Alte Seilschaften
Ralf Wohlleben, mutmaßlicher NSU-Waffenbeschaffer, darf im Hochsicherheitstrakt in München-Stadelheim einen früheren „Kameraden“ empfangen, bei dem in der Hoch-Zeit des „Thüringer Heimatschutzes“ ein großes Waffenarsenal sichergestellt worden war.
Der ehemalige Wirt, der in den 1990er Jahren bekanntesten Szene-Kneipe „Heilberg“ bei Saalfeld möchte den mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben im Gefängnis in München-Stadelheim besuchen. Christian D., der Wohllebens Ehefrau mit einer Frau aus der Familie eines weiteren wichtigen Thüringer Neonazis in den Knast begleiten will, darf ohne Trennscheibe mit Wohlleben kommunizieren. Dafür setzte sich auch dessen Anwältin
Nicole Schneiders ein.
Damit stellt der 38-jährige D. einen weiteren aktiven Kontakt aus den Reihen des ehemaligen militanten Thüringer Neonazi-Netzwerkes dar. Zu den Unterstützern von Wohlleben unter dem Motto „Freiheit für Wolle“ gehört auch der Saalfelder Steffen Richter, der ebenfalls engen Kontakt zur Ehefrau hielt und versucht haben soll, die Postkontrolle zu umgehen. Richter und D. sind wohl verwandt, der jüngere Richter zählt zum „Freien Netz Saalfeld“. Kürzlich tauchte auch David Buresch vom „Freien Netz Kahla“ mit Kameraden im Saal des Oberlandesgerichts München auf und wurde von Wohlleben lächelnd begrüßt. Der ältere Wohlleben-Kontakt D. kannte auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Denn bis 1997 war er Pächter des überregionalen Neonazi-Treffpunktes. Bei einer Razzia im selben Jahr fand die Polizei dort 52 Schlagstöcke, vier Schreckschusspistolen, neun Messer, 300 Feuerwerkskörper und 70 Stichwaffen. Dort fanden auch die Treffen des „Thüringer Heimatschutzes“ mit den Wortführern der Region wie Tino Brandt, Andreas Rachhausen und Sven
Rosemann statt. Nicht nur bei Facebook scheinen die alten Seilschaften teilweise noch immer weiter zu existieren.
„Reisender Händler für Textilien und CDs“
Damals verkehrten im „Heilsberg“ auch „Blood&Honour“-Anhänger aus Zwickau ebenso wie fränkische Neonazis und Rechtsrock-Bands aus Dortmund und Coburg. Sogar der unter dem Decknamen „Primus“ spitzelnde Zwickauer Ralf M. bot als „reisender Händler für Textilien und CDs“ im November 1997 seine Waren im „Heilsberg“ an. Mehrere Zeugen teilten im Rahmen der NSU-Ermittlungen mit, Beate Zschäpe in einem der Ladengeschäfte von M. in Zwickau gesehen zu haben. Ein weitere Zeuge gab Anfang 2012 an, Ralf M. am Pfingstwochenende 1998, in Begleitung von Mundlos und Böhnhardt beim „Pfingstochsen-Cup“, einem Fußball- Turnier, auf dem Sportplatz im ostthüringischen Greiz gesehen zu haben. Da wurde das Trio bereits seit Monaten mit internationalen Haftbefehl gesucht.
Es ist irgendwie obskur: Einer der Angeklagten im NSU-Terrorprozess genießt Zeugenschutz und wurde von BKA-Beamten anscheinend zu einem Treffen mit einem Kameraden und mutmaßichen Prozesszeugen gefahren. Ein anderer Angeklagter kann den Gerichtssaal täglich als freier Mann verlassen und umgibt sich mit verurteilten Münchner Neonazi-Terroristen.
Ralf Wohlleben, der seit sich seit über zwei Jahren in Untersuchungshaft befindet, wird wegen der Beschaffung der Mordwaffe Ceska schwer belastet. Er darf jedoch im Hochsicherheitstrakt in München-Stadelheim ausgerechnet einen ehemaligen Kameraden empfangen, bei dem in der Hoch-Zeit des „Thüringer Heimatschutzes“ einer der größten Waffenfunde sichergestellt worden war.
Die zuständigen Richter im NSU-Verfahren sehen demnach prognostisch gesehen kaum eine Gefahr, dass unerlaubte Gegenstände oder Nachrichtenkassiber ausgetauscht werden könnten.