Anklage nach Auto-Attacke bei AfD-Treffen
Geht es nach der Staatsanwaltschaft Kiel, muss sich ein junger Mann wegen einer Auto-Attacke gegen Teilnehmende an Protesten gegen eine AfD-Veranstaltung wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Kiel verantworten.
Der reichlich Empörung ausgelöste Vorfall ereignete sich am 17. Oktober des vergangenen Jahres vor dem Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg), in dem der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen auf einer Zusammenkunft seiner Partei vor 60 Anhängern einen wirtschaftspolitischen Vortrag hielt. Es war wohl ausgesprochenes Glück, dass es lediglich bei drei Leichtverletzten, darunter eine People of Colour, blieb, als ein Pick Up in Richtung Demonstrierende auf dem Bürgersteig gelenkt wurde. Im Zuge des dann erfolgten Polizeieinsatzes hat ein beteiligter Beamter sogar einen Warnschuss abgegeben.
Anklagebehörde: Tod billigend in Kauf genommen
Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage vor der Jugendkammer des Landgerichts Kiel gegen den zum Tatzeitpunkt 19-jährigen Melvin S. erhoben und wirft dem jungen Mann vor, mit der gefährlichen Körperverletzung im Rahmen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auch den Tod der AfD-Gegner*innen billigend in Kauf genommen zu haben. Die Anklagebehörde stützt sich auf verschiedene Zeugenaussagen und die Erkenntnisse eines Unfallsachverständigen.
Die AfD beeilte sich direkt nach ihrem Treffen mit der Klarstellung, dass es sich bei dem Fahrer und seinen Begleitern um keine Veranstaltungsteilnehmer gehandelt habe. Zudem kritisierte man die Polizei, dass diese den rund 250-köpfigen Gegenprotest so nahe ans Bürgerhaus herangelassen habe. Nach übereinstimmenden Berichten soll der spätere Pick Up-Fahrer zuvor während der Protestdemonstration mit Mitstreitern Sticker der rechten Organisation „Ein Prozent für unser Land“ verklebt haben. Dafür wurde er vor Ort zur Rede gestellt und begab sich daraufhin zu dem Truck. Nach dem forschen Anfahren touchierte er drei Personen, ehe er das Fahrzeug nach rund 80 Metern wieder zum Stillstand brachte.
Ähnliches Szenario bei AfD-Parteitag in Hamburg
Eine ähnliche Szene hatte sich knapp einen Monat später beim AfD-Nominierungsparteitag für die Bundestagswahl in Hamburg wiederholt. Auch dort fuhr ein Pkw vom AfD-Tagungsgelände anscheinend rücksichtslos auf eine Protestgruppe zu. Dabei hat sich mindestens eine Person verletzt. Auch weitere „Auto-Angriffe“ finden sich in der Vergangenheit. Antifaschistische Kreise erinnern sich an den Oktober 2019, als bei einer Demonstration gegen die AfD in Mühlheim/Ruhr ein Sympathisant der Partei seinen SUV in eine Menschengruppe lenkte.
So raste zum Beispiel der Neonazi Florian S. am 1. Oktober 2011 mit seinem Fahrzeug bei der Gemeinde Riegel auf Antifa-Aktivist*innen zu und wurde 2014 vor dem Landgericht Freiburg vom Tatvorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen, weil ihm vielmehr Notwehr attestiert wurde.
Eine Attacke mit weltweiter Nachrichtenrelevanz war am 12. August 2017 das Steuern seines Autos in eine Demonstrierendengruppe in Charlottesville/Virginia. Der 20-jährige Rassist James Alex Fields tötete dabei Heather Heyer und verletzte 35 weitere Personen.
Das Kieler Landgericht muss der Anklage gegen Melvin S. noch zustimmen, ehe dann ein Prozesstermin festgelegt wird.