Anastasia-Bewegung

Arier- und Ahnenkult

Der völkisch-esoterische Anastasia-Kult dehnt sich über sogenannte Familienlandsitze oder Ahnenhöfe bundesweit aus. Der politische Hintergrund der russlandfreundlichen Landeroberer wird oft zu spät erkannt. Teil 1 einer vierteiligen Serie.

Donnerstag, 06. April 2023
Andrea Röpke
Das Schloss Ober-Neundorf bei Görlitz - die Eigentümer sollen dem Anastasia-Kult nahestehen
Das Schloss Ober-Neundorf bei Görlitz - die Eigentümer sollen dem Anastasia-Kult nahestehen

„Hier erwacht ein KultUrGut“ steht auf der hohen Stellwand vor der Baustelle am Schloss Ober-Neundorf in Ostsachsen. Die Formulierung scheint im Hinblick auf dieses Projekt nahe Görlitz kein Zufall. Vielerorts „erwachen“ wahlweise Germania, die Volksseele oder deutsche Kultur. Unter der Parole „Erkennen, erwachen, verändern“ erkennen Verschwörungsideologen einander. „Vom „Großen Erwachen gegen den Great Reset“ schreibt der extrem rechte russische Philosoph Alexander Dugin und meint: „Trumpisten gegen Globalisten“. Dugin strebt gegen Faschismus, Liberalismus und Marxismus eine „vierte politische Theorie“ an, die Elemente eines russischen Neofaschismus enthält.

Doch was hat die Baustelle auf Schloss Ober-Neundorf bei Görlitz mit russischen Nationalisten zu tun? Immerhin sind es bundesdeutsche staatliche Institutionen, die dem Gemäuer zu neuem Glanz verhelfen. Finanziell gefördert, steht auf der Stellwand, durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, den Freistaat Sachsen, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sowie die Stadt Görlitz. Allein 155.000 Euro Fördergelder für diese Immobilie kommen aus Bundesmitteln, wie die Sächsische Zeitung am 2020 berichtete.

Schulungszentrum geplant

Das markante Renaissance-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit seiner Sgraffito-Fassade war im Mittelalter Herrschaftsschwerpunkt eines Rittergutes und wird jetzt aufwendig saniert. Der Bauunternehmer Dietrich Kuhn und seine Ehefrau Simone, eine Heilpraktikerin aus Tettnang in Baden-Württemberg scheuen seit dem Erwerb des Anwesens 2015 die Öffentlichkeit nicht. „Ist es nicht wunderbar, dass trotz Corona-Panik, trotz apokalyptischen Wetterszenarien, trotz Klima-Hysterie, Migrantenscharen, Terroranschlägen und Politikergeklüngel die Krokusse im Park sich entschlossen haben, ihr keckes Orange durch das Erdreich dem zarten Himmelblau des Vorfrühlings entgegenzuschieben“, heißt es auf der Webseite der neuen Besitzer, die für Vision, Verein und Spenden werben.

Für die Sanierung des Schlosses gibt es finanzielle Unterstützung - u.a. vom Umweltministerium und dem Freistaat Sachsen, Foto: isso.media
Für die Sanierung des Schlosses gibt es finanzielle Unterstützung - u.a. vom Umweltministerium und dem Freistaat Sachsen, Foto: isso.media

In dem Schloss soll laut Selbstdarstellung ein „Schulungszentrum“ entstehen, „Tagungsräume“ stehen inzwischen kurz vor der Fertigstellung. Wer auf dem erwachten Kulturgut geschult wird, bleibt offen. Doch seit 2018 finden Kulturevents und Benefizveranstaltungen im Schloss Ober-Neundorf statt, die vordergründig an die Regionalbevölkerung gewandt scheinen. Recherchen zeigen, dass die Betreiberfamilie Kuhn dem völkisch-esoterischen, aus Russland stammenden Anastasia-Kult nahe steht. „Lassen Sie sich begeistern für verschiedenes Tun, wie Handwerken, gemeinsames Singen, vielleicht auch tanzen, für junge Künstler und die russische Waldschule in Tekos“ steht auf der Internetseite der Familie. Die russische Waldschule in Tekos ist ein Synonym für das sogenannte Lyzeum-Internat von Michail Petrowitsch Schetinin, einem 2019 verstorbenen Musiklehrer.

