Alternative zur „Alternative“

Einige Rechtsausleger aus der AfD haben eine neue Partei gegründet. „Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland“ (AdP) heißt die neue Formation. Vorsitzender ist André Poggenburg.

Freitag, 11. Januar 2019
Rainer Roeser

Die Parteigründer werfen der AfD vor, dass sie sich angesichts einer drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu sehr nach rechts abgrenze, dass sie in Sachsen vor der Landtagswahl auf Distanz zu Pegida gehe und schon zu sehr mit Koalitionsoptionen liebäugle. Kurz: Ihre bisherige politische Heimat erscheint ihnen nicht mehr ausreichend rechts zu sein. (bnr.de berichtete)

Bekanntester Vertreter der Gruppe, die bislang unter dem Label „Die Nationalkonservativen“ auftrat und für eine besondere Nähe zu Pegida und ähnlichen Gruppen steht, ist Sachsen-Anhalts ehemaliger AfD-Landes- und -Fraktionschef André Poggenburg. Seit Tagen spielte er öffentlich mit dem Gedanken einer Neugründung rechts der AfD – wollte aber zunächst erkennbar vermeiden, selbst als die treibende Kraft hinter dem Vorhaben zu erscheinen. „Ja, das wird jetzt heftig diskutiert in den ostdeutschen Landesverbänden“, sagte er im „Deutschlandfunk“. „Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass so dieser eigentliche Gründungsgedanke, der Zusammenhalt, auch das patriotische Gefühl verloren gegangen ist oder auch verloren gehen soll.“ Von der „Mitteldeutschen Zeitung“ zur Parteigründung befragt, räumte er lediglich ein: „Ja, mein Name wird genannt als einer, der dem vorangehen könnte.“ Am Donnerstagabend wurde dann bekannt, dass er die AfD verlassen hat.

Mitgliedsausweis zerschnitten

Zweiter, zumindest regional bekannter Vertreter der neuen Partei ist Benjamin Przbylla. Das frühere Mitglied des sächsischen AfD-Landesverbands erklärte am Donnerstag seinen Austritt aus seiner bisherigen Partei, versah seine Mitteilung mit „patriotischem Gruß“ und ergänzte sie um ein Foto des zerschnittenen AfD-Mitgliedsausweises. „Der Großteil der AfD-Funktionäre hat auch in Zeiten, in denen wir in bisher nicht gekanntem Ausmaß angegriffen werden, weiterhin nichts Besseres zu tun, als immer neue Konflikte innerhalb der Partei zu schüren, verdiente Mitstreiter in ihrer Arbeit zu behindern und sich im Gegenzug dem politischen Gegner immer weiter anzunähern“, monierte Przybylla. In der AfD sei es verbreitet, „das Erringen von Parlamentssitzen mit Politik zu verwechseln“. Im „System“ anzukommen scheine für etliche AfD-Funktionäre wesentlich interessanter zu sein als die Aussicht auf „harte und undankbare Oppositionsarbeit“, wetterte er. Przybylla: „Der 10. Januar 2019 ist ein guter Tag für einen neuen Aufbruch.“

Ganz ähnlich klang der dritte im Bunde der „Nationalkonservativen“, der ehemalige Kreisvorsitzende der AfD Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Egbert Ermer, der mittlerweile wie Przybylla als Vorstandsmitglied der neuen AdP fungiert. „Der Spiegel“ zitierte ihn am Donnerstag mit den Worten: „Das Projekt Parteigründung geht heute los.“ Geplant sei eine „mitteldeutsche Bewegung“, mit Zweigen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. 

Brandenburg: Schulterschluss vollzogen

Besonders rosig erscheinen die Aussichten für Poggenburg & Co. in den drei Ländern freilich nicht. In Brandenburg regiert Andreas Kalbitz die AfD. Er steht kaum weniger weit rechts, ist aber rhetorisch deutlich geschickter als Poggenburg. „Volksgemeinschafts-Gedröhn“ oder Tiraden gegen „Kameltreiber“ und „Kümmelhändler“ sind von ihm nicht zu vernehmen. Die Fettnäpfe überlässt er Leuten wie Poggenburg.

Vor allem aber: Den Schulterschluss zwischen Partei und rechter Straßenbewegung hat die Brandenburger AfD vollzogen, ohne dass es eines „Nationalkonservativen“ bedurft hätte. Gerade erst hat sie Christoph Berndt, den Chef des Cottbuser Vereins „Zukunft Heimat“, auf Platz zwei ihrer Kandidatenliste für die Landtagswahl im September gesetzt. (bnr.de berichtete) Sogar die Pegida-Führung, die an der AfD in Sachsen kaum ein gutes Haar lässt, war mit der Entscheidung in Brandenburg hochzufrieden: „Heute ist ein schöner Tag, das ganze Pegida Team freut sich sehr für Christoph Berndt von Zukunft Heimat (…).! Wenigstens einer ‚von der Strasse', der nicht für blöd verkauft wurde und sich in Zukunft hauptberuflich zu 100% für die Heimat einsetzen kann und wird!“

Kaum Begeisterung bei Pegida

In Sachsen-Anhalt haben sich die allermeisten längst von Poggenburg abgewandt – auch die, die einst zu seiner Anhängerschaft gehörten. „Ich bin ja selbst lange Zeit auf einer Linie mit Poggenburg gewesen, und politisch tue ich das auch noch heute“, sagt etwa AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner. Die alte Liebe ist aber zerbrochen. Kirchners Fraktion forderte Poggenburg am Dienstag ultimativ auf, binnen einer Woche „jedweden Spaltungstendenzen eine klare Absage“ zu erteilen.

Bleibt Sachsen als drittes Land der „nationalkonservativen“ Begierde. Dort dürfte eine Parteigründung noch auf das stärkste Interesse stoßen. Doch auch dieses Interesse wirkt äußerst limitiert. Selbst wenn Pegida-Vormann Lutz Bachmann dieser Tage meinte, die AfD-Funktionäre würden sich gerade selbst entzaubern und ihnen gehe es nur um Mandate – Begeisterung für eine neue Partei haben zuletzt weder er noch sein Adlatus Siegfried Däbritz gezeigt. 

„Flügel“ gegen Poggenburg

Und die tatsächlich starke Kraft der AfD-Rechtsaußen, Björn Höckes „Flügel“, stellte sich gegen Poggenburg. Seit voriger Woche kursiert eine Einladung zum ersten „Sachsentreffen des Flügels“ am 23. Januar. (bnr.de berichtete) Mit dabei neben Höcke, Kalbitz und Sachsen-Anhalts Parteichef Martin Reichhardt: Der sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban, der zur Zielscheibe der „Nationalkonservativen“ geworden war.

Zwar warnt auch der „Flügel“ vor „Funktionärsüberheblichkeit“ der Partei Pegida gegenüber und will, dass der sächsische Landesverband sich mit Bachmann & Co. einigt. „Pegida verdient, mit einem sicheren Platz auf der AfD-Liste repräsentiert zu sein. Das ist das Mindeste“, meint etwa „Flügel“-Mann Hans-Thomas Tillschneider. Zum großen Konflikt will es aber wohl keiner beim „Flügel“ kommen lassen. Die Misserfolge bisheriger AfD-Abspaltungen – ob sie sich „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“, „Liberal-Konservative Reformer“, „Bürger für Mecklenburg-Vorpommern” oder „Blaue Partei“ nannten oder nennen – wirken abschreckend.

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