„Weda Elysia“
„Anastasia“-Volksfest im Harz
Rund um „Weda Elysia“ in Wienrode im Nordharz formiert sich eine heterogene rechtsextreme Widerstandskultur. Nicht nur Akteure von „Harzrevolte“ und Die Rechte sind dabei – auch ein AfD-Politiker ist zugegen.

„Weda Elysia“, eine selbsternannte „Kleinsiedlung für Stammeslandsitze“ aus Wienrode, versinkt immer tiefer in den braunen Sumpf des Harzes. Am letzten Samstag riefen die Fans des russischen „Anastasia“-Kultes ein „Volksfest“ auf dem Gelände ihres „Haus Lindenquell“ aus, an dem von der AfD, über Die Rechte bis zur ehemaligen „Harzrevolte“ Anhänger*innen teilnahmen. Das 2009 gegründete Siedlungsprojekt von Aruna und Maik Schulz sowie weiteren Vereinsmitstreiter*innen wird inzwischen vom Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Dennoch solidarisieren sich im kleinen Wienrode, einem Ortsteil von Blankenburg, immer mehr Bewohner*innen mit den völkisch-gesinnten Brauchtumsliebhabern. Vormals Engagierte trauen sich inzwischen kaum noch etwas zu unternehmen, zu stark scheinen die Einschüchterungen vor Ort zu sein.
Die amtierende ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin hatte kürzlich ihr Amt „aus persönlichen Gründen“ niedergelegt, wie „Die Volksstimme“ berichtet. Maik Schulz von „Weda Elysia“ könnte sich als Kandidat aufstellen lassen.
Über 100 Besucher
Als für den 12. August erstmalig eine Demonstration unter dem Motto „Völkische Siedler*innen sind keine netten Nachbarn“ angemeldet wurde, reagierte das Ehepaar Schulz mit der Anmeldung eines „Volksfestes“. Laut Versammlungsbehörde beteiligten sich rund 120 Personen auch mit Kindern an dem rechten Aufruf. Obgleich Ruth Fiedler, Stadträtin von Die Linke in Wernigerode, sich seit Jahren um Aufklärung und Aufmerksamkeit für die rechte Landnahme bemüht, war sie nicht in die antifaschistische Initiative involviert, jedoch vor Ort, um sich ein Bild von dem Geschehen zu machen. „Weda Elysia“ hat die engagierte Lokalpolitikerin längst als Hauptfeindin ausgemacht. So heißt es in einem Aushang im Ort: Das „Volksfest“ finde statt, weil die „ortsfremde“ Stadträtin aus Wernigerode ihnen eine „Lektion in Demokratie“ erteilen und vorschreiben wolle, „wie wir hier zu denken und wie wir zu leben haben“. Gezielt wird eine Bedrohungssituation heraufbeschwört. Fiedler wird unterstellt, sie wolle bestimmen, „wer in unserem Dorf geduldet werden soll und wer vertrieben gehört“.
Tatsächlich ist der „Anastasia“-Kult um die zehnbändige Buchreihe von Wladmir Megre bereits als pro-russische Arier- und Ahnenbewegung enttarnt worden, die sich um den Aufbau wehrhafter, homogener Kleinst-Kommunen bemüht. Mitglieder des Vereines „Weda Elysia“ besuchten mehrfach Treffen der rassistischen und neonazistischen „Artgemeinschaft – germanische Glaubensgemeinschaft“ im Hufhaus im Südharz. Gemeinsam unterstützen sie einen weiteren „Anastasia“-Stützpunkt in der sächsischen Lausitz im Schloß Ober-Neundorf.
Rechte Akzeptanzgewinnung in der Harzregion
Gleich den früheren NPD-Taktiken von „nationaler Graswurzel-Arbeit“ und der „Strategie der Akzeptanz-Gewinnung“ versucht „Weda Elysia“, sich in Wienrode im Ortsmilieu, im Schrebengartenwesen oder im ökologischen Spektrum zu verankern. Umweltschutz ist für die Akteure vor allem Volksschutz. Sie unterstützten den Verein „Schöne Harzer Heimat“ im Juli gegen den Bau von Windkrafträdern. 2018 erwarb die „Weda Elysia“-„Heimatland-Stiftung“ die marode „Dorfschänke“ mitten im Ort. Seit diesem Sommer wird dort ein öffentliches Café betrieben. Weitere Häuser und Grundstücke liegen etwas entfernt vom Ortskern. Seit der öffentlichen Aufmerksamkeit stilisieren sich die Völkischen als politisch Verfolgte, die angeblich nur eines wollen: in Frieden und Freiheit zu leben.
