Verfassungsschutzbericht
Allianzen prägen Szenario
In Sachsen-Anhalt fallen laut Verfassungsschutzbericht für 2021 zunehmende Allianzen innerhalb der rechten Szene, aber auch szeneübergreifend hinein in bürgerliche Proteste ins Auge. Vor allem die Zahl der Reichsbürger ist stark angestiegen.

Immer wieder kommt es zu temporären Allianzen zwischen Aktivisten aus unterschiedlichen Parteienspektra und mit Vertretern aus parteiungebundenen Gruppen: Je nach Thema, Projekt oder Interessenlage Schulterschluss statt Abgrenzung. Im Segment der Parteien wird die AfD anders als beispielsweise in Brandenburg überhaupt nicht erwähnt.
Der mitgliedermäßig bei 120 Angehörigen stagnierenden NPD unter Landeschef Henry-Kurt Lippold wird mit Ausnahme des Jugendverbandes Junge Nationalisten eine weitgehende Trägheit attestiert. Umgekehrt ist es bei der Kleinstpartei Der Dritte Weg und ihren 25 Mitgliedern. Die umtriebige Splitterpartei unter der Regie von Mirco Herz rief im Vorjahr den neuen Stützpunkt Magdeburg/Altmark aus. Die Konkurrenzpartei Die Rechte mit unverändert 20 Anhängern ist zuletzt hingegen mit nahezu keinen eigenen Aktivitäten aufgefallen.
„Neue Stärke“ schlägt in Magdeburg auf
Diesbezüglich waren regionale Gruppen aus dem Bereich der strukturierten parteiunabhängigen Rechtsextremisten (395 Personen, ein Plus von 30 gegenüber dem Vorjahr) häufig Taktgeber. Bekannte Personenzusammenschlüsse gaben sich dafür neue Namen. Dazu rechnet der Verfassungsschutz die „Neue Stärke Magdeburg“, die sich am 13. November mit bundesweiten Ambitionen zusammengefunden hat. Inzwischen wurde beim Bundeswahlleiter sogar der Parteienstatus angezeigt. Einheitliche Bekleidung, eigene Räumlichkeiten in Magdeburg sind weitere Kennzeichen. Als Funktionär in Sachsen-Anhalt agiert Patrick Schmidt. Der Gruppe werden 30 Mitstreiter zugerechnet.
Ebenfalls mit ihrem Drang in die Öffentlichkeit ist die Gruppe „Harzrevolte“ aufgefallen. Auch diese hat eine kleine bis mittlere zweistellige Zahl an Aktivisten und ist vornehmlich im Großraum Harz anzutreffen. Namentlich nennt der Verfassungsschutz bei ihnen Marcel Kretschmer und Martin Schüttpelz als zwei Führungsfiguren.
Artgemeinschaft mit Großtreffen in Thüringen
Die bundesweit agierende völkisch-antisemitische Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. mit dem Bundesvorsitzenden Jens Bauer aus dem Burgenlandkreis organisierte für den inneren Zusammenhalt trotz Pandemieeinschränkungen regelmäßig sogenannte Gefährtschaftstreffen. Zur Sommersonnenwendfeier versammelte man sich mit rund 360 Teilnehmern im thüringischen Ilfeld. Bauer organisierte übrigens als Corona-Protest in Zeitz gleich drei Auto-Korsos.
Die Neue Rechte ist vor allem mit dem Institut für Staatspolitik in Schnellroda unter Götz Kubitschek in Sachsen-Anhalt etabliert. Neben einer breiten Publikationsfülle stachen an Veranstaltungen im Berichtsjahr ein Tag der offenen Tür im Juli und die mittlerweile 21. Sommerakademie im September heraus. Weiter eingebüßt hat hingegen die Identitäre Bewegung mit lediglich noch 25 Mitgliedern.
Im Segment der unstrukturierten Rechtsextremisten wurde ein Anstieg von 770 auf 780 ausgemacht. Dazu sind die Rocker vom „MC Division 39 Magdeburg“ zu zählen, ebenso die Fußball-Hooligans von „Blue White Street-Elite“ und damit Beispiele für eine rege Mischszene. Im angesagten Kampfsportmilieu hat Corona-bedingt zwar keine Veranstaltung stattgefunden, zu mehreren Trainingstreffs ist es aber gekommen.
Liebich provoziert, Fitzek sucht Immobilien
Jemand, der stets Gesinnungsanhänger mit seinen Tabubrüchen und Provokationen zu mobilisieren weiß und durch seinen Online-Shop-Vertriebshandel auch einen überregionalen Bekanntheitsgrad genießt, ist Sven Liebich. Er ist seit langem durch Montagsdemonstrationen in Halle eine Szene-Größe. Zu Corona-Protesten durch die „Freien Sachsen“ reiste er auch einige Male nach Zwönitz. Ein Vertrieb, der den Verfassungsschützern erstmals aufgefallen ist, nennt sich zunächst unverdächtig „Hobbyarbeit aus der Altmark“.
Unter den Reichsbürgern und Selbstverwaltern, die innerhalb eines Jahres von 500 auf 600 Anhängern zugelegt haben, gibt es bei acht Prozent eine eindeutige Schnittmenge mit dem Rechtsextremismus. Bundesweit engagiert ist der Kopf vom selbst ernannten „Königreich Deutschland“, Peter Fitzek aus Wittenberg. Aus seinem Umfeld sind zuletzt wieder intensive Expansionsbemühungen festgestellt worden. Bundesweit laufen Anfragen unter der Angabe von Scheinvereinen, um Immobilien zu erwerben, wo Dorfprojekte realisiert oder Gemeinwohlkassen eröffnet werden können.