„Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“

Am 1. Mai 2009 überfielen Neonazis in Dortmund eine Veranstaltung des DGB. Drei Jahre später wollen sie erneut am „Tag der Arbeit“ in der Ruhrgebietsmetropole auftreten: diesmal mit einer angemeldeten Demonstration.

Donnerstag, 08. Dezember 2011
Tomas Sager

Nach Informationen des „blick nach rechts“ hat eine Führungsfigur der „Autonomen Nationalisten“ aus dem Dortmunder Stadtteil Dorstfeld die Veranstaltung angemeldet. Dass eine solche Anmeldung unter dem Motto „1. Mai – Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ vorliegt, bestätigte die Polizei auf Anfrage. Demnach wollen sich die Neonazis vormittags vor dem Hauptbahnhof treffen, um dann von dort durch die nördliche Innenstadt zu ziehen. Dort soll, nach ihrer Planung, auch die Abschlusskundgebung stattfinden. Als Zeitrahmen wurde 10.00 bis 22.00 Uhr genannt. Ob die Neonazis tatsächlich auf der gewünschten Route durch die Stadt laufen dürfen, ist unklar. Die Polizei betonte, dass das zwingend vorgesehene Kooperationsgespräch mit dem Anmelder noch nicht stattgefunden habe.

Parallelität der Ereignisse: Just im kommenden Frühjahr, rund drei Jahre nach dem Überfall auf die 1. Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), soll vor dem örtlichen Schöffengericht endlich der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Rädelsführer der Aktion beginnen. Mit Dennis Giemsch und Alexander D. müssen sich zwei Führungskräfte der „Autonomen Nationalisten“ im östlichen Ruhrgebiet unter anderem wegen Landfriedensbruchs verantworten.

„So einen Hass noch nie erlebt“

Mehr als 300 Neonazis hatten sich am 1. Mai 2009 am Dortmunder Hauptbahnhof getroffen – angeblich, um zu einer angemeldeten Demonstration der Szene nach Siegen zu fahren. Tatsächlich aber stürmten die Neonazis plötzlich in Richtung Innenstadt. Dabei warfen sie mit Feuerwerkskörpern und Steinen auf Polizeibeamte und griffen unter anderem mit Holzstangen Teilnehmer der DGB-Veranstaltung zum „Tag der Arbeit“ an. Rund 300 Neonazis konnte die Polizei schließlich festnehmen, nachdem Verstärkung herbeigerufen worden war. Bei ihnen fanden die Beamten unter anderem Hieb- und Stichwaffen, Reizgas und Pfefferspraydosen, Quarzhandschuhe, Schießbecher für Signalmunition sowie selbst gebaute pyrotechnische Rauchkörper, wie die Polizei anschließend bilanzierte.

Es habe sich um eine „Spontandemonstration“ gehandelt, die sich „plötzlich“ entwickelt habe, behaupteten die Neonazis im Rückblick. Dieter Wehe, der Inspekteur der nordrhein-westfälischen Polizei, stellte freilich vor dem Innenausschuss des Landtages fest, dass die gewalttätigen Aktionen keineswegs spontanen Handlungen gewesen seien, sondern „eine – wenn auch nur kurzfristig – koordinierte und verabredete Tat“. Mehr als 400 Ermittlungsverfahren wurden gegen Neonazis wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und anderer Tatbestände eingeleitet. „Ich bin schon länger Polizist. So einen Hass, so eine Gewalt habe ich noch nie erlebt“, sagte einer der damals eingesetzten Polizeibeamten in einem der folgenden Gerichtsverfahren gegen Beteiligte des Überfalls.

Prozessverzögerung „ermutigt die Täter“

Dass sich der Prozessbeginn gegen die mutmaßlichen Drahtzieher immer weiter verzögerte – die Staatsanwaltschaft hatte im März 2010 Anklage erhoben – war in Dortmund massiv kritisiert worden. Ein Sprecher des örtlichen Amtsgerichts hatte den späten Termin mit den komplizierten Ermittlungen und der sehr sorgfältigen Vorbereitung der Verhandlung begründet. Außerdem müsse das Gericht akute Haftsachen vorrangig bearbeiten.

Dortmunds vormaliger DGB-Vorsitzender Eberhard Weber, der die Gewerkschaftsveranstaltung vor zweieinhalb Jahre organisiert hatte, beklagte sich freilich in diesem Sommer: Dass die mutmaßlichen Rädelsführer der Aktion immer noch nicht vor Gericht gestanden hätten, komme „einem Stillstand der Rechtspflege“ und „einer Ermutigung der Täter“ gleich.

Dennis Giemsch, der auch die alljährlichen Aufmärsche zum „Nationalen Antikriegstag“ mitverantwortet, hatte bereits 2007 zu den Organisatoren einer angemeldeten Demonstration zum 1. Mai in Dortmund gehört. Bis zu 1300 Neonazis waren seinerzeit in die Ruhrgebietsstadt gekommen. Bei der Veranstaltung unter dem Motto „Gemeinsam gegen Kapitalismus – Heraus zum 1. Mai“ war auch der damalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt als Redner aufgetreten.

 

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