Landtagswahl ins Bayern
Bayern: AFD nach CDU und Freien Wählern auf Platz 3
Die bayerische AfD, deren Landtagsfraktion sich in der vergangenen Legislaturperiode als höchst zerstritten zeigte, darf sich als Gewinner der gestrigen Landtagswahl fühlen. Sie profitierte stark von dem gegen die Ampel-Parteien geführten Wahlkampf. Landesweit wurde sie drittstärkste Kraft noch vor den Grünen und errang 32 Sitze.
32 Mandate insgesamt – und somit zehn Abgeordnete mehr darf die bayerische AfD nach dem vorläufigen Ergebnis zukünftig in den Bayerischen Landtag entsenden. Sie errang damit genauso viele Sitze wie die Grünen: Die AfD liegt mit 14,6% knappe 0,2% vor der verhassten Partei um deren Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Zweitstärkste Kraft wurden im Freistaat die Freien Wähler, die von einigen Analysten mit Blick auf den Parteivorsitzenden Hubert Aiwanger ebenfalls rechts der CSU gesehen wird, die mit 37% wiederum minimal schlechter abschnitt als beim historisch schlechten Ergebnis von 2018. Die FDP um Spitzenkandidaten Martin Hagen, der in der vergangenen Legislatur der AfD im Plenum oftmals am deutlichsten Paroli geboten hatte, flog dagegen aus dem Landtag.
Der Landtagswahlkampf wurde von CSU, Freien Wählern und der AfD vor allem als eine Abstimmung gegen die Politik der Bundesregierung geführt. Teilweise wurde sogar suggeriert, es könne eine Situation wie 2005 herbeigeführt werden, als die SPD die Landtagswahl in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen verlor und Gerhard Schöder auch mit Blick auf die Kräfteverhältnisse im Bundesrat Neuwahlen ausrief.
Zerstörung des demokratischen Diskurses
Besonders die Grünen wurden im Wahlkampf zum Feindbild erklärt. Die laufend wiederholte Absage an eine Koalition mit der Partei um Spitzenduo Hartmann / Schulze, die zumindest verbal von Markus Söder zum größten Übel der gegenwärtigen Politik deklariert wurde, ließ die Abgrenzung gegenüber der AfD in den Hintergrund treten. Von Hubert Aiwanger ist dagegen keine inhaltliche Distanzierung gegenüber der extrem rechten Partei in Erinnerung geblieben. Im Gegenteil: Er hatte einige AfD-Narrative übernommen und damit sagbarer gemacht. Hinzu kam die Polarisierung spätestens nach der Demo gegen das Heizungsgesetz in Erding und die Fokussierung auf das Thema Migration.
Die AfD hatte so ein bereitetes Feld vor sich und konnte den destruktiven Wahlkampf auf die Spitze treiben. Symptomatisch hierfür ist das Engagement des österreichischen Kolumnisten Gerald Grosz, der Hauptredner auf zahlreichen Kundgebungen war. Sein Part bestand darin, an der Grenze zur Beleidigung und Volksverhetzung die Polarisierung zu verstärken. Hauptbestandteil seiner verfolgten Reden war es zudem, sich etwa über menschliche Schwächen von politischen Gegnern lustig zu machen. Grosz hatte sich wegen eines NS-Vergleichs beim Politischen Aschermittwoch einen Strafbefehl in fünfstelliger Höhe eingefangen, der vor Gericht geklärt werden dürfte. Auch andere Kandidaten nutzten die im Zuge der Corona-Pandemie von dortigen Gruppen entwickelte Wortschöpfung „Södolf“.
Verschwörungsideologische Straßenproteste pro AfD - Basis bedeutungslos
Hinzu kamen in der Endphase des Wahlkampfes noch die Vorfälle um die AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel, die Partei war medial in aller Munde. Unterstützung von der Straße kam in Form von Demonstrationen aus dem verschwörungsideologischen Milieu. Zahlreiche Gruppen hatten sich mit Blick auf ihre Telegram-Kanäle seit einiger Zeit zu AfD-Fangruppen entwickelt. In mehreren Städten gab es gegen die Grünen gerichtete Demonstrationen mit teilweise vierstelliger Beteiligung. Zudem wurden Wahlkampftermine gesammelt und zu Störungen der Veranstaltungen der demokratischen Parteien aufgerufen. Die AfD erinnerte die Szene aus Impfgegnern, Putin stützenden Friedensbewegten und anderen Verschwörungsideologen daran, wer ihre parlamentarische Vertretung sein soll. Kandidaten warben etwa mit Stichworten wie „ungeimpft“ auf ihren Flyern. Die andere Partei, die dieses Milieu adressierte, Die Basis, kam nur auf 0,9 Prozent der Gesamtstimmen und spielt auch innerhalb der Szene eine zunehmend untergeordnete Rolle.
