximale Provokation und das Schaffen und Bündeln alter und neuer Feindbilder, jetzt also der Polizei, scheinen der letzte Ausweg aus der Misere für Stürzenberger und seine Splittergruppe zu sein.
Schon vor der Kommunalwahl im März zeichneten sich bei der einstigen „Partei der bürgerlichen Mitte“ DIE FREIHEIT einige Trends ab. So radikalisierten sich einige Personen aus der DF-Stammtruppe in Eiltempo. Die Anbiederung an „echte Neonazis“ fand ihren vorläufigen Höhepunkt bei einem Aufmarsch von DF und PRO in Schrobenhausen.
DF- Generalsekretär Gernot Tegetmeyer marschierte dort gemeinsam mit leicht erkennbaren Neonazis auf, nutzte den tiefbraunen Aufmarsch als Rekrutierungsfeld. Aufmerksame Berichterstattung und Protest vor Ort sind also - trotz aller Bedeutungslosigkeit - nach wie vor angebracht.
Stürzenbergers nächste Termine:
Donnerstag, 17. Juni, Hohenzollernplatz Orleansplatz 11-19 Uhr
Freitag, 20. Juni, Neuhauserstr.8, 11-19 Uhr
Samstag, 21. Juni, Marienplatz, 11-19 Uhr,
Mittwoch, 25. Juni, Thomas Dehlerstr. 10 (PEP), 10-19 Uhr
Freitag, 27. Juni, Neuhauserstr. 8, 11-19 Uhr