Schetinin-Pädagogik

Die sogenannte Schetinin-Pädagogik steht der völkisch-nationalistischen Anastasia-Bewegung, die sich an der zehnbändigen Buchreihe des russischen Unternehmers Wladimir Megre orientiert, nahe und erfreut sich in der Querdenker- und verschwörungsideologischen Szene großer Beliebtheit. 2022 wird in der Telegramgruppe von Schloss Ober-Neundorf für das Seminar „Kraft der Ahnen“ geworben, welches persönliches Wachstum und individuelle geistliche Bereicherung verspricht. Dank der „wunderbaren Wlada Ruggle“ aus der Schweiz erfahren die Teilnehmenden mehr über Identität, es heißt „über unseren eigenen Platz im Stamm“.

Bereits 2019 trat die Folkloristin Ruggle in Ober-Neundorf auf, gleich nach der Eröffnungsrede des Ortsvorstehers. Ruggle trägt auf Bildern russische Tracht mit viel Symbolik. Auch ein abgerundetes Hakenkreuz ist zu sehen. Im Juli 2022 wird Ruggle zum „Folklore-Sommerfest“ mit „freudetrunkenen“ Reigentänzen angekündigt. Die antifaschistische Schweizer Informationsplattform „Die Betonmalerinnen“ warnt vor den Aktivitäten von Vladislava Ruggle, als einer „nationalistischen Russlanddeutschen“ mit Kontakten zu Reichsbürgern wie Burghard Bangert oder Antisemiten wie Marina F. Bereits 2012 wurde eines ihrer Seminare auf einem Flyer mit dem Titel „Das wedische Erbe unserer Ahnen“ angekündigt. Sie baute den Anastasia-Kult früh mit Aktivisten wie dem brandenburgischen Rassisten Frank Willy Ludwig in Europa auf.

Corona: „Dass die Alten sterben, ist die Regel“

Die Görlitzer Schloss-Betreiberin Simone Kuhn, Jahrgang 1969, gibt sich in den Lokalmedien als Kritikerin staatlicher Pandemie-Maßnahmen und Corona-Leugnerin zu erkennen. In einem Interview mit dem Journalisten Ingo Kramer soll sie zur Pandemie geäußert haben: „Dass die Alten sterben, ist die Regel“. Eine Aussage mit sozialdarwinistischen Beigeschmack. Vom Glauben an die weiße, russische Heilsbringerin Anastasia ist offensiv nichts zu lesen. Doch am 1. KultUrGut-Fest auf Schloß Ober-Neundorf im September 2018 nahmen auch Alruna Schulz-Palitzsch und zwei weitere Damen von „Weda Elysia“ teil, einer der bekanntesten Anastasia-“Familienlandsitze“ aus Wienrode im Harz, deren Mitglieder sich nachweislich im rechtsextremen Spektrum bewegen.

Zu einem Benefiz-Konzert für die Erhaltung des sächsischen Schlosses am 25. September 2021 spielten drei Streicherinnen in Abendkleidung auf. Unter ihnen eine ehemalige Aktivistin des völkisch-nationalistischen „Sturmvogel-Deutscher Jugendbund“. Ein anderes Mal beteiligten sich Eltern an einem Fest, deren Kinder das Sturmvogel-Sommerlager in Grabow auf dem Geländes des dortigen Anastasia-Landsitzes besuchten. Die Sächsische Zeitung recherchierte, dass ein Lehmbauer aus Niedersachsen am Bau beteiligt und am Tag der Offenen Tür 2022 zugegen war. Der einstige NPD-Mann gehört heute zum harten Kern der völkischen SiedlerInnen in der Lüneburger Heide.

