Rezension
„Autoritäre Rebellion“ – antimoderne Einstellungen auf dem Vormarsch
Der bekannte Fachjournalist Andreas Speit legt mit „Autoritäre Rebellion. Wie antimoderne Reflexe breite Schichten der Gesellschaft erfassen und sie immer weiter nach rechts rücken“ eine neue Monographie vor. Darin geht es um Betrachtungen zu unterschiedlichen Detailfragen, die durch ihren Kenntnisreichtum zu einschlägigen Reflexionen einladen.

„Autoritäre Rebellion“, die Formulierung klingt wie ein Widerspruch in sich. Dieser Auffassung kann man indessen nur sein, wenn Rebellion grundsätzlich als progressiv gedacht wird. Dem muss aber keineswegs in der gesellschaftlichen Realität so sein, was etwa die Weimarer Republik veranschaulicht. Autoritäre Einstellungen fanden große Verbreitung, gleichwohl lehnten einschlägige Anhänger die existente Republik offensiv ab. Ähnlich verhält es sich in der Gegenwart, hier bezogen auf die liberale Demokratie.
Autoritär Eingestellte „rebellieren“ angesichts von gesellschaftlichen Konflikten gegen die in ihr gemachte Politik. Dafür gibt es gelegentlich auch gute Gründe, aber nicht, wenn sie sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat wenden. Genau auf diese Entwicklung blickt Andreas Speit. Sein neues Buch ist entsprechend betitelt mit: „Autoritäre Rebellion. Wie antimoderne Reflexe breite Schichten der Gesellschaft erfassen und sie immer weiter nach rechts rücken.“ Es handelt sich für den Autor aber um ein eher ungewöhnliches Werk.
Alte und neue Analyseansätze aktiviert
Denn er hat zahlreiche Bücher zu unterschiedlichen Gesichtspunkten des Rechtsextremismus und dessen Umfeld vorgelegt. Dabei ging es mal um die Identitären, mal um Neonazis, mal um die Querdenker, mal um Reichsbürger. Der Blick fiel auf einschlägige Ereignisse, Ideologien und Strukturen, jeweils mit anschaulichen Detailbeschreibungen aus journalistischer Sicht. Sein neuestes Buch ist hier anders, ist es doch eher in einem reflektierenden Sinne gehalten. Es geht um besondere Entwicklungen, weniger um detaillierte Sachverhalte.
Und der Autor erinnert sich wieder stärker an sein früheres Politologiestudium. Denn er bringt wichtige Denkansätze ins Gedächtnis, nicht nur die erwartbaren wie von Theodor W. Adorno zum autoritären Charakter, sondern auch von Erich Fromm zur Freiheitsangst. Auch an die frühen Diskursanalysen von Leo Löwenthal wird erinnert. Auch heutige Ansätze bilden Bezugspunkte, etwa Eva Illouz über die „Explosive Mitte“ oder Oliver Nachtwey über den „libertären Autoritarismus“.
Kontinuitäten im geistesgeschichtlichen Sinne
Etwas irritierend wirkt die Betitelung der Hauptkapitel: „Entgrenzungen und Relativierungen“, „Krisen und Versuchungen“, „Progressiv und regressiv“, „Wahn und Wirklichkeit“, „Politik und Poesie“, „Märchen und Natur“, „Selbstermächtigung und Menschenfeindlichkeit“. Darunter kann man sich selten konkrete Inhalte vorstellen, die Schwerpunkte wechseln auch häufig. Insofern muss der Leser immer besonders aufpassen, um die entsprechenden Zusammenhänge zuordnen zu können.
Dabei greift der Autor mitunter weit in die Geschichte zurück, um Kontinuitäten im geistesgeschichtlichen Sinne zu veranschaulichen. So ist etwa gelegentlich die Romantik ein Thema, entstanden dort doch Auffassungen von noch aktueller Relevanz. Dies alles wirkt in der Gesamtschau etwas fragmentarisch und unstrukturiert, es geht aber durchgängig um erkenntnisfördernde Reflexionen. Denn in der sozialwissenschaftlichen Forschung ist man noch in einer starken Suchphase, um die gemeinten Entwicklungen einer Erklärung zuzuführen.
Analyse von Bedrohungsszenarien als Krisendeutungen
Folgendes Beispiel mag die entsprechenden Inhalte veranschaulichen. Gleich zu Beginn eines Kapitels konstatiert Speit, dass eine „Sehnsucht nach einem Irgendwie-wie-früher … längst in der gesellschaftlichen Mitte virulent“ sei. Derartige Mentalitäten müssen verständlicherweise nicht im Rechtsextremismus münden. Sie bilden aber Bezugspunkte für einschlägige Diskurse, insbesondere dann, wenn sie mit der sozialen Frage oder anderen realen Problemen verbunden werden.
Dazu heißt es: „Derweil bieten Antidemokrat*innen unterschiedlichster Couleur eine Vision an: eine vormoderne, homogene Gemeinschaft, ethnisch und kulturell gleich“. Bedrohungsszenarien dienten zu dementsprechenden Krisendeutungen, wobei man diese Bekundungen auch schon von Denkern aus der Weimarer Republik her kennt. Auf derartige Kontinuitäten wird von Speit immer wieder verwiesen. Er präsentiert auch Belege dafür, dass die AfD heute nicht anders agitiert. Gerade derartige Detailanalysen bilden den Erkenntniswert der Monographie.
Andreas Speit, Autoritäre Rebellion. Wie antimoderne Reflexe breite Schichten der Gesellschaft erfassen und sie immer weite nach rechts rücken, Berlin 2025 (Ch. Links-Verlag), 172 Seiten