Volksverhetzung

Amtsgericht Halle: Rechtsextremist Liebich zu Haftstrafe verurteilt

Das Amtsgericht Halle (Saale) hat den Rechtsextremisten, Provokateur und Händler von rechtsextremen Artikeln, Sven Liebich, zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Unter anderem seien Anklagepunkte wie Volksverhetzung und Beleidigung erfüllt worden.

Donnerstag, 13. Juli 2023
Michael Klarmann
Erstmals wurde der rechtsextreme Aktivist zu einer Haftstrafe verurteilt.
Erstmals wurde der rechtsextreme Aktivist zu einer Haftstrafe verurteilt.

Das Gericht befand am heutigen Donnerstag, der Rechtsextremist sei ein Gratwanderer und überschreite in manchen Fällen die Grenze des Rechts. Damit ist Liebich zum ersten Mal zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird. Verurteilt wurde er in zwei Fällen wegen Volksverhetzung und in einem wegen Beleidigung. Außerdem muss er laut MDR zwei Nebenkläger finanziell entschädigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Seit 2014 veranstaltet Liebich, Jahrgang 1970, regelmäßig Versammlungen, viele davon auf dem Marktplatz in Halle. Im nun beendeten Prozess wurden Liebich zahlreiche Straftaten vorgeworfen. Der Prozess hatte Mitte Mai begonnen. Angeklagt waren unter anderem Beleidigungen und Schmähungen gegenüber Antifaschisten und Gegendemonstranten. „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ hatte zuvor Spenden gesammelt, damit die verbal Angegriffenen im Prozess als Nebenkläger auftreten konnten.

Mangelndes Unrechtsbewusstsein

Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren plädiert. Nachdem der seit vielen Jahren aktive Rechtsextremist bisher mit Verfahrenseinstellungen, Freisprüchen, Geld- und Bewährungsstrafen davongekommen war, hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer darauf hingewiesen, dass eine Bewährung nicht mehr in Frage komme. Liebich trete seit langem provokativ auf und zeige „überhaupt kein Unrechtsbewusstsein“, zitierte der MDR aus dem Plädoyer.

Ein Berliner Gericht sprach Liebich im November vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Anlass war ein Vorfall bei einer Versammlung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Der Rechtsextremist hatte am Rande der Demonstration in Berlin in der Nähe des Holocaust-Mahnmals mit gelbem „Judenstern“ und dem Tagebuch der Anne Frank provoziert. Eine Geldstrafe verhängte das Gericht hingegen im selben Prozess, weil Liebich während der Demonstration versucht habe, eine Polizeisperre zu durchbrechen.

Fake-News über Künast und Schulz

In einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Halle war Liebich im Herbst 2022 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Diese wurde jedoch unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht war damit weitgehend dem Amtsgericht gefolgt, das Liebich in erster Instanz wegen Volksverhetzung, Beleidigung und übler Nachrede verurteilt hatte. Anlass waren Sharepics mit falschen Aussagen von Renate Künast (Grüne) und Martin Schulz (SPD). Außerdem habe er Aufkleber mit rassistischen, islamfeindlichen und volksverhetzenden Inhalten verbreitet. Liebichs Revision wurde später durch das Oberlandesgericht Naumburg zurückgewiesen.

Vor wenigen Wochen veröffentlichte der MDR einen Podcast, der sich intensiv mit Liebichs Agieren auseinandersetzte. Der Rechtsextremist respektive Mitglieder seiner Familie treten seit Jahren als Händler von rechtsextremen Inhalten, provokanter Mode und Aufklebern in Erscheinung. Liebich war früher in „Blood & Honour“-, Skinhead- und Rechtsrockstrukturen involviert. Später bediente er mit seinen hetzerischen T-Shirts und Aufklebern eher Anhänger der Pegida-Bewegung sowie der Querdenker- und Impfgegnerszene.

Welpenschutz für den Erwachsenen

Interessant war bei alledem, dass der Rechtsextremist seit Jahren immer wieder durch seine grenzwertigen Provokationen mutmaßlich auch Straftaten beging. Mit dem Konzept verdienten er respektive Angehörige über einen Versandhandel Geld. Verurteilungen waren jedoch selten, Verfahrenseinstellungen durch Staatsanwaltschaften und Gerichte weitaus häufiger zu verzeichnen. Die Justiz vermittelte teilweise den Eindruck, nicht über einen Erwachsenen, sondern über einen Jugendlichen zu urteilen, den man schonen oder eher milde bestrafen wollte.

Im Podcast des MDR kamen Opfer, Ermittler, Experten und auch Liebich selbst zu Wort. Am Ende blieb die nüchterne Erkenntnis, dass die deutsche Justiz solchen Intensiv- und Serientätern und ihrer Hetze und Agitation bei Versammlungen sowie in den sozialen Medien, in ihren Telegram-Kanälen und Chats oder auf Seiten im Internet teilweise nicht gewachsen ist. Zuhörern dürfte sich unweigerlich die Frage aufgedrängt haben: Warum sollen sich Menschen, die gnadenloser Hetze ausgesetzt sind, für Demokratie und Rechtsstaat einsetzen, wenn Bürokratie und Justiz im Schneckentempo agieren?

Gewerbeverbot angestrebt

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg und das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt haben im April 2022 im Fall Liebich Wohn- und Geschäftsräume in Halle und Sachsen durchsuchen lassen. Hintergrund waren weitere Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Betreibens einer kriminellen Handelsplattform im Internet.

Inzwischen wurde in diesem Zusammenhang auch bekannt, dass die Behörden dem Rechtsextremisten ein dauerhaftes Gewerbeverbot erteilen wollen. Liebichs Schwestern traten indes offiziell als Unternehmerinnen auf. Der Rechtsextremist selbst hatte zeitweise immer wieder betont, dass er nur ein Angestellter im Versandhandel beziehungsweise bei der Produktion der Waren sei. Vor Gericht hatte er dabei ein sehr niedriges Gehalt angegeben, sodass mögliche Geldstrafen immer sehr niedrig bemessen worden wären.

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