Rezension
Aufklärung über NS-Flugscheiben-Konspirationen
Immer wieder kursieren Konspirationsvorstellungen, wonach es etwa in der Antarktis eine geheime Basis von Nationalsozialisten gibt, welche mit „Reichsflugscheiben“ fortgesetzt eine Weltherrschaft anstreben. Nach 1945 fanden derartige Behauptungen nicht nur in sektiererischen Bereichen des organisierten Rechtsextremismus ihre Verbreitung. Erst jetzt setzt sich ein kleines Büchlein damit ebenso knapp wie kritisch auseinander: „Von Eis-Nazis, Flugscheiben und geheimen U-Booten“.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen die unterschiedlichsten Verschwörungsideologien auf. Demnach sei beispielsweise Hitler noch am Leben und mit Flugscheiben oder U-Booten nach Argentinien oder in die Antarktis geflohen. Nach anderen Behauptungen gab es im dortigen Neuschwabenland dann geheime SS-Stationen, wo Angehörige die Etablierung eines „Vierten Reichs“ vorantreiben würden. Meist verbreiteten frühere Nationalsozialisten solche Verschwörungsvorstellungen, entweder um sich allgemein in der Öffentlichkeit interessant zu machen oder um ihre politische Wiederkehr anzukündigen.
Gelegentlich fanden derartige Behauptungen auch Eingang in die seriösen Medien, um wohl einen auflagenstärkenden Gruseleffekt für das Verkaufsinteresse zu bedienen. In den 1990er Jahren erschienen dann mit ähnlichen Inhalten weitere Monographien, die im esoterischen wie rechtsextremistischen Lager gewissen Verbreitung fanden. Die Bände „Geheimgesellschaften“ von einem „Jan van Helsing“ stehen dafür. So absurd die Behauptungen waren, so wurden sie doch in Nischenbereichen verbreitet.
Aufklärung über diffuse, aber verbreitete Verschwörungsvorstellungen
Dies war auch umso einfacher möglich, weil dem kaum etwas entgegen gesetzt wurde. So etwas unternimmt erst jetzt Michael Scholz, der im Hauptberuf als Bibliothekar arbeitet und nebenher bei der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) aktiv ist. Er legte ein kurzes Buch mit „Von Eis-Nazis, Flugscheiben und geheimen U-Booten. Die Wahrheit über Neuschwabenland“ als Titel vor. Man könnte mit guten Gründen fragen, ob eine solche Publikation heute noch sein muss. Indessen ist auch das Internet voll von einschlägigen Verschwörungsvorstellungen. Der Autor beabsichtigt demgegenüber, detailliert nach deren Realitätsgehalt zu fragen.
Denn er konstatiert, bezogen auf die gemeinten Ereignisse, jeweils einen wahren Kern, der häufig Erfolgsgarant für gewisse Konspirationsfiktionen ist. Ausführlich geht es daher zunächst um die historische Antarktis-Reise des „Schwabenland“-Schiffs, das im Auftrag der NS-Führung 1983/39 aus kriegswirtschaftlichen Interessen ebendort unterwegs war. Anschließend blickt Scholz kritisch prüfend auf die dazu unterschiedlichen Verschwörungsvorstellungen.
Quellenkritik gegen „Flugscheiben“-Fiktionen
Dabei referiert er zunächst acht kursierende Varianten, die bezogen auf alle nur möglichen Details jeweils einer kritischen Prüfung ebenso knapp wie überzeugend unterzogen werden. Eingeschlossen sind dabei auch die in den letzten drei Jahrzehnten über die traditionellen Versionen hinausgehenden Vorstellungen, worin gar Außerirdische in Kombination mit überlebenden SS-Männern eine Rolle spielen. Der Autor betreibt dann bei seinen Erörterungen intensive Quellenkritik.
Er nutzt außerdem ein Argumentationsmuster, das ansonsten in den Auseinandersetzungen nicht stärker vorkommt. Dabei werden manche Aussagen zunächst ernst genommen, um dann nach deren realen Voraussetzungen zu fragen. Auch hier wird nie ein wahrer Kern von Scholz unterschlagen, womit die inneren Brüche in den jeweiligen Erzählungen auch deutlich werden. Damit lassen sich auch die jeweiligen Fehlschlüsse bei der Konstruktion einschlägiger Verschwörungsvorstellungen gut veranschaulichen. Bilanzierend hat man es daher mit einem in aufklärerischer Absicht geschriebenen kleinen Handbuch zu eben diesen Konspirationsfiktionen zu tun.
Festhalten am „großdeutschen Traum“ als Motiv
Darin findet man in Exkursen auch viele Zusatzinformationen, um Ereignisse und Personen besser einschätzen zu können. Der in der Gegenwart einflussreiche Verschwörungsideologe Axel Stoll ist etwa ein gesondertes Thema. Der Autor bleibt aber auf sein besonderes Erkenntnisinteresse fixiert, eben die Konspirationsvorstellungen an der Realität zu überprüfen. Dadurch geraten andere interessante Aspekte aus dem Blick, wozu insbesondere der politische Hintergrund der Protagonisten und deren damit verbundene Zielsetzung gehören.
So werden nur einige Hypothesen formuliert, bemerkt Scholz doch etwa: Ein wichtiger „Punkt dürfte sicherlich das Festhalten am ‚Großdeutschen Traum‘ sein, also die Überhöhung des deutschen Reiches, das Träumen von einer militärisch-technischen Überlegenheit der Wehrmacht nach dem Gedanken ‚Wir hätten ja können, aber der Führer hatte einen anderen Plan‘“. Viel spricht für die Angemessenheit dieser Deutung. Gleichwohl hätte man gern mehr zu derartigen Fragestellungen gelesen, wobei diese Anmerkung dem kleinen Buch nicht den aufklärerischen Wert absprechen kann und will.
Michael Scholz, Von Eis-Nazis, Flugscheiben und geheimen U-Booten. Die Wahrheit über Neuschwabenland, Aschaffenburg 2023 (Alibri-Verlag), 115 Seiten