Bayerische Rechtsextremisten scheitern erneut an Unterschriftenzahl

Am Montag um 12 Uhr endete in bayerischen Rathäusern die Frist zur Abgabe von Unterstützungsunterschriften für die anstehenden Kommunalwahlen. So manche rechte und rechtsextreme Gruppierung musste hier schon ihre Hoffnungen auf ein Mandat begraben.

Mittwoch, 05. Februar 2014
Redaktion
Bayerische Rechtsextremisten scheitern erneut an Unterschriftenzahl
Sammeln mussten bis zu diesem Termin alle Bewerbergruppen, die bei den letzten Kommunalwahlen 2008 nicht in den Stadt- bzw. Gemeinderat eingezogen waren. Befreit waren somit die beiden NPD-Tarnlisten „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) München und Nürnberg, die gemeinsam über drei Sitze in den Stadträten verfügen. Deutlich gescheitert sind die Bemühungen der rechtsextremen „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF). Sie wird angeführt von den Kameradschaftsaktivisten des „Freien Netz Süd“ (FNS) um Matthias Fischer. Laut einer Pressemitteilung der Stadt Fürth erreichte sie nur 137 Unterschriften statt der benötigten 386. Besonders pikant: Es war das zweite Scheitern in Folge. Schon 2008 wollte man für die NPD zur Wahl antreten. Die Rechtsextremen waren zwar ebenfalls gescheitert, konnten aber damals immerhin 260 Anhänger zur Unterschrift bewegen. Sicher aus dem Stadtrat der Stadt Nürnberg ausscheiden wird Anti-Antifa-Aktivist Sebastian Schmaus. Er war bisher neben dem früheren NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert 2008 auf der Liste der BIA in den Stadtrat eingezogen. Das Verhältnis galt als angespannt, griffen doch gerade die Kameradschaftsaktivisten aus dem Umfeld von Schmaus Ollert immer wieder massiv an. Auf der von der BIA eingereichten, hauptsächlich aus Rentnern bestehenden Liste mit insgesamt 26 Namen fehlt Schmaus. Große Hoffnungen setzte der NPD-Landesverband auf die Teilnahme an der Kommunalwahl in Augsburg. Dort war im Herbst vergangenen Jahres ebenfalls eine „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ mit Manfred Waldukat an der Spitze gegründet worden. Mit Martin Bissinger aus dem Umfeld des FNS auf Platz 3 war auch die freie Kameradschaftsszene vertreten. Sowohl Udo Voigt als auch Karl Richter warben für den Wahlantritt. Die Facebook-Seite der NPD Bayern berichtete mehrfach über die Anstrengungen in der Fuggerstadt. Man bezahlte Facebook für eine Kampagne, um bei allen Augsburger Nutzern beworben zu werden. Auch ein Zwischenfall mit dem Sohn des Spitzenkandidaten wurde in mobilisierender Absicht verbreitet. Kurz vor Ende der Eintragungsfrist wechselte die BIA wieder in die bekannte Opferrolle, wohl in der Erwartung, dass es nicht reichen würde. Statt der benötigten 470 Unterschriften erreicht man mit 378 gerade einmal 80% der benötigten Anzahl. Für NPD-Landeschef ein weiterer Rückschlag. Schon bei der Landtagswahl hatten Richter und Spitzenkandidatin Sigrid Schüssler in ihren Heimatbezirken Oberbayern und Unterfranken die nötige Anzahl der Unterschriften verfehlt und waren erst gar nicht auf den Stimmzetteln aufgetaucht. Mit 0,6 Prozent rutschte man auch unter die Grenze für die staatliche Parteienfinanzierung. Karl Richter kann sich nun ganz auf die Wahl in München konzentrieren. Dort will die von ihm angeführte BIA nicht nur den Wiedereinzug schaffen, sondern ihre Sitzanzahl mindestens verdoppeln. Auf Platz 2 der Liste steht die Kameradschaftsaktivistin Vanessa Becker aus der Obermenzinger Neonazi-WG. Richter nutzt seine Rechte als Stadtrat intensiv zur Demagogie. Seine ständigen Anfragen haben häufig eine rassistische oder antisemitische Stoßrichtung. Zudem tritt der NPD-Bundesvize dieses Mal auch erstmalig bei der Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt an. Gesellschaft bekommt er dort auf rechter Seite durch den umtriebigen Michael Stürzenberger, mittlerweile Bundesvorsitzender der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit. Deren Münchner Ortsgruppe wie der lokale Ableger des Blogs „Politically Incorrect“ wird seit etwa einem Jahr nun auch offiziell vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Stürzenberger, ehemaliger Pressesprecher der Münchner CSU unter Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, hat vor Monaten ein Bürgerbegehren gegen den Bau eines islamischen Kulturzentrums eingeleitet und überzieht die Stadt mit Kundgebungen und sammelt Unterschriften. Dabei provoziert er gerne vorbeikommende Muslime, um sich bei Gegenreaktionen als Opfer darzustellen. