„Alternative Leuchttürme“
In vier Bundesländern organisierte die AfD Kundgebungen zum Tag der Arbeit – ein Versuch des rechten Flügels, die Partei auf einen sozialpopulistischen Kurs zu bringen, und auch eine deutliche Absage an neoliberale Kräfte in anderen Landesverbänden und im Bundesvorstand.
Geht es nach dem völkisch-nationalistischen Flügel der AfD, sollte sich die Partei ein Vorbild an ihren ostdeutschen Landesverbänden nehmen. „Die echten alternativen Impulse gehen ganz klar vom Osten aus“, sagt André Poggenburg bei der AfD-Veranstaltung zum 1. Mai in Zwickau. Daheim in Sachsen-Anhalt hat er Partei- und Fraktionsvorsitz zwar abgeben müssen. Doch er bleibt einer der Vorleute des rechten „Flügels“ und einer der Wortführer der Landesverbände in den neuen Ländern. Die seien es doch, „die die Merkelsche Regierungskaste ganz besonders ins Schwitzen bringen“, meint er. Sie seien die „alternativen Leuchttürme“. Das müsse auch die Bundespartei endlich zur Kenntnis nehmen. Und die „mitteldeutschen Verbände“ müssten mit einer Stimme sprechen, um in der AfD und ihrer Bundestagsfraktion „ordentlich Druck und Dampf zu machen“.
Soziale Gerechtigkeit zur „Chefsache“
Vorbild sein wollen die Ost-Landesverbände insbesondere mit den sozialpopulistischen Tönen, die seit eineinhalb Jahren immer lauter zu vernehmen sind. Es stimme gar nicht, dass die AfD eine neoliberale Partei sei, sagt Thüringens Landessprecher Stefan Möller beim 1. Mai der AfD in Eisenach. Und der Ko-Vorsitzende Björn Höcke ruft den Zuhörern entgegen: „Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit kann man Wahlen gewinnen.“ Das Sozialsystem sei „zur Plünderung freigegeben“, moniert der Kopf der Parteirechten. Die „alten Kräfte“, die „den Traum von der Abschaffung Deutschlands“ träumen würden, seien dabei, „unser hart erarbeitetes Geld“ in alle Welt verteilen.
Sein „Flügel“ versucht sich an einer Mischung aus Nationalismus und Sozialdemagogie. „Solidarischen Patriotismus“ nennt Höcke sein Konzept. „Für unser Volk“ wolle die AfD soziale Gerechtigkeit wieder verwirklichen, betont er. „Für uns geht es um die Interessen der deutschen Arbeiter und die Interessen der deutschen Arbeitnehmer.“ An den Wahlurnen soll sich das auszahlen. Soziale Gerechtigkeit werde in Thüringen zur „Chefsache“ und zum Schwerpunktthema im Landtagswahlkampf des kommenden Jahres, kündigt er an.
Attacken gegen Gewerkschaften
Neben den schon immer gepflegten Feindbildern der „Alt-“ beziehungsweise „Kartellparteien“ und der, wie Kalbitz sagt, „One-World-Phantasten, Multikulti-Fetischisten und Willkommens-Extremisten“ sind die Gewerkschaften mehr und mehr zur neuen Zielscheibe geworden. Kalbitz spricht von einer „Gewerkschaftsbonzokratie“, der angehende Landeschef in Sachsen-Anhalt, Martin Reichardt, von einer „verkrusteten Gewerkschaftsbonzerei“. Höcke wettert gegen die „verschlafenen Kartellgewerkschafter“, die zum Beispiel bei Opel „die Gesetze des Marktes exekutiert“ hätten.
Als Vehikel für rechte Erfolge dient ihm der von seinen Gefolgsleuten gegründete „Alternative Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland“ (Alarm!). Man müsse, fordert Höcke, zum Beispiel die Opelaner „von der IG Metall wegbringen und zu Alarm! hinbringen“.
Jargon der 20er und 30er Jahre
Dabei suchen die Radikalen in der AfD den Schulterschluss mit rechten Gruppen in den Betrieben. Etwa mit dem Verein „Zentrum Auomobil“. „Alternative Gewerkschaft“ nennt dessen Vormann Oliver Hilburger seine Organisation bei der AfD-Veranstaltung in Zwickau. Die DGB-Gewerkschaften seien „zum Erfüllungsgehilfen der globalen Elite geworden“. Mit ihrer „internationalistischen“ und „marxistischen Denkweise“ seien ihre Funktionäre „Brüder im Geiste mit den Vertretern der globalen Elite“. Was er sagt, gefällt den Rechtsaußenstrategen in der AfD: „Wir sind angetreten, um die Macht der linken Gewerkschaften zu brechen“, ruft Hilburger ins Mikrofon.
Der Jargon, den AfD-Politiker dabei zuweilen pflegen, klingt mal links, mal aber auch sehr weit rechts – als wäre er einem Rhetorik-Handbuch der 20er oder 30er Jahre entlehnt. Die „lieben Werktätigen“ begrüßt Reichardt zu Beginn seiner Rede in Querfurt. Sie hätten sich den 1. Mai verdient, weil sie „ein Jahr lang pflichttreu gearbeitet“ und „für diesen Sozialstaat und unseren Wohlstand ihren Dienst geleistet haben“. „Hier steht das deutsche Volk“, sagt Reichardt mit Blick auf sein nicht einmal 200-köpfiges Publikum. Und: Die AfD sei „die deutsche Arbeiterpartei“.
1. Mai im Polizeigewahrsam
Noch freilich hält sich der Erfolg mit sozialpopulistischen Tönen in Grenzen. Bei den vier AfD-Kundgebungen zum Tag der Arbeit (bnr.de berichtete) wurden insgesamt zwischen 1500 und 2000 Teilnehmer gezählt. Knapp 1000 AfD-Anhänger kamen nach Zwickau, rund 400 waren es in Cottbus, 300 in Eisenach und 150 bis 200 im sachsen-anhaltinischen Querfurt.
Während der völkisch-nationalistische Flügel seine eigenen Veranstaltungen organisierte, wollte Bundesvorstandsmitglied Guido Reil an der Demonstration des DGB in Essen teilnehmen. Doch daraus wurde nichts. Bei einem seiner Security-Männer fanden Polizeibeamte Pfefferspray. Den folgenden Platzverweis mochte Reil nicht befolgen. Daraufhin verbrachte er die nächsten Stunden in Polizeigewahrsam.