Neonazi-Block bei Demo

Ansbach: Vergleichsweise harmloser „Spaziergang“ einer radikalen Gruppe

Auch am Samstag gingen in Bayern wieder Pandemieleugner und Impfgegner auf die Straße. Eine der größten Demonstrationen fand im mittelfränkischen Ansbach mit in der Spitze 2.500 Teilnehmenden statt. Die NPD konnte wieder mit drei Bannern mitmarschieren. Radikal geht es auch in dem zugehörigen Telegram-Kanal zu. Unterstützer der Ansbacher Erklärung trafen sich zu einer Menschenkette.

Sonntag, 23. Januar 2022
Thomas Witzgall
Demonstration in Ansbach: Polemisieren gegen Maske, und Impfung, wollen aber dennoch keine Pandemieleugner sein. Maskenverweigerer in vorderster Reihe
Demonstration in Ansbach: Polemisieren gegen Maske, und Impfung, wollen aber dennoch keine Pandemieleugner sein. Maskenverweigerer in vorderster Reihe

Dass die Demo am Samstag wieder eine vierstellige Beteiligung hatte, war keine Überraschung. Auch bei früheren Versammlungen kam eine ähnliche Zahl schon zusammen. Ansbach profitiert hier vom nahen Nürnberg, einem Schwerpunkt der „Corona-Proteste“ in Bayern. Wie bei vielen anderen „Spaziergängen“ auch, gab es keine Bühne und keine inhaltlichen Reden. Die Teilnehmenden kommunizieren über Schilder, Banner und gelegentliche Sprechchöre.

Hier kommt es nach Beobachtungen von ENDSTATION RECHTS.Bayern zu einer Art Doppelstrategie. Während die Versammlungen oft still sind und somit auch wenig Diskussionsfläche bieten, geht es online umso rabiater zu. Die „Spaziergänge“, dort, wo sie nicht wie in Schweinfurt oder München in Gewalt oder Auseinandersetzungen mit der Polizei umschlagen, bieten somit eine ideale „Einstiegsdroge“. Freunde, Familie, Bekannte und Zweifler können so von Anhängern der Szene mitgenommen werden. Kinder, Kerzen und manch skurriler Esoteriker verharmlosen das Bild nach außen. Grenzüberschreitungen können als Verfehlungen Einzelner abgetan werden. Die an die Proteste herangetragene Kritik wird vor Ort so als unberechtigt erlebt. Das Gesamtbild ist allerdings ein anderes.

Schild mit kruder verschwörungsideologischer Botschaft
Schild mit kruder verschwörungsideologischer Botschaft

Nichtsdestotrotz gab es auch in Ansbach einige problematische Schilder. Ein Teilnehmer fordert „Stoppt den Völkermord!“. Die Botschaft bezog sich wohl die in der Szene kursierende Verschwörungserzählung, die Hersteller und Finanziers der Impfstoffe wollten damit die Bevölkerung drastisch reduzieren. Ähnlich sah es wohl ein anderer Teilnehmer, für den „3G“ für „Gelogen – Gespritzt – Gemordet #Mörder“ stand. Die zugelassenen Impfstoffe wurde wahlweise aus „Plörre“ oder „Gift“ bezeichnet. Wahrheitswidrig wird von einen „Impfzwang“ gesprochen, weil höchstens ein Bußgeld für Ungeimpfte im Raum steht. Auch mindestens ein NS-verharmlosender Bezug auf den „Nürnberger Kodex“ wurde gezeigt und eine Anspielung auf die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Zwei Teilnehmer würden gerne mit Lauterbach und Drosten vor Gericht abrechnen, zudem sei das RKI „rassistisch“.

Neonazi-Block mit drei Bannern

Dazu passend konnten auch in Ansbach wieder Anhänger der NPD mit drei Bannern mitmarschieren. Lediglich der Verweis auf die Produktion über die „Deutsche Stimme“, dem Presseorgan der NPD, war abgeklebt. In der Ansbacher Telegram-Gruppe trat Alexander Neidlein, Generalsekretär der NPD, als Ansprechpartner für Bestellungen auf. Als die Demonstration am Vorplatz des Brückencenters auf eine kleine Gegenkundgebung mit dem Slogan „Maske auf – Nazis raus“ traf, wurden die meist jungen Aktivisten aus der Demo heraus als „Nazis“ verunglimpft, auch durch Personen im direkten Umfeld der Banner der rechtsextremen – mittlerweile - Kleinstpartei. Vom Versammlungsleiter kam auch in der Gruppe mittlerweile die (nochmalige) eindeutige Positionierung, er werde keine NPDler ausschließen.

Der Neonazi-Block: alle drei Bannermotive sind der NPD zurechenbar. Zwecks Anschlussfähigkeit wurden Logos weggelassen oder überklebt
Der Neonazi-Block: alle drei Bannermotive sind der NPD zurechenbar. Zwecks Anschlussfähigkeit wurden Logos weggelassen oder überklebt

Auch wenn sich die Szene immer wieder gegen Bezeichnungen wie „Corona- / Pandemieleugner“ und „Impfgegner“ wehrt, präsentierten sich die Teilnehmer insgesamt als solche. Auf dem Fronttransparent wurde sich gegen das Tragen von Masken ausgesprochen. Auch direkte Leugnung wurde auf Schildern propagiert und Wissenschaftler und Faktenchecker als „gekauft“ diffamiert. Ein weiteres Banner mit direktem Bezug zu den Organisatoren spielte mit dem Verschwörungsnarrativ einer angeblich drohenden Diktatur. Impfgegner verharmlosten die Pandemie in der Überbetonung der „individuellen Entscheidung“ angesichts der hochansteckenden Krankheit.