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr kam Die Freiheit mit 764 Erststimmen und 2.727 Gesamtstimmen in der Landeshauptstadt nicht über 0,2 Prozent hinaus. Über das Bürgerbegehren verfügte Stürzenberger schon über den nötigen und hilfreichen Kontakt zur Bevölkerung für den Wahlantritt. 1.000 Unterschriften wurden benötigt. 1.268 Wahlberechtigte wollten die Islamhasser auf dem Stimmzettel sehen, etwas weniger, 1.112 unterstützten Stürzenberger bei der OB-Kandidatur. Stürzenberger und Richter hatten vor Wochen schon friedlich Seit´ an Seit´ Flyer vor einer städtischen Veranstaltung der Fachinformationsstelle der Stadt gegen Rechtsextremismus verteilt. Bei beiden dürfte vor allem die Wahlbeteiligung über die Wahlchancen entscheiden. Unter Umständen reichen nach dem angewandten Auszählverfahren schon 0,6 bis 1,25 Prozent für einen Sitz im Münchner Rathaus. Mit Spannung war auch das Abschneiden der neugegründeten Alternative für Deutschland (AfD) erwartet worden. Sie hatte bei der Bundestagswahl nur knapp den Einzug ins Parlament verpasst hatte und erreichte in Bayern landesweit 2,2 Prozent. Die als rechtspopulistisch eingestufte Partei musste ebenfalls sammeln. In München hatten sie schon am Freitag vor Fristende über 1.200 Unterschriften in der Landeshauptstadt gesammelt und konnten im Gegensatz zu anderen Gruppen beruhigt in das Wochenende gehen. In Nürnberg verfehlte man dieses Ziel deutlich. Nur ganze 291 Wahlberechtigte unterstützen die Liste, nur 251 die OB-Kandidatur. Benötigt worden wären 610 Unterschriften. Kreisvorsitzender Martin Sichert war in der Vergangenheit immer wieder mit rassistischen und geschichtsrevisionistischen Thesen aufgefallen. So seien laut Sichert die zwei größten Massenmörder des 20. Jahrhundert als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen. Der DGB hatte mit einem großen Transparent die Nürnberger aufgefordert, keine Neonazis in den Stadtrat zu wählen. Für Augsburg vermeldete die AfD schon letzten Freitag, die Marke überschritten zu haben. In Würzburg wird die Partei um Bernd Lucke hingegen nicht auf dem Stimmzettel stehen. Dort war die Abfuhr des Wählers besonders deutlich. Nur 151 Unterstützer fand man laut Main-Post statt der benötigten 440. Antreten wird man im oberfränkischen Forchheim. Dort verpasste man nach Angaben der Partei allerdings die Kandidatur im Landkreis zum Kreistag um ganze sechs Unterschriften. In Passau tritt eine neue Liste mit dem Namen „Pro Passau“ an. Sie bezeichnet sich selbst als „patriotisch und sozial“. Geführt wird das Wahlbündnis von den ehemaligen Republikanern Oskar Atzinger und Kurt Haimerl. Atzinger war 2008 aus der Partei geworfen worden, weil er gegen den Beschluss zur Abgrenzung gegen die NPD verstoßen hatte, wie die Passauer Neue Presse berichtet. Dem Verein gehörte zeitweise auch Robert Schegle an, bei der Bundestagswahl noch Kandidat der AfD im Wahlkreis Passau. Zunächst nannte sich das Bündnis „Alternative für Passau“ (AfP). Die Umbenennung zu Pro erfolgte nach dem Ausscheiden Schegles aus der Gruppierung. Die Kreisvorstandsschaft der AfD Passau-Freyung-Grafenau war gegen eine gemeinsame Liste mit den ehemaligen Reps. Für Aufsehen sorgte „Pro Passau“, als sie allen unterschreibenden Unterstützern Biermarken für das Volksfest versprach. Nach Informationen des BR hat das Wahlamt der Stadt die Aktion moniert und sie war gestoppt worden. Die erforderliche Anzahl von 215 Unterschriften hatte man nach Informationen der PNP aber im Gegensatz zu Linken und Piraten dennoch erreicht. Am Ende waren es 245. Das Scheitern der beiden rechtsextremen Gruppierungen in Fürth und Augsburg ist auch ein Erfolg für die Menschen, die sich für eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus stark gemacht hatten. In Fürth beteiligten sich im Januar über 2.000 Menschen an einer Demonstration gegen den Wahlantritt der BiSF. Auch wurden weit über 60.000 Flugblätter gedruckt und verteilt. In Augsburg gab es Aktionen der demokratischen Parteien und der Zivilgesellschaft, die auf die Hintergründe der BIA und ihrer Kandidaten hinwiesen. Den von manchen als Schreckgespenst verbreiteten „Werbeeffekt für die Anliegen“ der Neonazis gab es damit offensichtlich nicht.

Foto: Bayernnachrichten.de

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