Berufungsprozess: Nikolai Nerling wegen Volksverhetzung verurteilt

Nach zwei langen Prozesstagen fiel am späten Freitagabend das Urteil gegen den rechtsradikalen Videoblogger und Aktivisten Nikolai Nerling. Er soll in der Gedenkstätte Dachau den Holocaust geleugnet haben und hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Sonntag, 29. November 2020
Anne Wild
Auch die zweite Instanz verurteilte den selbsternannten Volkslehrer, da er den Holocaust geleugnet haben soll.
Auch die zweite Instanz verurteilte den selbsternannten Volkslehrer, da er den Holocaust geleugnet haben soll.
In erster Instanz am Amtsgericht Dachau war Nerling im Dezember vergangenen Jahren wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs zu 180 Tagessätzen à 60 Euro verurteilt worden, der Kameramann Stefan Z., der ihn begleitet hatte, wegen Beihilfe zur Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs zu 100 Tagessätzen à 30 Euro.

In der Berufungsverhandlung am Landgericht München II wichen die Aussagen der Zeug*innen nicht wesentlich von denen ab, die sie in erster Instanz am Amtsgericht Dachau gemacht hatten. Auch wenn ein paar Details nach der langen Zeit nicht mehr genau in Erinnerung waren, bemühte sich das Gericht, durch viele Fragen, den zeitlichen Ablauf und die Auseinandersetzungen in der Gedenkstätte möglichst exakt zu rekonstruieren.

Verbrechen verharmlost

Am Ende sahen es der Richter und die Schöffen als erwiesen an, dass Nerling, der mit seinem Kameramann nach Dachau gereist war, um in der Gedenkstätte ein Video gegen den von ihm sogenannten Schuldkult zu drehen, einer Schulklasse den Rat gab, sie sollten nicht alles glauben, was ihnen dort erzählt würde. Diese Aussage wertete die Kammer als Leugnung des Holocaust.

Auch wenn Nerling Worte wie „Holocaust“, „Shoah“ oder „Massenvernichtung“ nicht benutzt habe, ergebe sich aus dem Kontext, dem Ort, an dem über 200.000 Menschen inhaftiert waren und über 41.500 unter grausamsten Umständen den Tod fanden, klar, dass der Rechtsextreme die dort begangenen Verbrechen verharmlost und geleugnet habe. Sein Verhalten gegenüber den Schüler*innen sei einschüchternd gewesen.

Strafantrag geht verloren

Da sich Nerling und sein Begleiter zunächst geweigert hatten, die Gedenkstätte zu verlassen, nachdem sie von Mitarbeitenden dazu aufgefordert worden waren, lautete die Anklage gegen die beiden auch auf Hausfriedensbruch. Die Staatsanwaltschaft forderte für Nerling sechs Monate Haft ohne Bewährung für Volksverhetzung und Hausfriedensbruch. Das Gericht verurteilte ihn letztendlich zu einer Strafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro wegen Volksverhetzung. Die niedrigere Höhe der Tagessätze wurde mit seiner wirtschaftlichen Situation begründet, die sich im letzten Jahr verschlechtert habe. Vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs wurde der Videoblogger jedoch freigesprochen, da der entsprechende Strafantrag in den Akten nicht auffindbar war. Der Grund dafür konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden.

Kameramann wegen Hausfriedensbruchs verurteilt

Für Stefan Z. hatte die Staatsanwaltschaft 120 Tagessätze à 30 Euro für Beihilfe zur Volksverhetzung und Hausfriedensbruch veranschlagt. Das Gericht sprach ihn vom Vorwurf der Beihilfe zur Volksverhetzung frei und befand ihn des Hausfriedensbruchs für schuldig. Er muss 50 Tagessätze à 30 Euro bezahlen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nerling, der zuletzt mehrfach an Protesten gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie teilgenommen hat und am 29. August unter den rund 300 Personen war, die die Treppe zum Reichstag hinauf gestürmt waren, kündigte an, gegen das Urteil Revision einzulegen.
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