„Bekennender Holocaust-Leugner“

Der Schweizer Revisionist Bernhard Schaub wurde vom Amtsgericht Dresden wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen den Strafbefehl hat er „Einspruch“ eingelegt. Unklar ist, ob Schaub tatsächlich in der Schweiz lebt, wie er in dem Schreiben angibt.

Donnerstag, 05. Juli 2018
Hans Stutz/Anton Maegerle

Kurz vor Sommerbeginn bat der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, inzwischen 64-jährig und vorzeitiger Bezieher der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), in einer Mail an seine „lieben Freunde und Mitstreiter“ um Spenden. Die „Justizganoven der BRD“ hätten nun auch gegen ihn zugeschlagen, schreibt Schaub, zeitweilig Referent bei der rassistischen „Artgemeinschaft“ sowie der NPD, und warnte die  Adressaten: „Aber bitte nicht an die Medien oder gar an die Justiz Weiterleiten“,sonst habe er das nächste Verfahren am Hals. Die Mail des Holocaust-Leugners liegt bnr.de vor, samt zwei angefügten Dokumenten: einem Strafbefehl und einem Einspruchschreiben dagegen.

Auslöser von Schaubs Spendenaufruf ist ein Mitte Mai ergangener Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden wegen Volksverhetzung, begangen am 11. Februar 2017 bei einer von dem laut Eigenbezeichnung „überzeugten Nationalsozialisten“ Gerhard Ittner angemeldeten „Gedenkveranstaltung an die Zerstörung Dresdens und die Ermordung von 350.000 Deutschen durch den Alliierten Bombenterror“, das „größte Holocaust-Massaker der Weltgeschichte“.

„Höhepunkt bundesrepublikanischer Unrecht-Sprechung“

Schaub war dort als „bekennender Holocaust-Leugner und Kämpfer für die Wahrheit“ angekündigt worden. Ittner sitzt zwischenzeitlich seit Mai dieses Jahres in Nürnberg eine Rest-Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole ab. Vor Ort in Dresden waren rund 200 Rechtsextremisten, darunter auch Anhänger der Pegida-Bewegung.

Das Amtsgericht hat eine Geldstrafe von 4800 Euro gegen Schaub verhängt. Er habe, so ein Amtsrichter, erstens „dasystematische Völkerrechtsverbrechen der Nationalsozialisten an den Juden“ in Abrede gestellt und zweitens zum Hass „gegenüber den in der Bundesrepublik lebenden Juden“ aufgestachelt. Schaub hat mit Schreiben vom 15. Juni „Einspruch“ gegen diesen Strafbefehl eingereicht, den er als „neuen Höhepunkt bundesrepublikanischer Unrecht-Sprechung“ bezeichnet. Darin kündigt er auch an, er werde an einer „allfälligen Hauptverhandlung“ nicht teilnehmen.

Ein „schöner Hof“ in Mecklenburg-Vorpommern

Zustellen ließ sich Schaub den Strafbefehl nach Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Lebt der Holocaust-Leugner also wieder in der Schweiz? Eigentlich hatte er sich vor rund sechs Jahren in Mecklenburg-Vorpommern auf einem Hof angesiedelt. In seinem Einspruchschreiben hält er jedenfalls fest, dass er seit einem Jahr eine Altersrente in der Schweiz beziehe und in einer Einzimmerwohnung lebe.

Ein Augenschein in Kreuzlingen ergibt: An der besagten Adresse gegenüber des Bahnhofs steht zwar ein Briefkasten auf dem der Name Bernhard Schaub steht – aber eine dazugehörige Wohnung ist nicht auffindbar in dem mehrstöckigen Gebäude. „Den habe ich hier noch nie gesehen. Vielleicht hat er ein Kellerabteil“, sagt jemand, der im Gebäude wohnt, auf Anfrage. Aber auch im Keller findet sich kein Hinweis auf Schaub. Nachfragen bei der Liegenschaftsverwalterin sowie bei den Thurgauer Behörden zum Verbleib von Bernhard Schaub in Kreuzlingen bleiben aus Gründen des Datenschutzes unbeantwortet.

Lebt Schaub also doch nicht in der Schweiz? Der Verdacht drängt sich auf, zumal sich Schaub erst Anfang Juni sichtlich gut gelaunt von einem Gesinnungskameraden für ein YouTube-Video interviewen ließ: Auf einem ausladenden Hof, vor dem Schaub im Gestus eines Gutsherrn mit zwei Schimmeln posiert. „Die ganze Familie reitet“, meint er und sagt, wie froh er sei, diesen „schönen Hof zu haben“, der ganz in der Nähe eines der „größten Moorgebiete Europas“ liege.

Mitbegründer der inzwischen aufgelösten „Europäischen Aktion“

In den vergangenen sechs Jahren war Schaub vorwiegend in Deutschland politisch tätig. Seinen letzten öffentlichen Auftritt legte er Anfang Mai in Bielefeld hin, bei einer Kundgebung für die inhaftierte greise Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel, eine langjährige Weggefährtin Schaubs. In Bielefeld argumentierte Schaub wie ein Mitglied der so genannten „Reichsbürger“-Bewegung, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimen und souveränen Staat bestreitet: Es sei heute gar nicht möglich, dass „ein deutsches Gericht Recht“ spreche. Die Macht in Deutschland und „überhaupt in der westlichen Hemisphäre“ hätten die Amerikaner und ihre Hintermänner, die er nicht zu nennen brauche. „In Europa sind Völker nicht mehr frei, vielleicht in Ungarn noch.“

Vor knapp neun Jahren gehörte Schaub zu den Gründern der „Europäischen Aktion“ (EA), einer Organisation, die als internationaler Zusammenschluss von Rechtsextremisten und Holocaust-Leugnern angelegt war. Entsprechend entstanden Sektionen in mehreren Ländern.Vor einem Jahr löste sich die EA überraschend auf. Die Hintergründe sind nicht ganz klar, die Auflösung dürfte jedoch im Zusammenhang mit intensiven Ermittlungen wegen des Verdachts rechtsterroristischer Aktivitäten in Deutschland und Österreich stehen. Seit Ende Dezember sitzt beispielsweise der ehemalige EA-„Landesleiter Österreich“ Hans  Berger in Untersuchungshaft in Wien. Schaub und Berger kennen sich bereits seit vielen Jahren. So gelangte im August 2003 das Adressenverzeichnis von Schaub in die Öffentlichkeit. Unter den aufgeführten Kontaktadressen findet sich auch Berger.

„Ende seiner Tätigkeit in Deutschland“?

Bis zu seiner Verhaftung lebte Berger, der mehrfach an Treffen der EA in Deutschland teilnahm, im Kanton Basel-Landschaft. 2012 kündigte Berger den „Damen und Herren Bundestagsabgeordneten“ den „entschiedenen  Widerstand des deutschen Volkes an“. Berger drohend weiter: „Wir werden nunmehr endlich Ihre Sessel stürmen und dafür sorgen, dass sie auf diese Sessel nie wieder zurückkehren.“

In diesen Tagen wird ein Gerichtsentscheid erwartet, ob die Haft von Berger verlängert wird. Auch die Zukunft von Bernhard Schaub bleibt ungewiss. Wie er in seiner Mail schreibt, drohen ihm vier Monate Haft, wenn er die Geldstrafe nicht bezahlen könne. „Da ich es nicht als Ehrensache betrachte, mich zusammen mit Kanaken einsperren zu lassen, werde ich praktisch für immer in der Schweiz blieben müssen“, schreibt er. „Es wäre das Ende seiner Tätigkeit in Deutschland.“

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