„Institut für Staatspolitik“

Antidemokratische Denker als politische Klassiker

Das „Institut für Staatspolitik“ startet eine neue Schriftenreihe „Studientexte zur Politik“. Die ersten beiden Bände stammen von politischen Denkern, die als Gegner des demokratischen und liberalen Rechtsstaates gelten können: Charles Maurras und Georges Sorel. Auch diese Editionsentscheidung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Neue Rechte und ihre politische Verortung.

Dienstag, 31. Januar 2023
Armin Pfahl-Traughber
Antidemokratische Denker: Das „Institut für Staatspolitik“ gibt eine neue Schriftenreihe „Studientexte zur Politik“ heraus, Foto: Screenshot
Antidemokratische Denker: Das „Institut für Staatspolitik“ gibt eine neue Schriftenreihe „Studientexte zur Politik“ heraus, Foto: Screenshot

Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS), das für die intellektuelle Neue Rechte als gegenwärtiges organisatorisches Zentrum gelten kann, startete 2022 eine neue Schriftenreihe „Studientexte zur Politik“. Dort sollen wohl Beiträge von politischen Klassikern, die sich als dezidierte Gegner des demokratischen und liberalen Rechtsstaats verstanden, für die gegenwärtige Wahrnehmung nachgedruckt werden. Dazu gehört erstens das Buch „Meine politischen Gedanken“ von Charles Maurras (1868-1952) mit 381 Seiten.

In Deutschland ist der französische Nationalist kaum bekannt, auch nicht im rechtsextremistischen Lager. Denn die Deutschfeindlichkeit war prägend für Maurras‘ Nationalismus. Darüber hinaus plädierte er für die erneute Etablierung einer Monarchie als Staatsordnung, was ebenfalls im deutschen Nachkriegsrechtsextremismus wenig Zustimmung finden konnte. Auch durchzogen antisemitische Einstellungen seine Publikationen. Mit der Edition des IfS soll Maurras offenbar zur breiteren Rezeption in ihrem politischen Umfeld bekannt gemacht werden.

Maurras: „Demokratie … das große Übel“

Der erwähnte Band versammelt dann Maurras‘ Reflexionen zu unterschiedlichen Themen. Darin verwarf er die Auffassungen von Demokratie, Freiheit und Gleichheit mit rigorosen Worten. „Es ist so, daß das große Übel nicht vom Kommunismus, nicht vom Sozialismus, nicht vom angeblich radikalen Staat, sondern von der Demokratie ausgeht“. Diese Auffassung leitete Maurras daraus ab, dass die genannten Auffassungen nicht der menschlichen Natur entsprechen würden.

Sein Gegenmodell war ein „integraler Nationalismus“, der aus den Elementen monarchistische Herrschaft, korporative Organisation und katholische Staatsreligion bestehen sollte. Es verwunderte insofern bei Maurras nicht, dass er zu den aktivsten „Anti-Dreyfusards“ zählte. Dabei störten ihn nicht die Betrügereien gegen den jüdischen Offizier, der als solcher ein „fremdes Element“ in der französischen Nation gewesen sei. Es ist schon bezeichnend, dass ein antisemitischer Anti-Demokrat mit einschlägigen Gewalt-Phantasien eine IfS-Schriftenreihe eröffnet.

Sorel: Lenin und Mussolini als Vorbilder

Der zweite Band in der Reihe „Studientexte zur Politik“ stammt von Georges Sorel (1847-1922), einem französischen Denker, der im Laufe seines Lebens unterschiedliche politische Positionen einnahm. Zunächst verstand er sich als monarchistischer Konservativer, danach als orthodoxer Marxist und revolutionärer Syndikalist und schließlich als integraler Nationalist. Gegen Ende seines Lebens galten sowohl Lenin als auch Mussolini als politische Vorbilder. Die in dieser Entwicklung bestehende Kontinuität lässt sich daran ausmachen, dass als eigentlicher Hauptfeind der politische Liberalismus ausgemacht wurde.

Passenderweise wurde der Ausgabe des IfS auch ein von Armin Mohler verfasstes Nachwort eingefügt, wobei es sich um einen früheren Buchtext von ihm handelt. Die Einleitung von Erik Lehnert, dem Geschäftsführer des IfS, ist demgegenüber nur sehr knapp gehalten. Er hebt darin für die Gegenwart seines politischen Lagers insbesondere hervor, dass die Alternativmodelle zum Liberalismus bei Sorel von kontinuierlicher Wichtigkeit seien.

Unpassende Texte zum eigentlichen Titel

Auffällig an dieser Edition ist, dass die ausgewählten Beiträge eigentlich gar nicht die ansonsten hervorgehobenen Kernpositionen von Sorel thematisieren. Insofern ist „Sozialer Mythos und Revolution“ für die Sammlung auch ein unzutreffender Titel. Es gibt nur Beiträge aus den Jahren 1898 bis 1908, was angesichts der erwähnten ideologischen Entwicklung von Sorel seinen politischen Vorstellungen nicht gerecht wird.

Enthalten sind zunächst vier Aufsätze aus den „Sozialistischen Monatsheften“, worin es um die Ethik und die Geschichtsauffassungen des Materialismus und Sozialismus geht. Dem folgt der Nachdruck einer ganzen Schrift: „Die Auflösung des Marxismus“, worin eben die Auseinandersetzung mit der genannten politischen Orientierung erfolgte. Die bedeutsamen Auffassungen von Sorel, etwa zum Mythos wie im Titel suggeriert, sind demgegenüber nur von geringer Wichtigkeit. Insofern ist der zweite Band im Gegensatz zu dem von Maurras dünner und zwar nicht nur bezogen auf die lediglich 240 Seiten des Umfangs.

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