Etliche Anknüpfungspunkte

Seit 2014 eines der ersten deutschen Anastasia-Festivals auf der Burg Ludwigstein und ein Jahr später eines im brandenburgischen Grabow stattfand, gehören Völkische mit Volkstanz, deutschem Liedgut und historischer Handwerkskunst dazu. Anknüpfungspunkte zwischen rechtsesoterischer und elitär nationalistischer Szene gibt es viele: Antisemitismus, Antiglobalisierung, Autorität.

Weniger bekannt: Beide Spektren hegen durchaus auch politische Interessen orientiert am Russland Putins. Während die völkischen Siedlungsnetzwerke sich nach 1945 verankerten und etablierten, sind die nach dem Vorbild des Anastasia-Kultes noch im Aufbau. Doch die Hektarzahlen wachsen. Tausende folgen in unzähligen Telegram-Gruppen der von Wladimir Megre geprägten Version vom Ausstieg aus der Gesellschaft. Eine Expansion der Anastasia-Bewegung birgt die Gefahr, dass sich nicht nur autarke Selbstversorgerhöfe von rechts bilden, sondern die sich auch als unberechenbare Wehrgemeinschaften definieren.

Anastasia-Begeisterung in Deutschland

2001 wurden die ersten Siedlungen entsprechend der Buchreihe um die „Klingenden Zedern Russlands“ gegründet, heute sollen es über 100 in ganz Russland sein. 2012 fand das 1. Siedlungsgründertreffen im „Waldgartendorf“ von Konstantin Kirsch in Hessen statt. Schon seit 2000 aber soll es deutsche „Pioniere“ geben, die für das „Bekannterwerden der Buchreihe“ Sorge trugen. Von 17 Anwesen in der Bundesrepublik ist die Rede, darunter so bekannte „Familienlandsitze“ wie der „Mutterhof“ im Allgäu, Weda Elysia im Harz oder das Goldene Grabow in der Prignitz.

Zahlreiche antifaschistische und Medien-Recherchen belegen deren rechtsextremen Hintergrund. Andere Akteure dieser Szene agieren vorsichtiger. „Zehntausende Deutsche“ seien im Bann der Bücher von Wladimir Megre schreibt einer der frühen Anastasia-Fans, Felix Krauß, genannt „Felix der Glückliche“ in einem selbstverlegten Buch. Das Kernstück der Anastasia-Vision sei es, eine „echte Heimat“ zu schaffen. Wladimir Megre habe die Prinzessin der Taiga gefragt, so Krauß, „was sollen wir tun, damit gesichert ist, dass uns kein Krieg befällt, alle Kriminalität verschwindet und glückliche und gesunde Kinder geboren werden ? Sie sagte: Wir müssen jedem sagen: Leute, holt euch eure Heimat zurück!“ Der Begriff Heimat (Rodina) drücke eine „tiefe Anbindung an die Vorfahren, Fürsorge für die Nachfahren und eine treue Bindung mit dem Land, auf dem die Sippe lebt“ aus. Felix Krauß, der sich im Ostharz niedergelassen hat, schreibt: „Die deutschen Ökodörfer leiden unter dem Schulzwang, dem Finanzamt, der umliegenden industriellen Landwirtschaft, dem Abwasser-Anschluss-Zwang, der Zensur...und auch einigen anderen gesellschaftlichen Mustern, welche ihr Aufblühen erschweren“. Für ihn ist klar: Russland ist Ausgangspunkt eines neuen Zeitalters, „der wieder erstarkte russische Staat (..) ist das Schutzschild gegen die alte globale Machtelite“.