Wen die AfD zukünftig in den Landtag entsendet, wird final erst im Laufe des heutigen Tages ermittelt. Das bayerische Wahlsystem kennt nur Personenstimmen. Gewählt ist, wer im Vergleich zu den Parteifreunden auf den jeweiligen Bezirkslisten mehr Gesamtstimmen auf sich vereinigen konnte. Ein gutes Ergebnis bei den Erststimmen ist hier zwar keine Garantie, aber schon mal die halbe Miete.
Besonders München bleibt für die AfD ein schwieriges Pflaster
Laut Übersicht des Landeswahlleiters erzielte die AfD in 17 von 91 Stimmkreisen Ergebnisse von 18% oder mehr. Das beste Ergebnis erzielte der Landtagsabgeordnete Gerd Mannes in Günzburg mit 24,4 % der Erststimmen und 23% der Gesamtstimmen. Laut der Darstellung war das nördliche und mittlere Schwaben ein Schwerpunkt mit guten AfD-Ergebnissen. Der AfD-Kandidat und völkische Burschenschafter Christoph Maier kam in Memmingen auf über 20% und wurde zweitstärkster Bewerber hinter dem CSU-Kandidaten. Auch im nördlichen Oberfranken gelang einigen AfD-Kandidaten der Sprung auf Platz 2 hinter der CSU. In Ostbayern konnte die AfD ebenso Ergebnisse von rund 20% einfahren. Der oftmals grobschlächtig auftretende Landtagsabgeordnete Ralf Stadler, der in der vergangenen Legislatur auch strafrechtlich belangt wurde und seine waffenrechtliche Erlaubnis abgeben musste, kam im Stimmkreis Passau-Ost als Zweiter ins Ziel.
Schlecht schnitt die AfD besonders in München ab. Hier lag in München-Mitte mit 4,5% ihr schlechtestes Ergebnis. 8,8% im Stimmkreis Ramersdorf waren hier das Maximum in der Landeshauptstadt. Der dortige Wahlkampf war beständig von Protesten begleitet worden, die teilweise von der Polizei unterbunden wurden.
Dass die Partei allerdings auch in Großstädten gut Ergebnisse erzielen kann, zeigten Nürnberg und Augsburg. In Nürnberg-Süd und Nürnberg-Ost landeten die Kandidaten Matthias Vogler und Elena Roon jeweils mit jeweils rund 17% hinter deutlich führenden CSU-Kandidaten. Die Russlanddeutsche Roon, Mitglied des AfD-Landesvorstandes, hatte einigen Jahren wegen rechtsextremer Chatnachrichten von einer Bundestagskandidatur Abstand genommen. Auch Vogler war eindeutig dem formal aufgelösten Flügel zuzurechnen. In den beiden Stimmkreisen in Augsburg-Stadt kam die AfD auch jeweils über 15%. Im Stimmkreis Schweinfurt mit der alten Industriestadt kam Richard Graupner, der wegen Verrat von Dienstgeheimnissen aus seiner Zeit als Polizeibeamter zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden war, auf 19% der Gesamtstimmen.
Flügelnahe Kandidaten hatten sich bei der Aufstellung der Wahllisten parteiintern mindestens fünf von den sieben Spitzenplätzen auf den Bezirkslisten gesichert. Hinzu kam das landesweite Spitzenduo mit Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm. Innerparteiliche Gegner wie der Rosenheimer Unternehmer Franz Bergmüller wurden dagegen meist abgestraft und nur auf hinteren Plätzen gereiht. Mit 14,6 Prozent bei den Erststimmen liegt er auf Höhe des landesweiten Ergebnisses und im Bezirk eher bei den besseren Ergebnissen.
Keinen Abbruch in der Wählergunst gab es trotz der Querelen in den Stimmkreisen Schwandorf und Cham. Der AfD-Landesverband hatte hier die Aufstellung der Direktkandidaten Reinhard Mixl und Wolfgang Pöschl annulliert. Hintergrund war, dass das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss eindeutig auf beide Bezug nahm, als es die Beobachtung des AfD-Landesverbandes durch das Landesamt für Verfassungsschutz gestattete. Gegen beide wurde zudem ein Parteiausschlussverfahren gestartet. In beiden Stimmkreisen stützte die Parteibasis die Kandidaten gegen den Wunsch des Landesvorstandes. Pöschl führt zudem gegen die eigene Partei eine Art juristischen Kleinkrieg und wurde laut Medienberichten vorläufig von den Ämtern enthoben. Er kam in Cham dennoch auf 21,5 Prozent der Erststimmen. Mixl schnitt mit 20,8% nicht wesentlich schlechter ab. Der Oberpfälzer Spitzenkandidat Roland Magerl, der in Weiden knapp 20% der Erststimmen erhielt, hatte bereits angekündigt, dass Pöschl im Falle seiner Wahl nicht in die Fraktion aufgenommen werden solle.