Rezension

Antaios entdeckt „Verschwörungstheorien“ für sich

Der Verlag „Antaios“ entdeckt jetzt auch die „Verschwörungstheorien“ für sich. Indessen kommt das einschlägige Buch mit vielen Faktenfehlern von „Sezession“-Stammautorin Caroline Sommerfeld nicht über ein esoterisches Verständnis hinaus. Man müsse an Dämonen und Engel glauben, wie Götz Kubitschek im Vorwort meint.

Freitag, 20. September 2024
Armin Pfahl-Traughber
Der Verlag Antaios um den neurechten Publizisten Götz Kubitschek
Der Verlag Antaios um den neurechten Publizisten Götz Kubitschek

Eine besondere Anfälligkeit für Konspirationsvorstellungen hatte Armin Mohler bereits der politischen Rechten zugeschrieben. Er gilt bis in die Gegenwart hinein für die Neue Rechte als geistiger Vater. Deren Anhänger bekundeten indessen nur selten, dass sie Verschwörungsideologien offen vertreten würden. Denn damit ging eher eine plumpe Deutung gesellschaftlicher Entwicklungen und Umbrüche einher. Gleichwohl fand auch das „Große Austausch“-Narrativ über die Neue Rechte große Verbreitung in anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen.

Man selbst hielt sich als selbsternannte intellektuelle Avantgarde aber mit einschlägigen Phantastereien eher öffentlich zurück. Einen Änderungsprozess bezweckt wohl das Buch „Verschwörungstheorien“, das von Caroline Sommerfeld im „Verlag Antaios“ veröffentlicht wurde. Die studierte Philosophin und „Sezession“-Stammautorin fragt dort im Untertitel: „Was machen sie mit uns?“

„Dämonen“ und „Engel“ als Voraussetzung?

Zumindest bei der Autorin haben sie offenkundig Irritationen ausgelöst, was sich allein schon aus der formalen Anlage des Buchs mit verworrener Gedankenführung zeigt. Götz Kubitschek, der als Verleger dazu ein Vorwort beisteuerte, schreibt über die Monographie und ihre Verfasserin: „Ihr christlicher Glaube und ihre anthroposophische Sozialisation lassen sie in Geist-Dimensionen denken, die demjenigen fremd bleiben müssen, der nicht glaubt und ganz auf der Ebene der sogenannten fleischlichen Vernunft bleibt: Für ihn existieren Engel und Dämonen nicht …“.
 
Mit einer solchen Ankündigung kann man pauschal jede Kritik abwehren, aber nicht die Aufmerksamkeit für zahlreiche Faktenfehler in der Monographie. Aus einem linksliberalen Journalisten wird der „jüdische Revolutionär und Schriftsteller Maurice Joly“. Und der „Schweizer Jurist Ulrich Fleischhauer“ war tatsächlich der als solcher öffentlich bekannte Leiter des nationalsozialistischen „Welt-Dienst“, der indirekt dem nationalsozialistischem Propagandaministerium zuarbeitete.

Beispiele für Faktenfehler in Massen

Es handelt sich nur um zwei Beispiele für eine Fülle von absonderlichen Statements. Selbst die Auffassung, der CIA habe 1967 aus manipulativen Gründen den Terminus „Verschwörungstheorie“ erstmals präsentiert, wird von Sommerfeld vorgetragen. Dabei stammt der Begriff aus „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von Karl R. Popper von 1945. Die Autorin nimmt es auch ansonsten mit der Fachliteratur nicht so genau, werden doch nur wenige einschlägige Aufsätze und Bücher von ihr erwähnt.

Dafür gibt es immer wieder Auszüge aus konspirationsideologischen „Klassikern“, ohne hinsichtlich der dortigen Inhalte eine klare Positionierung vorzunehmen. Bekanntlich ist die Autorin anthroposophisch nicht nur in den Fußnoten orientiert, was mit ihre esoterisch wirkende Schreibe mit Rudolf Steiner-Zitaten erklärt. Es wird auch weniger argumentiert und mehr geraunt: „Fühlen“ oder „Hintergrundmächte“, „Manipulation“ oder „Die verborgene Steuerung“ lauten die Stichworte. „Der Kampf gegen das Böse“ ist das letzte Kapitel überschrieben.

„Der Kampf gegen das Böse“ soll geführt werden

Doch wer genaue Ausführungen darüber erwartet, was bzw. wer denn genau die Verschwörer sein sollen, der wird mit Unverständnis all dies wahrnehmen. Derartige Anmerkungen leugnen gar nicht, dass es reale Konspirationen gibt. Nur muss man deren Existenz mit Fakten belegen können, was auf fast 200 Seiten Sommerfeld eben nicht gelingt. Sie dürfte mit diesen Ausführungen auch nicht bei anderen Neuen Rechten reüssieren, obwohl manche von deren „Klassikern“ auch zu Konspirationsvorstellungen neigten, z.B. Arthur Moeller van den Bruck oder Ernst Niekisch.

In Kombination mit der Rezeption von Steiner wird all dies wohl weniger Zustimmung finden. Umso erstaunlicher ist daher die Buchpublikation beim „Verlag Antaios“, vielleicht geht sie auch nur auf einen persönlichen Gefallen von Kubitschek zurück. Über das Internet kursierten in den letzten Jahren viele Verschwörungsideologien. Von der „Macht hinter der Macht“ wird auch in der Neuen Rechten geraunt. Ob man sich aber angesichts der entfalteten Esoterik als „Metapolitik“ auf ein solches Niveau begeben will?

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