Der erfahrene sächsische Pionier

Robert Köhn hat bereits einen „Familienlandsitz“ nach Anastasia aufgebaut: Den Lebensraum e.V. in Freital bei Dresden, einem Verein zur Förderung und Entwicklung natürlicher und ganzheitlicher Lebensgemeinschaften. „Unser Ziel ist es, mit einem Siedlungs-Pilotprojekt in Sachsen zu starten und weitere Siedlungen aufzubauen“, hieß es bereits 2019 auf deren Internetseite. Die Selbstversorgersiedlung orientiert sich an dem Buch des Hamburger Professors Ralf Otterpohl „Das neue Dorf“, wie es im Internet heißt. Links führen zu den Anastasia-Büchern und anderen „Familienlandsitzen“ wie dem „Goldenen Grabow“.

Köhns Siedlung „Lebensraum“ sei eine „Keimzelle für die Heilung der Erde“. Bis 2016 gehörte der bärtige Sachse der Reichsbürgerszene an, war laut dem Medienportal „Vice“ Vertreter einer „Administrativen Regierung des Bundesstaats Sachsen“. Laut „Vice“ beendete er die Zusammenarbeit mit dem „Bundesstaat Sachsen“, wolle „dem sächsischen Volk“ aber „aus anderer Position“ dienen. Das Projekt startete mit etwa 10 Mitgliedern und deren Familien. 2017 wurde der Referent „Urahnenerbe“ alias Frank Willy Ludwig eingeladen. Ludwig vertritt eine rassistische und nationalsozialistische Ideologie.

Zu viel kritische Presse?

„Es gibt keine Anastasia-Bewegung“, behauptet Köhn heute, das sei ein „Gespinst der Presse“, die einen Namen, eine Organisation brauche, um sie bloßzustellen. Es gäbe „lediglich Bücher und Menschen, die diese Bücher gut finden. Und davon gibt es viele“. Der Verein Lebensraum e.V. wolle sich, laut Köhn „ nicht in die Öffentlichkeit stellen, um Andersdenkende zu überzeugen, sondern um Gleichgesinnten eine Möglichkeit zum Austausch zu bieten.“ Journalistische Fragen will er nicht beantworten, hält sie für „Köder zur Denunzierung“. Inzwischen hat sich Köhn auf einem Gemüsehof in Grubditz bei Bautzen niedergelassen, betreibt zudem einen eigenen Telegramkanal, der allerdings noch wenig genutzt wird.

Tatsächlich agieren die russlandfreundlichen Landeroberer vorsichtiger als in den Anfangsjahren. Die Dresdener Unternehmerin Christine Juliane Langhammer schrieb 2019 im Facebook-Account „Anastasia – neue Vision der Welt und des Lebens“: „Wegen der ganzen negativen Presse und der Scheu jedes Politikers, sich mit dieser Idee zu befreunden, vermeiden wir den Namen Anastasia und Familienlandsitz und beziehen uns stattdessen auf Ralf Otterpohl und sein `Neues Dorf´. Das ist im Prinzip dasselbe, aber nur praktisch und pragmatisch erklärt, weniger spirituell oder `esoterisch´.“ Otterpohls Buch liegt denn auch in ihrem vegetarischen Imbiss „Wurzelküche“, vormals „Gesundes Mittag“, in Dresden aus. Ein Bestseller nicht nur in der ökologisch und esoterisch geprägten Lebenswelt.

Der Stratege aus dem Wendland

Zum Guru taugt Prof. Dr.-Ing. Ralf Otterpohl von der Technischen Universität Hamburg, Spezialgebiet für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz, wenig. Zum „Rebell“ sei er geworden, berichtet Otterpohl in Vorträgen gern. Der schlaksige Mann mit dem markanten Gesicht verbreitet Verschwörungsideologien, schwärmt von Michael Beleites, einem Öko-Bürgerrechtler der DDR, der heute mit Rechtsextremen paktiert. „Globalerwärmung ist Vollverarschung“ referiert der Hamburger Professor in einem Seminar und fügt an: „Weil die, die wissen, dass es kälter wird, die lassen uns in die Richtung laufen und bereiten andere Dinge vor.“

