„Morgensonne Versand“
Antisemitismus vom Büchertisch: Sanny Kujaths Flohmarkt-Geschäfte
Der rechte Szeneaktivist Sanny Kujath vertreibt antisemitische Schriften auf Flohmärkten und im Internet – vorgeblich „nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung“.

„Besuchen Sie jetzt unseren neuen, sich täglich erweiternden, Versand für antiquarische Bücher, Militaria, Fachliteratur und Tonträger aller Art“ - so bewarb der Versand „KL-Militaria“ Anfang Februar dieses Jahres den „Morgensonne Versand“, einen Shop, in dem Schriften unter Rubriken wie „Rassenkunde“, „NSDAP“ und „Antisemitismus“ angeboten werden. Im Angebot finden sich zum Beispiel ein Buch von Joseph Goebbels aus dem Zentralverlag der NSDAP und mehrere antisemitische Hetzschriften von Theodor Fritsch, den die Nazis als einen ihrer Wegbereiter würdigten.
Im Impressum beider Versandshops steht Sanny Kujath aus dem sächsischen Zwickau. Der heute 21-Jährige kann trotz seines jungen Alters auf eine langjährige Vergangenheit in der rechten Szene zurückblicken. Sein Weg führte ihn von der Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ über das von ihm gegründete extrem rechte Jugend-Vermittlungsprojekt „Junge Revolution“ und den Thüringer Rechtsrock-Organisator Tommy Frenck zum heutigen Handel mit antisemitischen und nationalsozialistischen Schriften.
Jakob Springfeld: „Auswahl seiner Produkte kein Zufall“
In einem Interview mit der „N.S. Heute“ im Jahr 2020 sagte Kujath von sich, er sei „Nationalist“ und im „Nationalen Widerstand“ aktiv. Daher wirkt es wie ein Widerspruch, dass in den Versandshop-AGB zu lesen ist, die Bücher würden „nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger und verfassungsfeindlicher Bestrebungen, der wissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung, der Aufklärung und Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens oder der militärhistorischen und uniformkundlichen Forschung geliefert werden“ und entsprächen damit geltendem Recht.
Die Distanzierung dürfte auch auf Paypal abzielen, das als Bezahlmethode angeboten wird, obwohl das Unternehmen laut Nutzungsrichtlinie seine Dienstleistung für Aktivitäten ausschließt, die Hass, Gewalt und Diskriminierung fördern. Ob die Distanzierung überhaupt haltbar ist, darf hinterfragt werden. „Für mich ist ausgeschlossen, dass Kujath mit seinem Handel zur 'staatsbürgerlichen Aufklärung' beitragen möchte“, sagt der Autor Jakob Springfeld, der in Zwickau aufgewachsen ist. Kujath sei schließlich nicht irgendwer: „Er arbeitet mit einschlägigen extrem rechten Akteur*innen zusammen – die Auswahl seiner Produkte ist kein Zufall.“
Ermittlungen bei ähnlichen Fällen
Auch ist die rechtliche Bewertung weniger eindeutig, als der Versandhändler suggeriert. Zwar ist der Handel mit Büchern aus dem Nationalsozialismus nicht grundsätzlich verboten. Staatsanwaltschaften wurden in der Vergangenheit aber wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aktiv, wenn beispielsweise ein Hakenkreuz auf dem Buchcover abgebildet war. In zwei Fällen der letzten Jahre ermittelte die sächsische Justiz gegen extrem rechte Versandshops, weil bei angebotenen Schriften ein Verdacht auf Volksverhetzung vorlag: 2019 wurden die Räume des „Adoria-Verlags“ in Leisnig durchsucht, 2021 und 2022 gab es Durchsuchungen gegen die Betreiber von „Der Schelm“. Ob im Fall des „Morgensonne Versand“ und „KL-Militaria“ Strafbarkeit vorliegt, kann letzten Endes nur ein Gericht entscheiden.
Bis dahin reist Sanny Kujath mit seinen Büchern auf Flohmärkte quer durch Sachsen. Auf Social Media postet er Fotos von Buchständen, zum Beispiel auf Märkten in Leipzig und Zwickau. Jakob Springfeld findet das brandgefährlich: „Er bietet das Gespräch an, gibt sich bürgerlich und steht mit seinen Waren auf Flohmärkten in Sachsen - unter anderem in meiner Heimatstadt Zwickau.“ Auch Flohmärkte können Nazi-Literatur aus ihrem Angebot verdrängen. Einige Märkte haben ein Verbot für Waren mit nationalsozialistischen Inhalten in ihre Marktordnung geschrieben. Bei vielen Märkten fehlt aber die Klausel oder wird nicht durchgesetzt, weshalb es immer wieder zu empörten Meldungen über Nazi-Abzeichen und rechtsextreme Bücher auf Flohmärkten kommt. Gerade in Städten wie Zwickau beobachtet Jakob Springfeld eine „Normalisierung von extrem rechtem Gedankengut“: „Denn soweit ich weiß, hat sich vor Ort noch niemand an seinem Stand gestört.“