AfD verliert Status der stärksten Oppositionskraft
Bei der Bundestagswahl verzeichnet die AfD rechnerisch Verluste, doch besonders die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen dürften das innerparteiliche Seelenhoch beflügeln.
Für die AfD wurden aus 12,6 Prozent Stimmenanteil 2017 nun 10,3 Prozent. Laut Bundeswahlleiter ziehen somit 83 Mandatsträger für die AfD in den Bundestag, die meisten über die Landesliste. Gegenüber dem Ergebnis vor vier Jahren ein Verlust von elf Sitzen. Bei zehn gewonnenen Direktmandaten und 24,6 Prozent der Zweitstimmen ist die AfD in Sachsen im Stimmenvergleich damit zur stärksten Kraft geworden. 2,4 Prozent Verlust tun da nicht wirklich weh. Einer der Sieger als Direktkandidat ist Tino Chrupalla für den Wahlkreis Görlitz mit 35,8 Prozent. Gegenüber dem MDR hob er hervor, dass es seiner Partei bestens gelungen sei, ihre Stammwählerschaft an die Wahlurne zu bringen.
Breite Brust bei Chrupalla
Mit Karsten Hilse schaffte in Bautzen auch einer der hartnäckigsten Corona-Rebellen in den vorderen Reihen der AfD den Wiedereinzug in den Bundestag. Er holte 33,4 Prozent bei seinem Direktmandatssieg – exakt der Stimmenanteil, der für den Sieg im Wahlkreis Mittelsachsen auch Carolin Bachmann gelang, eines der jüngeren Gesichter der Partei. Mit dem Görlitz-Triumph auf seiner breiten Brust besitzt Spitzenkandidat Chrupalla am Mittwoch auch beste Chancen, zum künftigen Fraktionsvorsitzenden gewählt zu werden. Dafür wirft auch Alice Weidel ihren Hut in den Ring, doch sie wurde im Wahlkreis Bodensee bei 9,2 Prozent Zuspruch nur fünftstärkste Bewerberin um das dortige Direktmandat.
Auch der Landesverband Baden-Württemberg um Co-Spitzenkandidatin Weidel musste Federn lassen. Aus 12,2 Prozent vor vier Jahren wurde man jetzt mit 9,6 Prozent einstellig im Ergebnis. Trotzdem sollte es weiterhin der Hang zu ein wenig Glamour sein, zog es die Partei zur Wahlparty doch ins Stuttgarter „Maritim“. Neben Weidel ziehen über die Ba-Wü-Liste vertraute Partei-Hardliner in den Bundestag wie Markus Frohnmaier oder Marc Stephan Jongen, aber auch die als Björn Höcke-Vertraute geltende Christina Baum.
Gute AfD-Ergebnisse in allen Ost-Bundesländern
Thüringens Parteichef dürfte auch den vier siegreichen Direktkandidaten seiner Partei gratulieren, darunter mit Stephan Brandner aus dem Wahlkreis Gera – Greiz – Altenburger Land ein ebenso bekanntes Partei-Schwergewicht. Thüringenweit konnte die AfD mit den Zweitstimmen noch 1,3 Prozent zulegen und kletterte mit 24,0 Prozent auf den ersten Platz. In Sachsen-Anhalt schnappte sich die Partei zwei weitere Direktmandate. Unverändert 19,6 Prozent bedeuten im Parteienranking nun Platz 3, nachdem man 2017 noch zweitstärkste Kraft war.
In Brandenburg büßte der stramm rechtslastig geltende Landesverband mit 18,1 Prozent (-2,1) ein. Das Ergebnis bedeutet in der Parteienskala des Landes dennoch Platz 2. Über den Listeneinzug gibt es im Bundestag ein Wiedersehen mit Alexander Gauland und Steffen Kotré. Im Nordosten blieb das Ergebnis der AfD nahezu statisch. Mit 18,0 Prozent bei einem Verlust von 0,6 Prozent ist man im Parteienspektrum weiterhin die Nummer 2 und hat bei den Erststimmen sogar noch einmal um 0,3 Prozent auf 18,5 Prozent zugelegt. Über die Liste geht es für das bisherige Bundestagstrio Leif-Erik Holm, bisheriger stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Enrico Komning und Ulrike Schielke-Ziesing erneut in den Bundestag.
Berlin meldet größten AfD-Verlust
Nirgendwo hat die AfD so viel Boden eingebüßt wie in Berlin. Dort verlor man 3,6 Prozent und liegt bei nur noch 8,4 Prozent. Mit dem Trio Beatrix von Storch, Gottfried Curio und Götz Frömming ziehen drei bereits den Bundestag kennende Listenkandidaten in eine weitere Legislaturperiode. Bei 9,0 Prozent und einem Verlust von 3,4 Prozent schickt Bayern immer noch zwölf Listen-Abgeordnete in den Bundestag, angeführt von Peter Boehringer, der im neuen Bundestag aber seinen Vorsitz im Haushaltsausschuss verlieren wird. Den Wiedereinzug schafften ebenfalls die bayerische Landeschefin Corinna Miazga und die am rechten Parteirand stehenden Stephan Protschka und Petr Bystron.