Laut MOPO verurteilt Otterpohl den „CO2-Mythos“. Spricht stattdessen im Vortrag lieber über Geomantie, eine Form des Hellsehens oder davon, „Elementarwesen“ im Garten „wahrnehmen zu lernen“. Otterpohl, Jahrgang 1958, betreibt die Internetseite gartenring.org. Dort wird auch der „Mutterhof“ seines Anastasia-Freundes Robert Briechle lobend vorgestellt. Früher äußerte Otterpohl sich noch offener zu Megres Büchern, das war vor aufkeimender öffentlicher Kritik in Hamburg. 2013 tauschten sich Konstantin Kirsch und Robert Briechle, frühe Anastasia-Pioniere mit Otterpohl im gemütlichen Kreis zur „Vision“ der Buchreihe aus. 2017 freuten sich die OrganisatorInnen „unbändig“, die Mitwirkung von Otterpohl beim „4. deutschlandweiten Anastasia-Festival“ anzukündigen.

Das niedersächsische Wendland sei „relativ lebendig“, deshalb baut Otterpohl dort selbst eine eigene Dorf-Struktur im Dorf Glienitz im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf. „Ich persönlich möchte keine so enge Gemeinschaft, sondern eher eine Nachbarschaftsgemeinschaft“, gab der Professor und Autor von „Das neue Dorf“ an. Otterpohls Holzhaus ist fertiggestellt, es gibt weitere Tiny-Häuser und Bauwägen. Schafe und Bienen werden gehalten. Zum Baden im Sommer ist die Elbe nicht weit. Widerstandserprobte SympathisantInnen findet er im Ort und der Region um Gorleben ausreichend vor.

Reichsbürger auf eigenen Landsitz

Etwas weiter entfernt in der niedersächsischen Südheide möchte Thomas Patock, selbsternannter „König von Wedenland“, „Anastasias Träume und Wünsche“ mit einem eigenen Familienlandsitz zum Leben erwecken. Sein „Reich“ liegt in Gerdehaus, einem Ortsteil von Faßberg am Rande des Truppenübungsplatzes Munster in Niedersachsen. Der 2017 wegen Volksverhetzung verurteilte Reichsideologe Patock nennt seinen Landsitz „Arvids Gutshof“ oder einfach „Wedenland“. In der Anastasia-Buch-Anthologie stellen die slawischen „Weden“ eine höherwertige Kultur dar, ein privilegiertes, weißes Volk. “Wir – Asiaten, Europäer, Russen und diejenigen, die sich vor kurzem Amerikaner genannt hatten, sind in Wirklichkeit Menschen-Götter aus einer Zivilisation der Wedrussen“, schrieb Wladimir Megre 2007. Die Idee des Neo-Eurasismus entwickelte der Putin-nahe, rechtsextreme russische Philosoph Alexander Dugin. Die Wedrussen sollen seinen Ideen zufolge das Pendant zur vermeintlich liberalen Zivilisation unter jüdischer Vorherrschaft darstellen.

Eine Veranstaltung auf dem „Wedenland“, Foto: isso.media
Eine Veranstaltung auf dem „Wedenland“, Foto: isso.media

