Bewährungsstrafe für Neonazi Sven Liebich
Der aus der Neonazi-Szene stammende Unternehmer und Dauerdemonstrant Sven Liebich hatte den Prozess mit einer Reihe teils grotesker Inszenierungen begleitet, wurde dabei jedoch nur noch von einer Handvoll rechtsextremer Anhänger unterstützt und regelmäßig durch das Gericht daran gehindert, den Saal in einer seiner Verkleidungen zu betreten. In seinem Schlusswort als Angeklagter bezog Liebich sich, wie schon öfter bei Kundgebungen und in T-Shirt-Motiven, die er kommerziell vertreibt, auf Menschen aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Falsche Zitate von Renate Künast und Martin Schulz
Dieser Versuch des Rechtsextremen, sich historische Persönlichkeiten anzueignen, half ihm vor Gericht nicht. Das verurteilte ihn zu elf Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Als Bewährungsauflage muss Liebich zusätzlich 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Im Fall von zwei Bildkacheln mit falschen Zitaten der Bundespolitikerin Renate Künast und des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz sah das Gericht den Tatbestand der Üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des öffentlichen politischen Lebens erfüllt. Dazu kamen die Beleidigung eines Bildungsreferenten, eines Journalisten und der Teilnehmer einer Demonstration gegen das ehemalige rechtsextreme Hausprojekt der „Identitären“, sowie mehrere Fälle von Volksverhetzung, begangen durch Aufkleber, die Liebich vertrieben hatte und ein Fall der Beschimpfung von Bekenntnissen. Hier wurde der Prophet Mohammed unter anderem als pädophil dargestellt.
Ausführlich begründete das Gericht sein Urteil, legte dar, dass die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit ihre Grenzen in allgemeinen Gesetzen (wie etwa dem Tatbestand der Beleidigung) findet und dort, wo die Grundrechte Dritter verletzt werden. Die Behauptung falscher Tatsachen – wie im Fall der wissentlich erfundenen Zitate – sei schon vorneherein nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Provokation sei zwar ohne Frage zulässig, wo Menschen jedoch als „unterwertig“ dargestellt würden und ihnen ihre „Rolle in der Gesellschaft streitig“ gemacht werde, beginne in den konkreten Fällen die Strafbarkeit.
Gericht: Gefälschte Zitate bewusst genutzt
Das Gericht ließ sich damit nicht auf die Argumentation des Verteidigers Michael Matthias ein, der Sven Liebich seit Jahren immer wieder vertritt und im Prozess hinsichtlich der gefälschten Zitate für seinen Mandaten das sogenannte Laienprivileg in Anspruch nehmen wollte. Sein Mandat sei kein Journalist und habe nie als Journalist arbeiten wollen, führte er über Sven Liebich aus, der in der Vergangenheit schon mit einem Presseausweis eines kommerziellen Anbieters auftrat. Das Gericht stellte hingegen nüchtern fest, dass der nun Verurteilte wusste, was er tat, als er Zitate erfand. In zwei Fällen sprach das Gericht den Rechtsextremen vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Die auf Aufklebern getätigten Aussagen könnten durch unbeteiligte Dritte auch in einer Weise verstanden werden, die keine strafbare Aussage enthalte. Das Verlesen der Auszüge aus dem Bundeszentralregister weist vier Einträge auf, Liebich wurde u.a. wegen Beleidigung und Steuerhinterziehung verurteilt.
Auf Nachfrage des Gerichts musste Liebich zudem einräumen, selbst so wenig Einnahmen zu erzielen, dass er selbst kein „Nettosteuerzahler“ sei. Ein Begriff, den Liebich gegen politische Gegnerinnen und Staatsbedienstete immer wieder verwendet hatte, anders als er selbst, würden diese nur dem Staat auf der Tasche liegen und seien keine „Nettosteuerzahler“, da sie mehr Geld aus staatlichen Quellen erhielten, als sie an diesen zahlten.
Das Urteil des Prozesses in Halle ist noch nicht rechtskräftig, im Vorfeld hatte der Rechtsextreme mitgeteilt, im Fall einer Verurteilung Rechtsmittel einlegen zu wollen.