Aktivistische Szene in Brandenburg

Neonazis steigern ihr Personenpotenzial und formieren sich zunehmend in „informellen Gruppierungen“, der NPD-Landesverband hat Konkurrenz durch „Die Rechte“ bekommen.

Montag, 04. März 2013
Anton Maegerle

NPD-Aktivitäten gehen in Brandenburg seit Jahren kontinuierlich zurück. Dagegen kann die Neonazi-Szene ihr Potenzial stetig vergrößern. Rechtsextreme Musik ist weiterhin ein zentrales Kommunikationsmittel in der Szene, so lautet zusammengefasst die Antwort der Landesregierung (Drucksache 5/6837) auf die Große Anfrage „Aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus im Land Brandenburg“ der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke (Drucksache 5/6005). 

Dem seit 2003 existierenden NPD-Landesverband unter Führung von Klaus Beier wird eine „offene, aggressiv-kämpferische Feindschaft“ gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung attestiert. Die brandenburgische Landesregierung  unterstützt „ausdrücklich“ das Bemühen für eine bald mögliche Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die NPD. Ein Parteiverbot ist nach Ansicht der Landesregierung, ein „legitimes Element“ in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, das im Grundgesetz verankert sei.

Die NPD zählt in Brandenburg rund 350 Mitglieder, von den ehemals 150 Mitgliedern der Landes-DVU sind nur wenige zur NPD übergetreten. Die Parteiaktivitäten sind in den letzten Jahren rückläufig. In finanzieller Hinsicht gehört der NPD-Landesverband zu den schwächeren im bundesweiten Vergleich. Acht NPD-Kreisverbände existieren in dem Bundesland: Barnim-Uckermark, Dahmeland, Havel-Nuthe, Lausitz, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Oderland und Prignitz-Ruppin. Daneben gibt es vier JN-Stützpunkte mit etwa 25 Mitgliedern. Als wichtigster JN-Funktionär wird Pierre Dornbrach angeführt, den die Landesregierung zugleich dem Kreis neonazistischer „NPD-Verächter“ zurechnet. Frauen sind mit rund 17 Prozent in der NPD unterrepräsentiert. Ihr Durchschnittsalter liegt bei etwa 40 Jahren, das der Männer bei etwa 38 Jahren.

Konzerte und Veranstaltungen in Finowfurt

In Konkurrenz zur NPD steht der am 26. Januar gegründete Landesverband der Partei „Die Rechte“ unter Vorsitz von Klaus Mann, dem letzten brandenburgischen DVU-Landesvorsitzenden. Mann pflegt seit Jahren offen Kontakt zu „Freien Kräften“ und stellt immer wieder sein Grundstück in Finowfurt für entsprechende Konzerte und Veranstaltungen zur Verfügung. Zuletzt fand dort am 6. Oktober 2012 der vom NPD-Landesverband organisierte „Preußentag“ mit etwa 600 Teilnehmern statt.

Die Neonazi-Szene, deren Schwerpunkt im Süden des Landes Brandenburg (Guben, Cottbus, Lübben, Senftenberg) liegt, hat ihr Personenpotenzial in den letzten Jahren kontinuierlich vergrößert. Die Szene ist jünger, informeller und aktionistischer geworden, informiert die Landesregierung. Weltanschaulich und programmatisch orientieren sich Neonazis am historischen Nationalsozialismus und fühlen sich insbesondere von der Rassen- und Bevölkerungspolitik der Nazis angezogen. Als Beispiele nennt die Landesregierung Kampagnen wie „Volkstod“ oder „Die Unsterblichen“, die die volksgemeinschaftliche Fiktion eines homogenen Kollektivs und Vorstellungen eines arisch geprägten „Volkscharakters“ als Grundlage haben. Nicht zuletzt aufgrund des hohen staatlichen Verfolgungsdrucks werde zunehmend auf hierarchische Strukturen wie Kameradschaften verzichtet, wird festgehalten. Zunehmend formiere sich die Szene in „informellen Gruppierungen“, die in loser Weise beweglich und netzwerkartig agierten.