Gespannt hat man auch in den Bundesländern auf das AfD-Abschneiden geschaut, in denen im nächsten Jahr Landtagswahlen anstehen, angefangen im Saarland. 10 Prozent bedeuten dort weiterhin einen Sitz im Bundestag, den der AfD-Landesvorsitzende Christian Wirth einnimmt und ihm einen Wiedereinzug bescheren. In Schleswig-Holstein reicht es bei 6,8 Prozent (-1,4) für zwei Mandate, darunter der bisherige AfD-Hinterbänkler Uwe Witt. In Nordrhein-Westfalen schaffte die AfD 7,3 Prozent (-2,2), was gleichbedeutend ist mit zwölf Abgeordneten, deren Liste von Hans-Rüdiger Lucassen angeführt wird. Wie in anderen Ländern belegen auch in NRW bereits mehrere im Bundestag vertretene Namen die ersten Listenplätze. Matthias Helferich auf Platz 7 als Kandidat der Jungen Alternative machte erst im Vormonat durch einen öffentlich gewordenen Hitler-verharmlosenden Chat negative Schlagzeilen. Damit konfrontiert bezeichnete er es als unüberlegte Jugendsünde. In Niedersachsen fiel die AfD von 9,1 auf 7,4 Prozent. Spitzenkandidat Joachim Wundrak, ehemals Generalleutnant der Luftwaffe und ranghöchste Militärperson in den AfD-Reihen, zieht neben fünf weiteren AfDlern nun in den Bundestag.
AfD: Viele Abgeordnete gehen in zweite Legislatur
Das schwächste Parteiergebnis gab es für den Hamburger Landesverband, der nur noch bei 5,0 Prozent landete (-2,8). Daher reicht es auch nur für ein Mandat, das der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Bernd Baumann einnimmt. Bekannte Namen schaffen bei 8,8 Prozent (-3.1) in Hessen über die Liste den Einzug in den Bundestag, darunter die bundestagserfahrenen Albrecht Glaser und der Landesvorsitzende Jan Nolte. Im zuletzt mit internen Querelen aufgefallenen Landesverband Rheinland-Pfalz schrumpfte die AfD von 11,2 auf 9,2 Prozent. Dafür gibt es vier Mandate, eines davon bekleidet Bernd Schattner, der sich seit Monaten als vehementer Gegner von Parteichef Jörg Meuthen in Stellung gebracht hat. In Bremen bedeutet ein Ergebnis von 6,6 Prozent (-2,7) nach derzeitigen Berechnungen tatsächlich keinen AfD-Sitz im Bundestag.
Der Berliner Parlamentsapparat der AfD dürfte durch viele in die zweite Legislatur gehende Abgeordnete jedenfalls recht eingespielt sein. Besonders alarmierend sind die AfD-Ergebnisse in den Ost-Bundesländern, wo zum Teil jede vierte, regional sogar jede dritte Stimme an die AfD gegangen ist.
Die Basis: Gelder aus staatlicher Parteienfinanzierung
Die NPD sammelte insgesamt 64.608 Stimmen, gleichbedeutend mit einem Stimmenanteil von 0,1 Prozent. Die nur punktuell kandidierende rechtsextreme Splitterpartei Der Dritte Weg kam mit 7.830 Stimmen auf umgerechnet 0,0 Prozent. In Sachsen gingen beide Parteien sogar das direkte gegenseitige Duell mit der AfD ein. Heraus kamen 0,3 Prozent für die NPD und 0,2 Prozent für den Dritten Weg.
Mit Interesse wird weiterhin auf das Abschneiden der rechtsoffenen und teils verschwörungsideologischen Partei aus Querdenker-Reihen Die Basis geschaut, die sich bundesweit breit aufgestellt hat. Sie erreichte 1,4 Prozent der Stimmen und kommt damit in den Genuss der Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung. Numerisch ausgedrückt waren das bundesweit 628.432 Zweitstimmen. An Erststimmen heimste man sogar 734.621 Stimmkreuze ein, was 1,6 Prozent ausmacht.
Die besten Ergebnisse gab es im „Querdenker“-Stammland Baden-Württemberg mit 1,9 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern unter dem aus Schleswig-Holstein kommenden Spitzenkandidaten Wolfgang Wodarg, früherer SPD-Gesundheitspolitiker im Bundestag, mit 1,8 Prozent, in Bayern mit 1,7 Prozent sowie in Sachsen-Anhalt und in Thüringen mit je 1,6 Prozent.