Alle waren sie da: Nachruf auf NPD-Demonstration in Dresden

Nur langsam schob sich der über einen Kilometer lange Trauerzug der Neonazis durch die geschichtsträchtige Dresdener Altstadt. Zwischen Zwinger und neu errichteter Frauenkirche kam es immer wieder zu Verzögerungen, auch durch Blockaden von antifaschistischen Gegendemonstranten vor der Spitze des Aufzuges.

Samstag, 23. Februar 2008
Redaktion
Alle waren sie da: Nachruf auf NPD-Demonstration in Dresden
Insgesamt hielt sich der Gegenprotest allerdings in Grenzen. Weitestgehend ungestört konnten die rund 5.000 Rechtsextremisten, angeführt von der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO), ihre Demonstration zur Bombardierung Dresdens durchführen. Drei Tage zuvor hatte das neonazistische "Bündnis gegen das Vergessen" aus Dresden bereits einen abendlichen Fackelmarsch, mit dem NPD-Mitarbeiter und Historiker Olaf Rose als Hauptredner, durchgeführt. Zum Pflichttermin der Szene am Wochenende reisten dann Neonazis mit Bussen aus der gesamten Republik an, unter ihnen in diesem Jahr auffällig viele junge Frauen. Im Verhältnis zu anderen NPD-Demonstrationen beteiligen sich am Aufmarsch gegen den so genannten "Bombenholocaust" in Dresden auch weitaus mehr ältere Sympathisanten. Kontrolliert vom Ordnungsdienst der NPD und vom "Selbstschutz Deutschland" aus Sachsen-Anhalt ging es weit disziplinierter zu als in den Vorjahren.

Die Rednerliste war 2008 kurz gehalten. Nach der Begrüßung durch den sächsischen Landesvorsitzenden der JLO, Kai Pfürstinger, sowie einer musikalischen Ansage des NPD-Bundesvorstandsmitglieds und Liedermachers Jörg Hähnel sprach als Hauptredner Rechtsanwalt Björn Clemens aus Düsseldorf. Der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende der "Republikaner" hatte die Schlierer-Partei 2007 als "Totenschiff" bezeichnet und verlassen, denn er sei noch "zu jung zum sterben". Clemens plädierte seit Jahren für eine Kooperation zwischen "Reps" und NPD. Er gehört dem Bundesvorstand der JLO an. Im letzten Jahr leitete er die Gründungsversammlung der rechten Bürgerbewegung "Pro NRW". Seine Promotion schloss der Fachmann für Verwaltungsrecht nach eigenen Angaben mit dem Gesamtergebnis "magna cum laude" ab. Sein Thema: "Der Begriff des Angriffskrieges und die Funktion seiner Strafbarkeit". In Dresden wetterte Clemens in NPD-Manier gegen die Bombardierung der Stadt durch die britische Luftwaffe. "Steingewordene deutsche Geschichte" sollte "pulverisiert" werden, so Clemens. Immer wieder beleidigte er die heutigen Verantwortlichen in der Politik als "charakterliche Gartenzwerge", die sich benähmen "wie die Axt im Walde" oder "eine offene Hose". Ausgerechnet den kritischen jüdischen Schriftsteller Heinrich Heine legte er seinen neonazistischen Zuhörern ans Herz, "Lest es nur mal!" rief er, Heine und Fichte die "Klassiker neuerer Geistesgeschichte".

Von der Bundesspitze der NPD waren auffällig wenige Mitglieder anwesend. Udo Voigt und Peter Marx fehlten seit Jahren zum ersten Mal. Einzig die Landtagsfraktion aus Sachsen und deren Mitarbeiter war fast vollständig vertreten. Holger Apfel trat mit Gattin ans Transparent. Neben ihm die NPD-Abgeordneten Alexander Delle, Ulrich Pätzold, René Despang und Gitta Schüßler. Tierarzt und Landtagspolitiker Johannes Müller reihte sich weiter hinten mit ein.

In Achterreihen aufgestellt setzte sich der Zug um 14.45 Uhr in Bewegung. Anders als in den Vorjahren äußerte sich die Radikalität der Demonstration weniger durch Ausfälle und Angriffe gegen Journalisten oder Gegendemonstranten als eher durch scharfe neonazistische Botschaften auf den Transparenten und Spruchbändern. "1945 Dresden - Befreiung à la Demokratie" hatten die Anhänger des "Nationalen Beobachters" aus Wernigerode auf ihr blaues Transparent gemalt. Auf einem anderen stand: "1918- 48 - 30 Jahre Völkermord an Deutschen - ungesühnt". Künstlerisch ins Zeug gelegt hatten sich Neonazis, deren Spruchband das Konterfei Churchills zeigte, unterlegt mit der Parole: "Mord war ihr Mittel - Dresden das Ziel!" Die völkisch-nationalistische "Heimattreue Deutsche Jugend" war mit einem eigenen Block vertreten, unter ihnen Denis Schauer und Jörg Hähnel von der "Einheit Preußen". Mit ihnen liefen die ehemaligen Anhänger der "Wiking-Jugend" Hans und Edda Schmidt aus Bisingen, die vorher freudig begrüßt worden waren. Auch der "Ring Nationaler Frauen" war mit einem Mini-Transparent vertreten.

Aus Süddeutschland waren u.a. die Kameradschaften Cham und Kronach sowie die NPD aus Fürth mit Spruchbändern dabei. Die Blöcke des "Nationalen Bündnis Dresden" waren ebenso stark vertreten wie das "Aktionsbündnis gegen das Vergessen". Die "Freien Kräfte Südthüringen" warben mit dem Spruch: "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu". Diese Zeile stammt aus einem Volkslied von Max von Schenkendorf, welches in der NS-Zeit als "Treuelied der SS" bekannt war. Weiterhin kamen aus Thüringen einzig die "KS Zehla-Mehlis" und Fahnenträger aus Arnstadt. Auch hier schienen einige der NPD-Anführer zu fehlen.

Ganz vorne lief eine "Rechte Aktions-Front" aus dem Vogtland mit. Deren Homepage "Recht und Ordnung" wird mit dem Bild einer Waffe eröffnet. Die NPD-Landtagsabgeordneten Udo Pastörs und Stefan Köster hatten sich in den Reihen von "Mecklenburgischer Aktionsfront" (MAF) und dem "Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern" (SNBP) unter Führung von Tino Müller eingeordnet. NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas Wulff hielt während des Schweigemarsches einen Plausch mit vier Russlanddeutschen-Aktivisten ab. Aus Dänemark, Tschechien, Niederlande, Großbritannien und Spanien waren Faschisten angereist. Viele ehemalige Kameradschaftsgruppen warben unter einem gemeinsamen Logo mit den jeweiligen NPD-Regionalverbänden. Mit Spruchbändern waren zudem Neonazis aus Eckernförde, Rieseby, Aachener Land, Kassel, dem Rheinland, Brandenburg, Ostsachsen, Magdeburg, Rhein-Neckar, Leipzig, der Lausitz, Hoyerswerda, Osnabrück und Vechta vertreten. Das Ende des Trauerzuges bildete ein mitgliederstarker Block "Autonomer Nationalisten" u.a. aus Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg.

Mit der Disziplin vieler Teilnehmer ging es allerdings zur Neige, als Udo Pastörs seinen langatmigen Schlussvortrag hielt. Gähnend und frierend verließen immer mehr von ihnen den von der Polizei umstellten Platz. Andrea Röpke
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