An derzeitigen neonazistischen Strukturen werden  unter anderem die „Alternative Jugend Potsdam“, die „Freien Kräfte Königs Wusterhausen“, die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“, die „Freien Kräfte Ost“, der „Freundeskreis Nationale Sozialisten Oder-Spree / Autonome Nationalisten Oder-Spree“, der „Freundeskreis Nord-Brandenburg“, die „Kameradschaft Elbe-Lenzen“ und die „Oderfront“ aufgeführt. Die Aktivisten sind zwischen 18 und 30 Jahre alt, der Frauenanteil liegt zwischen fünf und zwanzig Prozent

„Kommissarische Reichsregierungen“ im Visier

Als für die rechtsextreme Szene relevante Treffpunkte werden neben dem Anwesen von Klaus Mann in Finowfurt unter anderem noch Immobilien in Biesenthal, Mühlenfließ sowie Märkisch Buchholz genannt. Erwähnt wird auch ein ehemaliger Gasthof in Neuhausen/Spree, der als Veranstaltungsort für braune Konzerte geeignet sei.

In Brandenburg/Havel, Ortsteil Kirchmöser verfügt auch der „Gott für Gotterkenntnis“ (Ludendorff) über eine Immobilie. Im April 2012 fand dort die letztjährige Ostertagung mit rund 100 Personen statt. Der antisemitisch und rassistisch ausgerichtete BfG, so die Landesregierung, verbindet germanisch-heidnische Glaubensansätze mit ethnopluralistischen Vorstellungen.

Im Visier der Landesbehörden stehen auch die so genannten „Kommissarischen Reichsregierungen“, die zum Spektrum der „Reichsbürger“ zählen. Deren vorrangiges Ziel ist die Delegitimierung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik. „Reichsbürger“ vertreten die Auffassung, dass das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 fortbesteht und die Bundesrepublik kein völker- und verfassungsrechtlich legitimer und souveräner Staat sei. Namentlich erwähnt die Landesregierung die „Kommissarische Reichsregierung des Staates 2tes Deutsches Reich“ um Wolfgang Ebel und die „Exilregierung Deutsches Reich“ um Norbert Schittke.

Attraktives „Kickboxen“ und „Free-Fight“

Der Landesregierung sind derzeit 24 rechtsextreme Bands in Brandenburg bekannt, darunter: „Aryan Brotherhood“ (Potsdam), „Confident of Victory“ (Senftenberg), „Frontalkraft“ (Cottbus), „Hassgesang“ (Teltow), „Uwocaust“ (Potsdam) und „Wolfskraft“ (Beeskow). Im vergangen Jahr fanden in Brandenburg neun braune Musikkonzerte statt, davon wurden drei aufgelöst. Vier geplante Musikevents konnten verhindert werden. Das größte Rechtsrock-Konzert mit 500 Telnehmern gab es demnach am 28. April in Lauchhamer im Landkreis Oberspreewald/Lausitz. Musikvertriebe finden sich unter anderem in Cottbus („Rebel Records“) und in Eberswalde („NMV-Versand“ und „Nationaler Zentralversand“).

Kontakte zwischen Rockern und Neonazis bestehen in persönlichen Bekanntschaften und teilweise in familiären Beziehungen, hält die  brandenburgische Regierung fest. Aktive Kontakte lassen sich zwischen dem Gremium MC, insbesondere des Chapters Spremberg, und der Neonazi-Szene nachweisen.

Als neues Phänomen wird die Verbindung zwischen Rechtsextremismus und Kampfsport gewertet. Diese stelle die Zivilgesellschaft, die Sicherheitsbehörden und die Politik in Brandenburg vor neue Herausforderungen. „Kickboxen“ und „Free-Fight“ gewinnen im Neonazi-Spektrum zunehmend an Attraktion und werden als Plattform für entsprechende Agitation und Aktion genutzt. Die in diesen Sportarten vermittelte Disziplin und Kampfbereitschaft sei für Neonazis ein zentraler Eckpfeiler ihrer Ideologie, heißt es in der Stellungnahme der brandenburgischen Landesregierung auf die große Anfrage der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke im Landtag.

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