Angestiftete Eskalation?

Gewaltbereite Hooligans, Neonazis und „Wutbürger“ reagieren mit einer Spontan-Demo und Randale auf den Tod eines 35-Jährigen in Chemnitz. Für Montagabend sind weitere Aufmärsche geplant.

Montag, 27. August 2018
Andrea Röpke

Daniel H. hatte keinen „Bock auf Nazis“, likte Bela B. und Die Linke Chemnitz. Wer den Facebook-Account des beim Stadtfest am Samstagabend getöteten 35-Jährigen anschaut, wundert sich, dass ausgerechnet extrem rechte Hooligan-Gruppen und so genannte „Wutbürger“ seinen Tod zum Anlass nehmen, um direkt am Sonntag in Chemnitz zu demonstrieren und anschließend zu randalieren. Die Verantwortlichen hatten den Spontan-Aufmarsch gewaltbereiter Hooligans anscheinend erneut unterschätzt. Fachjournalisten, die vor Ort in Chemnitz waren, erkannten unter den Anstiftern der Eskalation am Sonntag Vertreter der neonazistischen Gang „NS-Boys“ sowie „Kaotic Chemnitz“. Dort hieß es: „Wir fordern alle Chemnitz Fans und Sympathisanten auf sich mit uns … zu treffen.“ „Lasst uns zusammen zeigen wer in der Stadt das sagen hat!“ Gesehen wurden auch Anhänger der „Nationalen Sozialisten Chemnitz“, einer 2014 verbotenen Neonazi-Kameradschaft, der eine Nähe zur Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ nachgewiesen werden konnte. 

Mahnwachen an verschiedenen Orten

Ganz vorne an der Spitze des Aufzuges mischte am Sonntag in Chemnitz ein NPD-Stadtrat aus der Region mit, berichtet ein Fachjournalist. Über die sozialen Netzwerke schaukelt sich nun die Stimmung vor allem gegen die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig hoch, sie wurde bei Facebook unter anderem als „Volksverräterin“ beschimpft und es wurde „ab in den Steinbruch“ gefordert, weil sie sich in den Medien kritisch zu der rechten Demonstration geäußert hatte. Die „Alternative für Deutschland“ macht sich die erneut massiv aufkeimende aggressive Stimmung in Sachsen zu eigen, so fordert der Greifswalder AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber: „Um künftigen gewaltsamen Auseinandersetzungen vorzubeugen, muss Deutschland nun erwachen!“ Sein Landesverband Mecklenburg-Vorpommern mobilisiert für heute Abend zu Mahnwachen an verschiedenen Orten. Der schwäbische AfD-Rechtsaußen Dubravko Mandic, der früher bereits Akzeptanz für rechte Hooligans einforderte, ruft zur Teilnahme für die Demonstration in Chemnitz auf. „Jagt sie bitte nicht. wenn die Polizei in der Nähe ist. Das wäre nur dumm“, fordert einer seiner Facebook-Mitstreiter. Ein anderer Follower ruft zur „Revolution“ auf.

„Pro Chemnitz“ veranstaltet „Trauer-Demo“

Die tödliche Auseinandersetzung vom Samstagabend wird vor allem in Chemnitz benutzt, um am heutigen Abend mit zwei weiteren Aufmärschen Stimmung gegen die mutmaßlichen  Täter zu machen. Immer wieder ist von einem zweiten Opfer die Rede, welches inzwischen verstorben sein soll. Die Polizei dementiert diese Gerüchte. Ein mutmaßlicher Bekannter des getöteten Daniel H.,  der sich „Mi Ke“ nennt,  mobilisiert per Facebook zur „Trauer-Demo – Zivilcourage – Wir zeigen Gesicht“ am Karl-Marx-Monument. Er weist darauf hin, dass diese Veranstaltung „sich ausdrücklich von jeglicher rechter Hetze distanziert und somit als so genannte ‚Nazi-Demo‘ benutzt bzw. missbraucht wird!!“

„Mi Ke“ vergisst aber zu erwähnen, dass die rechte Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ als alleinige Veranstalterin dieser „Trauer-Demo“ auftritt. Alle anderen Gruppen und Parteien seien aber „selbstverständlich zur Teilnahme eingeladen“, heißt es bei „Pro Chemnitz“. Die Bandbreite der Teilnehmer dürfte groß sein, so wollen unter anderem die NPD-Politiker Sebastian Schmidtke und Patrick Wieschke teilnehmen, aber auch „Identitäre“, Neonazis von „Der III. Weg“ sowie extrem rechte Hooligans. NPD-Mitglieder möchten Chemnitz mit einer mit „Schutzzone“ betitelten Kampagne zurück erkämpfen.

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