Gedenkstätte Buchenwald

Anschläge auf Erinnerungsbäume - "eine Verhöhnung der Opfer der Schoa"

Die jüngsten Anschläge auf Erinnerungsbäume im Umfeld der KZ-Gedenkstätte Buchenwald sorgen bundesweit für Entsetzen. RIAS Thüringen sieht in den Zerstörungen Ausdruck eines Post-Shoah-Antisemitismus. Die Thüringer AfD hält sich bedeckt.

Dienstag, 26. Juli 2022
Florian Schäfer
Einer der abgesägten Gedenkbäume (Quelle: Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora)
Einer der abgesägten Gedenkbäume (Quelle: Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora)

Wenige Tage nachdem vergangenen Mittwoch, dem Jahrestag des Hitlerattentats 1944, bekannt wurde, dass Unbekannte sieben Erinnerungsbäume nahe der KZ-Gedenkstätte Buchenwald abgesägt hatten, musste am Samstag die Schändung weiterer Bäume bei Weimar-Schöndorf festgestellt werden: Zwei Kastanien wurden abgesägt, bei drei weiteren die Baumrinde beschädigt. Alle Gedenkbäume sind Teil eines 1999 durch die Lebenshilfe Weimar/Apolda ins Leben gerufenen Projekts zur Erinnerung an die Todesmärsche aus Buchenwald sowie an die Opfer des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms.

Durch das Projekt soll entlang der ehemaligen Marschroute der Häftlinge „Stück für Stück ein lebendiger Erinnerungsweg“ entstehen, wobei bis jetzt in 72 Aktionen bereits 168 Bäume gepflanzt wurden. So waren die sieben am Mittwoch entdeckten, geschändeten Erinnerungsbäume ehemaligen Häftlingen sowie den in Buchenwald getöteten Kindern gewidmet. Bei der feierlichen Pflanzung 2015 waren nach Angaben der Gedenkstätten auch Angehörige der KZ-Opfer beteiligt. Während die Bäume schon 2019 und 2020 Ziel von Anschlägen waren, was Nachpflanzungen erforderlich machte, wurde parallel zu den Angriffen der letzten Woche auch ein Wegweiser, der auf die Aschegräber von in Buchenwald ermordeten Häftlinge verweist, zerkratzt.

LKA: Ermittlungen wegen politisch motivierter Sachbeschädigung

Nach Entdeckung der mutwilligen Zerstörungen wurde von Seiten der Gedenkstätte Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Laut Polizei habe das Landeskriminalamt die Ermittlungen wegen politisch motivierter Sachbeschädigung aufgenommen, auch der Staatsschutz sei mit eingebunden. Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen bestätigte gegenüber dem MDR Thüringen, dass auch ein Ermittlungsverfahren wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung eingeleitet wurde. Schließlich hatten die Gedenkbäume den Status öffentlicher Denkmäler - was eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen kann. Zuvor hatte die Stadt Weimar bereits eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro für Hinweise über die Täter ausgesetzt.

 

Ministerpräsident Bodo Ramelow verurteilte die Schändung der Bäume scharf. „Wer solche feigen Taten begeht, ist geistig genauso unterwegs wie die Mörder in allen Konzentrationslagern“, sagte er am Sonntag gegenüber der "taz". Er werde seinen Urlaub unterbrechen und am 31. Juli an einem Gedenkgang für deportierte jüdische Jugendliche in Weimar teilnehmen. Auch möchte sich Ramelow an der Neupflanzung der Gedenkbäume beteiligen. Das Lebenshilfe-Werk gibt derweil an, für jeden beschädigten Baum vier neue Bäume nachzupflanzen.

Das Schweigen der AfD

Jens-Christian Wagner, Direktor des Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, zeigte sich am Samstag auf Twitter ebenfalls entsetzt: „Es ist unfassbar. Wie kann man so hasserfüllt sein, Bäume zu zerstören, die an KZ-Opfer erinnern?“ Nach den Angriffen „müsse Politik und Gesellschaft in Weimar und Thüringen noch deutlicher gegen Rechtsextremismus vorgehen.“ Dabei macht Wagner auch auf das in seinen Augen bezeichnende Schweigen der AfD in Weimar und Thüringen aufmerksam. Mehr noch: Er weist der AfD sogar eine gewisse Verantwortung für die jüngsten Vorkommnisse zu. Menschen, die eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern – eine Anspielung auf den thüringischen Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke – seien mit den jetzigen Tätern im Geiste verbrüdert.

Nicht ohne Grund erteilte der damalige Stiftungsdirektor, Volkhard Knigge, bereits 2017 führenden Repräsentanten der AfD bei Gedenkveranstaltungen Hausverbot. Auch 2019 wurde Vertretern der Thüringer AfD, welche heute vom dortigen Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft wurde, die Teilnahme an einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Buchenwald verwehrt. Begründet wurde dies mit einer mangelnden Distanzierung zu Höckes Haltung zur Erinnerungskultur – so diffamierte dieser 2017 die Aufarbeitung des Nationalsozialismus als „dämliche Bewältigungspolitik“. Aber auch an anderen Stellen fielen Mitglieder der Thüringer AfD unangenehm auf. So soll der Landtagsabgeordnete Torsten Czuppon 2017 bei einer Veranstaltung in Buchenwald mit einem T-Shirt der unter Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar erschienen sein. 2021 hängte die AfD auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte sogar ein Wahlplakat mit dem suggestiven Wahlspruch „Mut zur Wahrheit“ auf.

RIAS Thüringen: Angriffe als Formen eines Post-Shoah-Antisemitismus

Eine wissenschaftliche Einordnung der Geschehnisse hingegen leistet Susanne Zielinski, Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Thüringen. In einer Stellungnahme gegenüber Endstation Rechts sieht sie in den Schändungen der Gedenkbäume „eine Verhöhnung der Opfer der Schoa“. Die nicht nur in Buchenwald immer wieder auftretenden Angriffe auf die Erinnerungskultur und Gedenkorte werden hier als Formen eines Post-Schoa-Antisemitismus verstanden, welcher „leider gerade in Thüringen in den letzten Jahren […] an Häufigkeit und Schwere zugenommen“ habe. So seien 75 Prozent der von RIAS Thüringen dokumentierten Vorfälle, dieser Spielart des Antisemitismus zuzuordnen. Weiterhin würden sich die jüngsten Angriffe laut Zielinski „in einen traurigen alltäglichen Antisemitismus“ einreihen. Somit mache der aktuelle Vorfall „einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, Antisemitismus in all seinen Spielarten zu bekämpfen“.

 

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