Kaum jemand würde Thomas Patock mit Piratentuch, langem Bart und fantasievoller Kleidung als rechts verorten. In seinem „Wedenland“ wurden viele kleine Hütten und Häuschen errichtet. Er veranstaltet Hundebiathlon mit Bogenschießen, feiert Samhain, das heidnische Sonnenfest und lädt Gäste zu Konzerten in eine ausgebaute Holzscheune ein. Zum 1. Mai 2019 kündigte Patock Dieter Strobel aus Bremerhaven an, den „Barden“ der deutschen Anastasia-Bewegung. Strobel war bereits 2014 auf Burg Ludwigstein dabei. Am 25. Juni 2022 reiste Eloas min Barden alias Jens Lachenmayr aus Augsburg nach Gerdehaus. Lachenmayr ist ein Liedermacher, der sich im politischen Spektrum von „Querdenken 711“ bewegt, aber auch Sympathien für die russische „Familienlandsitz“-Bewegung zeigt. In einem Video ist der gemeinsame Auftritt mit Patock zu sehen. Der tritt mit einem Samttuch über dem Kopf auf die Bühne, tanzt wild, wirbelt herum wie ein Derwisch. Genau zwischen den beiden Männern ist im Hintergrund ein selbstgemaltes Bild erkennbar, darauf prangt ein verschnörkeltes Hakenkreuz.

Häufig tauchen in dem Zusammenhang auch abgewandelte Formen der Swastika auf, hier im Hintergrund zu sehen, Foto: Screenshot
Häufig tauchen in dem Zusammenhang auch abgewandelte Formen der Swastika auf, hier im Hintergrund zu sehen, Foto: Screenshot

„Es geht bei meinem Streben, als Staatsmann, in meinem Leben vor allem nun auch vermehrt darum, liebenswerte Geschwisterseelen, vor der vollständigen Auflösung zu bewahren, dem sogenanntem Tot!“ schreibt Thomas Patock in einem seiner zahlreichen Pamphlete. Der selbsternannte „König von Wedenland“ schwadroniert nicht nur von dunklen Mächten und Priestern, die die Menschen versklaven wollen, sondern zitiert auch den nationalsozialistischen Dichter Erich Limpach: „Und wenn im Schlachtenwehen der letzte Deutsche fällt, wird mit ihm untergehen blutrot das Herz der Welt.“ Sein Bruder, der gemeinsam mit ihm auf dem „Familienlandsitz“ Gäste empfängt, ist eigenen Angaben zufolge ehemaliger Feldjäger der Bundeswehr. Im Sommer 2022 beteiligte er sich an einer AfD-Kundgebung in Uelzen. „Wir befürchten, dass sich in Faßberg inzwischen eine rechtsextreme Szene trifft und in der Ecke langfristig auch festsetzt“, sagt Wilfried Manneke, Sprecher des Südheide-Netzwerkes gegen Rechtsextremismus im Hinblick auf den Ausbau des „Wedenland“-Gutshofes.

Die frühen Pioniere

Eine der ganz frühen deutschen Anastasia-Pionierinnen ist Christa Jasinski. Gemeinsam mit ihrem Sohn Simon Below baut sie den Familienlandsitz Talmühle im thüringischen Cursdorf auf. Über 1.000 Abonnenten folgen ihnen auf Telegram, wenn sie über heidnische Bräuche oder die „Thalus von Athos“-Bücher schreiben. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Alf Jasinski, der laut rechtem Kopp-Verlag als „Augenzeuge über eine Zivilisation im Inneren der Erde berichtet“. Autorin Christa Jasinski schreibt und referiert über ihren Ehemann, den verstorbenen „Innererde“-Experten.

Eine „starke seelische Übereinstimmung“ zu ihr verspürt auch Felix Krauß in seinem Text „Die Geburt des neuen Zeitalters“. Jasinski und Krauß lernten sich demnach 2015 bei der Hochzeit von Iris und Markus Krause im brandenburgischen Grabow kennen. Gemeinsam leiteten sie „die Halle der offenen Herzen“. 80 Menschen hätten sich dabei kennengelernt. Kraus schreibt mit Iris und Markus Krause trafen zwei Welten aufeinander, die der globalen Vision Anastasias und die „der Anbindung an unsere deutschen Vorfahren“. Denn Markus Krause „war lange Teil der bündischen Jugend“. (…) „Möge diese Verbindung von deutschem Geist und Weltoffenheit fruchtbar sein.“ Markus Krause besuchte 2007 Veranstaltungen des antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis – Ludendorff“ und unterhielt sich 2010 mit Götz Kubitschek bei der Neonazi-Kundgebung der NPD in Dresden.

