Antisemitischer Verschwörungsideologe

Vor dem Landgericht Aachen hat am Freitag der Prozess gegen einen Mann begonnen, dem rund 25 Straftaten vorgeworfen werden: Volksverhetzung, Holocaust-Leugnung und Bedrohung von Politikern, Medien und Bundesregierung per Brief und Mail.

Montag, 27. April 2020
Redaktion

Der heute 40-jährige Marcel K. wurde in Mechernich geboren und beging einen Großteil der ihm vorgeworfenen Taten in Schleiden (beide Kreis Euskirchen). Dort betrieb er vor Jahren einen Reparaturdienst für Computer. Unterdessen lebt er in Ober-Olm in der Nähe von Mainz. Mutmaßlich begangen haben soll er das Gros der Taten in einem schuldunfähigen Zustand. Zuvor befand er sich schon wegen einer Psychose stationär in Behandlung. Für die Staatsanwaltschaft ist er unberechenbar und sollte wieder in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden.

Sechs funktionsfähige Molotowcocktails gefunden

Vorgeworfen wird dem Mann, zwischen Herbst 2018 und Mai 2019 überwiegend in Schleiden Volksverhetzung, Beleidigung, versuchte Nötigung, versuchte Erpressung und einen Verstoß gegen das Waffengesetz sowie Autokennzeichendiebstahl begangen zu haben. So soll er Auszüge aus dem indizierten Buch „Wahrheit sagen, Teufel jagen“ von Gerard Menuhin an die Fassade und dem Zaun seines damaligen Wohnhauses in Schleiden plakatiert haben. Es wurde der Holocaust geleugnet und gegen Israel und Juden gehetzt, die seiner Meinung nach getötet werden sollten da diese das „deutsche Volk vernichten“ wollten. Auch soll er Briefe mit obszönen, beleidigenden, bedrohenden, antisemitischen und den Holocaust leugnenden Inhalten verschickt haben.

Empfänger waren das Finanzamt, die Staatsanwaltschaft Aachen, eine Ärztin, eine von den Behörden bestimmte Betreuerin, eine Polizeiwache und das Jobcenter. E-Mails mit ähnlichen Inhalten wurden von ihm unter Klarnamen und voller Adressangaben an das örtliche Energieunternehmen, Bundes- und Landtagsabgeordnete, die Bundesregierung und das Bundesverfassungsgericht gesendet. Die Polizei fand später sechs funktionsfähige Molotowcocktails, die offenbar so im Haus platziert waren, dass sie bei einer Festnahme, einer Zwangsräumung oder Zwangsvollstreckung rasch greifbar gewesen wären. Finanzielle Probleme K.s hatten zu Ärger mit dem Energielieferanten, dem Jobcenter und dem Finanzamt geführt. Die Briefe und Mails strotzten vor obszöner Wortwahl, zuweilen kam es auch zu sexistischen Beleidigungen und Vergewaltigungsphantasien.

Medienhäuser als „Drecksjudenzentralen“ bezeichnet

Zugleich sah der Angeklagte sich selbst als Gottes Sohn respektive dessen Stellvertreter auf Erden an und meinte, Jesus sei ein Arier und „kein Jude“ gewesen. K. leugnete vielfältig in seinen Schreiben und Plakaten den Holocaust, den er als „Fälschung“ und „Projektion“ der USA oder der Juden selbst bezeichnete. Beamte und Ermittler beschimpfte er als „Juden“, die man „ausrotten“ müsse. Einerseits leugnete der Beschuldigte die Gaskammern in den KZs, andererseits drohte er Politikern – „Ihr [dreckigen] Juden [und] Verräter eures Volkes“ – und anderen Empfängern damit, sie zu vergasen. Medienhäuser schrieb er als „Drecksjudenzentralen“ an, den demokratischen Rechtsstaat nannte er „Judenstaat“.

In dem Sicherungsverfahren vor dem Landgericht Aachen geht es auch darum, ob der 40-Jährige wegen seiner früheren psychischen Auffälligkeiten in eine Fachklinik eingewiesen werden soll. Demgegenüber verbreitet K. nach bnr.de-Recherchen weiterhin über sein Facebook-Profil und einen YouTube-Kanal verschwörungsgläubige Inhalte, gleichwohl weniger extrem und strafrechtlich nicht relevant formuliert. In einem Video schildert er auch, dass er vor rund zehn Jahren erstmals auf Verschwörungstheorien im Internet gestoßen sei und Bücher von Jan van Helsing – Pseudonym von Jan Udo Holey – und Gerard Menuhin gelesen habe. Ihm sei klar geworden, sagt K. in dem Video, dass in dieser Welt und an der heutigen Geschichtsschreibung nichts stimme. Der Prozess soll nach sieben weiteren Verhandlungstagen Anfang Juni enden. (mik)

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