Bayern

Bayern: Rasanter Anstieg antisemitischer Vorfälle

Das Jahr 2021 war in vielerlei Hinsicht kein gutes und das gilt leider umso mehr für das Thema Antisemitismus. Das stellt der Jahresbericht antisemitische Vorfälle 2021 der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern fest. Denn: der Antisemitismus nimmt in Bayern wie bundesweit stets zu.

Montag, 25. April 2022
Sebastian Lipp
Antisemitische Chiffren auf einer Demonstration im bayerischen Ansbach, Foto: Z. Dönmez
Antisemitische Chiffren auf einer Demonstration im bayerischen Ansbach, Foto: Z. Dönmez

So dokumentierte RIAS Bayern 2021 mit 447 Fällen 82 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr und fast dreimal so viele wie 2019. Diese Entwicklung ist laut Annette Seidel-Arpacı, Leiterin der Monitoringstelle, auf drei Schwerpunkte zurückzuführen: Die seit Frühjahr 2020 anhaltenden Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, eine israelfeindliche Mobilisierung im Mai und Juni 2021, sowie antisemitische Direktnachrichten, Beleidigungen und Bedrohungen im Internet. Teilweise griffen diese Felder auch ineinander.

„148 von den 447 uns bekannt gewordenen antisemitischen Vorfällen im Freistaat hatten einen Corona-Bezug, davon waren 86 auf Versammlungen zu dokumentieren“, erklärte Seidel-Arpacı. Häufig gäbe es mehrere solcher Vorfälle auf einer einzigen Veranstaltung. „Aber der Antisemitismus im Kontext der Pandemie tauchte auch häufig im Alltag auf“, so Seidel-Arpacı weiter. Als Beispiel für die „Alltäglichkeit“ des Phänomens nennt sie die am 4. Januar in Kolbermoor auf einen Stromkasten gesprühte Parole „Juden stecken hinter Corona“.

Chiffren sollen Aussagen verschleiern

Während der israelfeindlichem Mobilisierung im Frühjahr 2021 dokumentierte RIAS Bayern innerhalb nur eines Monats auf 23 Versammlungen antisemitische Inhalte. Weitere 18 antisemitische Vorfälle „wurden jenseits dieser Versammlungen im Kontext der Geschehnisse in Israel und Gaza bekannt.“ So sei etwa während einer Versammlung mit circa 100 Teilnehmenden am 22. Mai eine arabische Parole über die Lautsprecher gerufen und von Teilnehmenden wiederholt worden, die laut Seidel-Arpacı Israel mit Juden identifizierte und ihnen Gewalt androhte – eine Eindeutigkeit, die auf Deutsch meist nicht zu hören sei.

Regierungsbezirke im Vergleich 2020 und 2021, Grafik: RIAS Bayern
Regierungsbezirke im Vergleich 2020 und 2021, Grafik: RIAS Bayern

Hier dominierten Chiffren, die den antisemitischen Gehalt der Aussagen verschleiern sollen. Viele davon habe RIAS in einer kostenlosen Broschüre über antisemitische Codes und Metaphern erläutert. Doch die Welle antisemitischer Vorfälle mit Bezug zu Israel habe sich aber längst nicht nur auf Demos beschränkt.

„Verhöhnung der Opfer des NS“

„Ich finde es unerträglich, dass die antisemitischen Angriffe so deutlich zugenommen haben“, betonte am Montag in München auch die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf, deren Ministerium RIAS Bayern unterstützt. Wenn Corona-Beschränkungen mit der Verfolgung von Juden und Jüdinnen im Dritten Reich gleichgesetzt würden, sei das „eine unsägliche Verhöhnung der Opfer des NS und eine unerträgliche Relativierung der Shoa“. Dagegen müsse „jeder einzelne aufstehen und deutlich machen, dass hier eine rote Linie überschritten“ sei. Das gelte auch für Verschwörungserzählungen, „die Juden für alles Übel verantwortlich machen“ und den Antisemitismus, der „in der Mitte der Gesellschaft verankert“ sei.

Zum Handeln forderte auch Ulrich Fritz als Vertreter des Beauftragen der Staatsregierung für Antisemitismus auf: „Juden und Jüdinnen sind heute in Deutschland in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt.“ Dagegen müsse die Gesellschaft auf „Solidarität, Prävention und Repression“ setzen.

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