Verfassunngsschutzbericht

Bayern: Corona-Proteste ein Mekka für Reichsbürger

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes in Bayern wurde die besondere Rolle von Reichsbürgern und Selbstverwaltern im Zuge von Protesten gegen Corona-Maßnahmen hervorgehoben. Sowohl deren Zahl als auch deren Auffälligkeiten in Form zugenommener Straftaten prägen das Bild im Freistaat. Verfassungsschützer sprechen von einem zu beobachtenden „aktionsorientiertem Staatshass“.

Montag, 11. April 2022
Horst Freires
Auch an verschwörungsideologischen Demos in Bayern beteiligten sich Akteure der extrem rechten Szene, Symbolbild: Thomas Witzgall
Auch an verschwörungsideologischen Demos in Bayern beteiligten sich Akteure der extrem rechten Szene, Symbolbild: Thomas Witzgall

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte es besorgniserregend, dass aus diesem Personenkreis immer mehr Angehörige auf das Protestgeschehen aufspringen und sich an die Spitze der Bewegung setzen wollen. Die Reichsideologenzahl kletterte auf 4.605 und übertraf für das Berichtsjahr 2021 den bisherigen Spitzenwert von 4.200 Personen aus dem Jahr 2018. Aktuell wird für 130 dabei eine Schnittmenge mit dem Rechtsextremismus gesehen.

In der Auflistung politisch motivierter Kriminalität stieg die Fallzahl innerhalb eines Jahres von 243 auf 425. Die Gewaltdelikte kletterten von 72 auf 122. Als Hauptstraftaten traten Erpressung, Nötigung und Bedrohung in Erscheinung. Der typische in Bayern anzutreffende Reichsideologe ist laut Verfassungsschutzbericht männlich, zwischen 50 und 59 Jahre alt und meistens in Oberfranken, Mittelfranken und Oberbayern anzutreffen. Innerhalb der Reichsbürger-Szene gibt es inzwischen netzaffine, reichweitenstarke Influencer.

Trend zu Schulgründungen

Eine Entwicklung zeigt im Verlauf der Pandemie verstärkte Bemühungen hin zu privaten Schulgründungen aus dem Verschwörungsmilieu. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die anzutreffende Lernplattform „Bildung Spielend Downloaden“ (BSD). Eine der Schulgründer-Organisationen firmiert unter dem selbsternannten Stiftungsnamen „Freiheit braucht Mut i.G.“.

Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht die sogenannte „Seewald-Akademie“, benannt nach Wjatscheslaw Seewald, der mit kostspieligen Vorträgen und Seminaren esoterische Narrative in den Umlauf bringt. Er propagiert dabei mit antisemitischem Duktus die „Gerussia“-Verschwörung. Einer bevorstehenden Vernichtung des deutschen Volkes könne laut Seewald angeblich nur durch eine Verbrüderung des deutschen und russischen Volkes begegnet werden.

Rückgang durch Abzug „Flügel“-Anhänger

Insgesamt reduzierte sich die Zahl der Rechtsextremisten von 2.770 auf 2.700. Besonders die Herausnahme der früheren AfD-Strömung „Flügel“ aus der Statistik ist dafür verantwortlich. 1.075 Angehörige gelten bayernweit als gewaltbereit. Die unstrukturierten Szeneaktivisten legten von 1.400 auf 1.460 zu. Am umtriebigsten auch durch eigene PR-Veröffentlichungen erscheint der mit fünf Stützpunkten und unverändert 160 Mitgliedern vertretene Dritte Weg unter der Leitung von Jasmine Eisenhardt. Parteien-Konkurrent NPD bringt es unter Landeschef Sascha Roßmüller auf 480 Mitglieder. Nach eigenen Angaben hat man sieben Bezirks- und 31 Kreisverbände, von denen aber viele ein eher passives Dasein fristen.

Kameradschaften sind zwar tendenziell rückläufig, die in Memmingen gegründete Gruppierung „Voice of Anger“ behält entgegen dem Trend aber ihren Mitgliederstand von 60 im Allgäu aktiven Angehörigen. Ebenfalls weiter aktiv ist die „Prollcrew“ aus dem Raum Schwandorf. Neu auf der Bildfläche ist die nordbayerische Gruppe „Kollektiv Zukunft schaffen – Heimat schützen“.

Ein im Vertriebswesen seit Jahren überregional engagierter Szene-Unternehmer ist Patrick Schröder. Er steht für die Marken und Label „Ansgar Aryan“, „Antagonist“, „FSN-Shop“ und „Patriotic-Store“. Dazu agiert er als ein Szene-„Vermarkter“ über das Internet mit „Radio FSN“ und „FSN – The Revolution“. Unter den rechten Verlagen wird Anton A. Schmid aus Durach (Landkreis Allgäu) gelistet.

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