Tatsächlich aber zentrieren sich die Gemäuer von „Weda Elysia“ immer offensiver zum schwergewichtigen Treffpunkt für Rechtsextreme aller Couleur im Ostharz. Es gab am Samstag ein skurriles Bild ab, als sich die Anhängerschaft an der Straße aufbaute, um mit Jodelei und heimatlichen Gesängen der Antifa-Demonstration entgegenzuwirken.
Aruna Schulz verteilte die Liedtexte auch an diejenigen, die Neonazi-Klamottenmarken zur Schau trugen. Ein muskelstrotzender Kampfsportler stand neben Dirndl-Fans, barfüßige Männer mit langen Haaren liefen über das Pflaster, wenige Reihen weiter eine Frau im Ethno-Style.
Von der AfD, über Die Rechte bis zur „Harzrevolte“
Auf der Treppe des „Hauses Lindenquell“ poste der AfD-Politiker Merten Wittig-Brandt aus Stapelburg, Mitglied des Kreistags Harz. Wittig-Brandt war im März Anmelder einer rechtsextremen Demonstration gegen Geflüchtete in Wernigerode. Im weißen Yakuza-Shirt dabei: Rene Herisch, der als Redner bei einem rechten Aufmarsch lautstark gerufen hatte: „Wehrt Euch endlich!“ und vor einer Reichsfahne einen „souveränen deutschen Staat“ forderte.
Der Ilsenburger Silvio L. spielte sich in Wienrode als eine Art Wachmann auf, er unterstützt die AfD um Wittig-Brandt. L. ist seit Jahren omnipräsent nicht nur in der Neonazi- und AfD-Szene der Harz-Region. Glatzkopf Ingo A. aus Blankenburg, der mit einigen Kameraden vor Ort am Kaffee nippte, zählte 2018 zum Umfeld von Die Rechte in Dortmund. Neonazi Marcel Kretschmer aus Thale kam zum „Volksfest“ in Wienrode im „MMA Nationalist Fight Club“-Shirt. Er beteiligte sich an Aktionen der rechtsextremen Gruppe „Harzrevolte“, deren Mitglieder laut Behörden einen Vortrag der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck besuchten oder sich am Gedenkmarsch für den verstorbenen Kameradschaftsanführer Siegfried Borchardt („SS-Siggi“) 2021 in Dortmund beteiligten. Im Oktober 2021 organisierte die „Harzrevolte“ ein Vernetzungstreffen im Harz unter anderem mit den „Jungen Nationalisten“, der Jugendorganisation der NPD, die sich jetzt „Die Heimat“ nennt. Wie Fotos belegen, war Marcel Kretschmer auch am „Sturm auf den Reichstag“ im August 2020 dabei, kann also zu den Aktivisten des braunen Spektrums gerechnet werden, die das Wort Revolte auch als politisches Ziel betrachten.
Etwas bürgerlicher gerieren sich die Wienroder Gäste aus den Reihen der „Blankenburger Wölfe“, einer lockeren Gruppierung, die eng mit der Pandemieleugner-Szene um „Blankenburg wacht auf“ verbunden ist. Eine „Wölfe“-Akteurin trat in Magdeburg auf einer Demonstration mit eigenem Protestwagen und einem Aktivisten der Identitären Bewegung auf, in Wienrode half sie beim Kaffeeausschank.
Ganz herzlich begrüßte Rudi N. viele Gäste beim „Weda Elysia“-Empfang letztes Wochenende. Er betreibt ein Seminarhaus auf einem Gehöft in Weddersleben, unweit von Wienrode. Jeden Donnerstag, am „Thorstag“, werde dort renoviert, verkündet ein Aktivist namens „Niklas Sachsensohn“ in seiner Telegramgruppe. Er sei glücklich, dort seine spirituellen Tagungen durchführen zu können. In Weddersleben entstehe „etwas richtig germanisches, eine richtige Versammlungsstätte“. Am 6. Dezember 2022 trat vor vollbesetzten Reihen in der renovierten Scheune der US-amerikanische Professor William Toel auf. Toel mit seinen Umsturz- und Reichsfantasien ist über die verschwörungsideologische und neonazistische Szene hinaus bekannt. Am 3. September soll in Weddersleben der „Querdenken“-Sänger Eloas min Barden auftreten.