Auf den Spuren der Täter und der Retter
Ohne Täter und Mitläufer auf allen Ebenen wäre der Massenmord an den Juden nicht möglich, der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion nicht führbar gewesen. Es gab aber auch beherzte Menschen, die sich einzeln und mutig den Befehlsketten entzogen.
Je mehr Zeitzeugen nicht mehr am Leben sind und je lauter Stimmen werden, „endlich einen Schlussstrich zu ziehen“, desto wichtiger ist das Erinnern, desto dringender wird das Mahnen. 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Faschismus müssen wir die Täter im Gedächtnis bewahren und uns an die Widerständler und Retter erinnern.
Einer von denen, die nicht ruhen, beide Gruppen aufzuspüren, ist Wolfram Wette. Der fast 75-jährige Historiker hat von 1971 bis 1995 am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg gewirkt und ist eine der Leitfiguren kritischer Militärgeschichtsschreibung und Friedensforschung.
Ein lesenswerter Sammelband von Aufsätzen, Vorträgen, Artikeln und Rezensionen erlaubt einen ersten Gesamtblick auf Wettes unermüdlich verfolgtes Zentralthema: Kriegsverbrecher und Militärrichter, Widerständler und Deserteure. Er verurteilte die Täter und rückte die unerkannten Menschen, die stillen Helden in den Vordergrund, die „unter extremen Bedingungen Zivilcourage vorgelebt haben.“
Kriegsverbrecher nicht vergessen, an Retter erinnern
Der Titel mag etwas altmodisch klingen, ist aber provozierend gemeint. „Ehre wem Ehre gebührt!“ stellt diejenigen heraus, deren Namen sonst verborgen geblieben wären. Einer von ihnen ist der SS-Massenmörder Karl Jäger aus Waldkirch im Schwarzwald. Unbequem wie er ist ist, ließ Wette, der dort lebt, nicht locker, seine Landsleute mit dem Mann zu konfrontieren, der für den Holocaust in Litauen mitverantwortlich war. Doch er musste erfahren, dass er zu vielen, die diesen Teil der Heimatgeschichte verschließen wollten, nicht durchdrang.
Einer der Widerständler ist Anton Schmid. Der Feldwebel der Wehrmacht aus Wien hat „aktiven Anstand bewiesen“, indem er in Vilnius / Litauen auf eigene Faust hunderte Juden rettete. 1942 wurde Anton Schmid erschossen. Doch es dauerte 58 Jahre, bis die Bundeswehr auf Betreiben des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) eine Kaserne nach ihm benannte. Mittlerweile wurde sie geschlossen und abermals ist der Name des Soldaten-Vorbilds verschüttet.
Den Stimmen der Aufklärer Gehör verschaffen
Doch Wolfram Wette lässt sich nicht entmutigen. Er verfolgt die aus seinem historischen Verständnis gewachsene Botschaft, dass „die Stimmen der unbeirrten Aufklärer“ nicht verstummen werden, die dem „Verschwinden der Täter“ (Buchautor Hannes Heer) und dem „Verwischen ihrer Spuren“ entgegenwirken. Gerade zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in Deutschland.
Wolfram Wette: „Ehre wem Ehre gebührt!“ Täter, Widerständler und Retter 1939-1945, Bremen 2015, Donat Verlag, 334 Seiten, 16,80 Euro; ISBN 978-3-9443425-30
Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwärts.de