Telegram-Kanal: Tummelplatz für extreme Rechte, Sperre für „rot-grüne Hetze“

Die offline-Beobachtungen finden sich auch online wider, nur in wesentlich radikalerem Ausmaß. In „Ansbach steht auf“, einem Kanal mit rund 1.300 Abonnenten, finden sich Postings und Weiterleitungen von Verschwörungsideologen, Reichsbürgern und Rechtsextremen, etwa vom Kopf der Identitären Bewegung Martin Sellner, den rechtsextremen Freien Sachsen, dem Verschwörungsideologen Oliver Janich, der schon häufiger zur Hinrichtung der Polizisten, Bundesregierung und Bundestagsabgeordneten aufgerufen hat. Der jugendliche Organisator hinter der „Mega-Demo in Nürnberg“ bewirbt auch die in Ansbach mit einer Videobotschaft eines Schweizer Rechtsextremisten. Deutschland in den Grenzen von 1937 kann dort ebenso propagiert werden wie die Reichsbürger-These, dass die BRD nur eine GmbH sei. Auch ein Anhänger der Flache-Erde-Erzählung konnte dort ein Video teilen.

Kleine Gruppe an Gegendemonstranten weißt auf die problematische Ausrichtung der Pandemieleugner-Szene hin, die auch in der Ansbacher Gruppe zu beobachten ist,
Kleine Gruppe an Gegendemonstranten weißt auf die problematische Ausrichtung der Pandemieleugner-Szene hin, die auch in der Ansbacher Gruppe zu beobachten ist,

Besonders auffällig sind aber die Anhänger des in Teilen antisemitischen QAnon-Kultes und Trump-Fans. Allein über 30 Postings mit „Q“ und „WWG1“-Verweisen ließen sich von Donnerstag bis Samstag in der Gruppe finden. Beliebt sind auch Beiträge des Medienprojekts „AUF1“ des Rechtsextremisten Stefan Magnet. Beim in die Türkei geflohenen Attila Hildmann wird dagegen schon mal diskutiert, ob er nicht selbst „deep state“ sein könnte.
Im Nachgang der Demonstration postete ein Teilnehmer einen Beitrag mit NS-Verharmlosung und möglicherweise antisemitischen Chiffren. Er schrieb davon, die Verantwortung für die Vernichtungslager läge nicht bei „uns“ [wohl den Deutschen], sondern bei einer „kleine[n] Minderheit mit ihren geldgierigen Handlanger[n]“. Die würden Kriege anzetteln und Wohltätigkeit nur vorgaukeln. Jetzt drohe ein weltweites KZ, dass nicht nur die Juden sondern „alle Menschen“ treffen soll. In den Reaktionen wird dem Autor lediglich geraten, seinen Beitrag lesbarer zu formatieren und erneut zu posten, wenn mehr Chatteilnehmer wach wären.

Diese Ansammlung an Inhalten demokratiefeindlicher Kreise liegt nicht etwa daran, dass der Kanal nicht moderiert würde. Im Vorfeld der Demonstration wurde etwa eine Person wegen „rot-grüner Hetze“ gesperrt. Dabei handelte es sich um eine Ansbacher Lokalpolitikerin, die versehentlich beigetreten war. Gepostet hat sie vor ihrer Sperre laut eigener Auskunft nichts.

Solidarische Stadtgesellschaft mit Menschenkette

Auch in Ansbach gibt es eine Gegenbewegung zu den „Corona“-Protesten. Die zughörige Ansbacher Erklärung, die etwa dazu aufruft, sich in der Krise solidarisch zu zeigen und den Demonstrationen fernzubleiben, weil dort Falschinformationen verbreitet werden und die Demokratie auszuhölen und zu destabilisieren, wurde über 5.500 Mal unterschrieben. Die Erklärung wurde auch bei einer Mahnwache der Stadtgesellschaft verlesen und anschließend eine Menschenkette am Martin-Luther-Platz gebildet. Die Polizei zählte hier 150 Teilnehmende. Die Kette wurde pandemiekonform mit Bändern und Schals zwischen den Personen geschlossen. Organisiert wurde die Veranstaltung diese Mal von der lokalen CSU.

Menschenkette am Martin-Luther-Platz
Menschenkette am Martin-Luther-Platz

Die Befolgung der Hygiene-Auflagen bei den Pandemieleugnern wurde von der Polizei mit „überwiegend eingehalten“ beschrieben. Sie war nach Beobachtungen von ENDSTATION RECHTS. Bayern besser als bei etlichen anderen Protesten der Szene. Es ergab sich das übliche Bild: Vorne und nach Beginn der Versammlungen, wenn darauf geachtet wird, werden etwa Masken durchweg getragen. Zum örtlichen und zeitlichen Ende der Demo hin, fällt das sehr schnell stark ab. Selbst Ordner, die eigentlich zur Einhaltung der Auflagen abgestellt sind, waren ohne Maske unterwegs. Die Abstände waren weitestgehend selbst gewählt. Problematisch bleibt allerdings, dass die Auflagen erst ab formalem Beginn der Versammlung gelten und nicht etwa ab Betreten des Platzes. Es bildeten sich enge Knäuel, etwa als die Organisatoren Trifferpfeifen ausgaben. Am Ende bat der Versammlungsleiter noch um Spenden, wegen zahlreicher Verfahren, die wohl momentan geführt werden. Zudem wurde zur Demo Ende Januar in Nürnberg mobilisiert.

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