Berliner NPD-Spitze im Fokus der Behörden

Razzia bei NPD-Landeschef – Prozess gegen Neuköllner NPD-Chef am Mittwoch vertagt.

Donnerstag, 29. März 2012
Theo Schneider

Die Berliner Polizei wurde endlich tätig gegen die Neonazi-Webseite des „NW-Berlin“. Seit Monaten waren die bisherigen erfolglosen Bemühungen der Justiz gegen die Internetseite, auf der mehr als 200 Personen und Einrichtungen zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Akteure aufgelistet sind, in der Stadt medial und politisch thematisiert worden. Ein Rechtshilfeersuchen an die USA, in denen sich der Server der Webseite befindet, wurde daraufhin eingeleitet. Nun folgten aber auch Maßnahmen gegen die vermeintlichen Betreiber vor Ort.

So vollstreckten am vergangenen Freitagmorgen das Landeskriminalamt und die Berliner Staatsanwaltschaft ab 6.00 Uhr Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten in Schöneweide und Neukölln. Sie durchsuchten die Wohnung des NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke sowie dessen Waffengeschäft „Hexogen“ in der Brückenstraße und stellten diverse Beweismittel wie Propagandamaterial, PCs und Speichermedien sicher.

Als presserechtlich Verantwortlicher angegeben

Zudem wurden zum Verkauf bereitgehaltene Musik-CDs mit volksverhetzendem Inhalt beschlagnahmt. Der 27-jährige Schmidtke steht im Verdacht, Betreiber und verantwortlicher Administrator der Webseite zu sein, in der auch unterschwellig zu Gewalt gegen die Aufgelisteten aufgerufen wird.

Schon seit langem wird in der Öffentlichkeit Schmidtke als einer der Betreiber gehandelt. Auch auf Aufklebern des „NW-Berlin“ war er als presserechtlich Verantwortlicher angegeben. Ob die Aktion jetzt jedoch nach so langer öffentlicher Debatte noch erfolgreich war, wird sich zeigen. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) Berlin begrüßt aber die Maßnahmen als einen „längst überfälligen Schritt“ und hofft darauf, dass der behördliche Druck letztendlich dazu führe, dass die Betreiber der Seiten zur Verantwortung gezogen werden können.

Am selben Tag wurden auch der Neuköllner NPD-Chef Sebastian Thom und Patrick Weiß, ein Kader der „Autonomen Nationalisten“ in Rudow von der Polizei durchsucht. „Die beiden 25-jährigen Beschuldigten aus Neukölln“, so die Polizei, „stehen im Verdacht, als Führungspersonen der rechten Szene in Berlin an mindestens neun Hauswänden großflächige Schriftzüge mit rechtsextremistischen Inhalten aufgesprüht und Fotos davon“ auf die Internetseite gestellt zu haben.

Pfefferspraydosen und zwei Messer gefunden

Für Sebastian Thom war der Vorgang nicht die erste Erfahrung mit der Polizei. Im Berliner Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus  soll er zusammen mit dem Neuköllner NPD-Kandidaten Julian Beyer am 3. August 2011 politische Gegner mit Messer bedroht und Pfefferspray attackiert haben. Gegen 22.45 Uhr sollen die späteren Opfer damals laut Aussage der NPD-Kandidaten eines ihrer Plakate in Britz abgerissen haben. Sie riefen daraufhin selbst die Polizei und verfolgten die Gruppe. Julian Beyer soll den Männern anschließend gedroht haben, sie mit einem Messer anzugreifen. Sebastian Thom sprühte laut Polizeiangaben einem 41-Jährigen Pfefferspray ins Gesicht. Die Polizei konnte die beiden Angreifer fassen. Bei ihren Durchsuchungen fanden die Beamten Pfefferspraydosen und zwei Messer.

Es blieb jedoch nicht nur bei diesem gewalttätigen Zwischenfall für Sebastian Thom im vergangenen Wahlkampf. Thom soll auch am 16. August 2011 am U-Bahnhof Hallesches Tor in Kreuzberg in den frühen Morgenstunden zusammen mit weiteren Unterstützern NPD-Plakate aufgehängt haben. Als sie dabei fotografiert wurden, sei die Gruppe zu der Person gegangen und einer der Begleiter Thoms habe auf dessen Weisung hin dem Fotografen Reizgas ins Gesicht gesprüht.

Aus diesem Grund stand Thom am gestrigen Mittwoch vor Gericht: Der angesetzte Prozess beim Berliner Amtsgericht Tiergarten wegen gefährlicher Körperverletzung wurde aber vertagt. Der Geschädigte war nicht erschienen. Da der bekannte Szene-Anwalt und Verteidiger Thoms, Carsten Schrank, die Einlassung seines Mandanten jedoch nicht vorher verlesen wollte, verlegte das Gericht das Verfahren gleich ganz.

 

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