Völkische Gruppierung

Bauernprotest mit der Flagge der „Landvolkbewegung“

Bei den Bauernprotesten kann man gelegentlich die Flagge der „Landvolkbewegung“ sehen, wobei es sich um eine auch gewaltorientierte und völkische Bestrebung gegen die Weimarer Republik handelte. Auch wenn deren heutige Anhänger in der Bauernbewegung nur eine kleine Minderheit sein mögen, so ergeben sich deren bedenkliche Auffassungen aus der Symbolik einer republikfeindlichen Vergangenheit.

Mittwoch, 17. Januar 2024
Armin Pfahl-Traughber
Bei den Bauernprotesten in Berlin am 15. Januar war ein Teilnehmer mit dem Logo der Landvolkbewegung unterwegs.
Bei den Bauernprotesten in Berlin am 15. Januar war ein Teilnehmer mit dem Logo der Landvolkbewegung unterwegs.

Bei den Bauernprotesten der letzten Jahre lässt sich gelegentlich eine besondere Symbolik wahrnehmen, womit hier die Flagge der „Landvolkbewegung“ in der Weimarer Republik gemeint ist. Sie zeigt auf schwarzem Grund einen weißen Pflug und ein rotes Schwert. Die Bewegung wie ihre Flagge sind heute kaum noch bekannt, gleichwohl verdient die besondere Erinnerung an sie Interesse. Denn es handelte sich nicht nur um eine bloße Bauernbewegung, die in den 1920 Jahre für nachvollziehbare soziale Interessen stritt.

Einerseits führten einige ihrer Aktivisten auch Sprengstoffanschläge durch, und andererseits ließen sich bei der ideologischen Ausrichtung auch nationalistisch-völkische Vorstellungen ausmachen. Daher konnte die spätere Entwicklung einiger ihrer Protagonisten nicht verwundern, wandten sie sich doch als deren parteipolitischem Ausdruck der NSDAP zu. Blickt man auf die gegenwärtigen Bauernproteste, woran sich ebenfalls offenkundig Extremisten und Gewaltorientierte beteiligten, so darf auch an dieses historische Phänomen erinnert werden. Doch worin bestanden die Besonderheiten der „Landvolkbewegung“?

Antisemitische und völkische Dimension der „Landvolkbewegung“

Sie entstand anlässlich einer strukturellen Krise in der Landwirtschaft, worauf die mit der Republik identifizierten politischen Verantwortungsträger nur zaghaft reagierten. Änderungen erfolgten nach einschlägigen Gesprächen nicht, sodass die Bauernbewegung einen Radikalisierungsschub durchmachte. Zunächst kam es nur zu passiven Aktionen wie etwa einem Steuerboykott, dann folgten aber auch Angriffe auf Gemeindediener, welche mit der Durchführung von Pfändungen betraut waren. Bei einschlägigen Demonstrationen tauchte ab 1929 auch die erwähnte Flagge auf.

Gleichzeitig kam es zu gewalttätigen Konflikten mit der herannahenden Polizei. Besonders gewaltaffine Aktivisten führten dann aber auch Anschläge  auf Finanz- oder Landratsämter durch, wobei es aber beabsichtigt oder zufällig nicht zu Toten oder Verletzten kam. Einige Aktivisten zogen sich angesichts dieser Folgen zurück, während eine politische Radikalisierung bei den Verbliebenen erfolgte. Sie ließen eine antirepublikanische und antisemitische, nationalistische und völkische Grundprägung erkennen und organisierten sich später als Mitglieder in der aufstrebenden NSDAP.

Einsichten für die Gegenwart hinsichtlich längerfristiger Wirkung

Bilanzierend betrachtet handelte es sich einerseits um eine gescheiterte Bewegung, was am politischen Niedergang und organisatorischen Zusammenbruch erkennbar ist. Andererseits legte die erwähnte Agitation mit den Grundstein für die NSDAP-Wahlerfolge, konnte die Partei doch seinerzeit vor allem im ländlichen Raum reüssieren. Aus analytischem Blickwinkel verdient darüber hinaus Interesse, dass hier über eine Radikalisierung nachvollziehbarer Sozialprotest längerfristige politische Wirkungen hatte. Abstrahiert man von den historischen Besonderheiten des Geschilderten, so ergeben sich auch Einsichten für die Gegenwart.

Denn bei den gegenwärtigen Bauernprotesten lassen sich ähnliche Mechanismen beobachten, wenngleich Extremisten ebendort noch nur eine lautstarke Minderheit sein mögen. Gleichwohl dokumentierten Fotos in den Medien, welche etwa eine Ampel an einem Galgen hängend zeigten, dass dort durchaus eine bis in die Gewaltorientierung reichende Radikalisierung vorstellbar ist. Insofern kann von einer bedrohlichen Dimension angesichts der erwähnten Flagge gesprochen werden.

Bild von der „Landvolkbewegung“ bei der Neuen Rechten

Übrigens findet sich bereits bei Armin Mohler, der als geistiger Gründungsvater der Neuen Rechten gilt, interessantes in dessen Promotion. Er behandelte darin die Konservative Revolution, allerdings in einem viel zu weit gefassten Verständnis. Als eine von fünf Gruppen wurde auch die „Landvolkbewegung“ genannt. Indessen passte sie ideologisch wie organisatorisch wie strategisch nicht zu dieser Sammelbezeichnung. Gleichwohl fand die Gemeinte großes Interesse bei Mohler, der die Aktionen der Bewegung relativierte und verharmloste.

So sprach er etwa nur von „‘symbolischen‘ Gewalttaten“, gleichwohl von einer „Kette von Sprengstoffanschlägen gegen Regierungsgebäude, vornehmlich Finanzämter, und gegen Wohnhäuser von Regierungsvertretern, wobei jedoch die Bomben stets so gelegt werden, daß niemand verletzt wird“ (Armin Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, 3. Auflage, Darmstadt 1989, S. 163). Belege dafür nannte er nicht, häufig dient so etwas zu Relativierungen. Denn ein Anschlag ist erst einmal ein Anschlag, lediglich bezüglich der Folgen gibt es dann Unterschiede.

 

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