Der glückliche Antisemit

Zwischen 2013 und 2018 baute Felix Krauß eigenen Angaben zufolge den „Familienlandsitz Weda Elysia“ von Aruna und Maik Schulz in Wienrode mit auf. Krauß hat sich inzwischen im Ostharz in Sachsen-Anhalt als Selbstversorger und „Bar-Hufpfleger für Pferde und Esel“ niedergelassen. Auf einem weiteren 1,6 Hektar großen „Landsitz“ mitten im Harzer Wald, bei Heilpraktikerin und Selbstversorgerin Christina, lud Krauß Ende August 2022 zur „Schöpfungswoche“. Er kenne keinen Menschen, der in Deutschland so nah an das Leben Anastasias auf ihrer Lichtung kommt, wie seine Gastgeberin Christina. Krauß kennt nicht nur die deutschen Landsitze und fördert deren Versuche, eigene Lerngruppen und Schulen aufzubauen, er hat auch Russland und die Schetinin-Schule besucht. In seinem Buch „Die Geburt des neuen Zeitalters“ hat sich der aus Schkeuditz Stammende vor allem mit „dem Untergang des Abendlandes“ und dem „Beitrag Deutschlands“ beschäftigt. Krauß, der sich als früherer Klimaaktivist beschreibt, bemühte sich bei Anastasia-Festivals mit Völkischen wie Gerhild Drescher um einen neuen Text des „Lied der Deutschen.

In seinem Buch beschäftigt ihn ebenso die Rolle Deutschlands an der Seite des aus seiner Sicht künftigen Weltanführers Russlands. Dafür werden Geschichtsglättungen und Verfälschungen angestellt, einige Kapitel heißen: „Eine neue Sicht auf das jüdische Volk“ oder „Den Knoten um das Dritte Reich endlich lösen“. Autor Krauß blickt auf Megres Bücher und schreibt: „Eine kleine Gruppe von Menschen, darunter ein großer Anteil Juden, hält das Geldsystem sogar für das zentrale Mittel zur Lösung aller Probleme“. Und weiter: „Mit der Niederlage Deutschlands, das sich ja ausdrücklich vom Einfluss „der Juden“ befreien wollte, wurde eine Ideologie zementiert, welche den Juden stets in der Opferrolle sieht und jeden Hinweis auf eine besondere Machtstellung der Juden ächtet“. Im 6. Band der Anastasia-Buchreihe von Megre, in „Das Buch der Ahnen“ werde das genauer erklärt, so erwache am Ende des 990.000 Jahre andauernden Zeitalters der Weden das Böse. Von „Dunkelmächten“ ist auch bei Krauß die Rede, von sechs Menschen, die beschließen „als Priester die Weltherrschaft“ zu erlangen. Krauß bezieht sich auf Megre, der zähle historische antisemitische Pogrome auf und komme zu der Erkenntnis: „Da das schon mehr als ein Jahrtausend geschieht, kann man den Schluss ziehen, dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat.“

Felix Krauß fordert in seiner Schrift dazu auf „mit Adolf Hitler Frieden“ zu finden. Der Mann mit der sanften Stimme und dem ewigen Lächeln im Gesicht bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator schließlich als „außergewöhnlichen Menschen an der Spitze“. Der deutsche Anastasia-Wegbereiter fordert: „Auch seine Dämonisierung muss aufhören und wir sollten uns lieber fragen, wieso Millionen Deutsche (..) ihn liebten, ihm glaubten und ihm folgten“.

Teil 2 der Serie zur Anastasia-Bewegung: Russische Einflussnahme

Teil 3 der Serie zur Anastasia-Bewegung: Kampf gegen Bildung

Teil 4 der Serie zur Anastasia-Bewegung: Zucht und Ordnung

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