AfD-Thüringen goes Pegida
Bei ihrem vierten Aufmarsch in Erfurt hat die AfD im Freistaat erneut Zulauf erhalten. Die Polizei spricht von 8000 Personen, unabhängige Beobachter zählten zwischen 4500 und 5000 Teilnehmer.
Wenn die Thüringer „Alternative für Deutschland“ zu ihren wöchentlichen Aufzügen in Erfurt ruft, befinden sich seit dem ersten Aufmarsch auch viele Neonazis und extrem rechte Hooligans unter den Teilnehmern. Für die NPD ist es fast schon eine Normalität, sich erkennbar dem Aufzug anzuschließen, wie Patrick Weber vom NPD-Landesvorstand schreibt: „Selbstverständlich war auch die NPD in großer Zahl vertreten und ich bin froh das es immer mehr Menschen gibt die sich auf die Straße trauen, um diese asoziale Politik in diesem Land anzuprangern und abzuschaffen.“
Auch beim jüngsten Aufmarsch durfte der 1983 geborene Unternehmer mit seinen Parteianhängern und typischen NPD-Schildern nicht fehlen. Ihre Parolen wie „Grenzen sichern, Kriminalität bekämpfen“ oder „Sicher leben, Asylflut stoppen“ fügen sich in die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ein, die bei den wöchentlichen Aufzügen forciert wird. Doch Weber ist nicht allein, auch die extrem rechte Gruppierung „Patriotische Europäer sagen nein“ und das Organisationsteam des Rechtsextremisten-Netzwerks „Thügida“ marschieren bei der AfD in Erfurt mit. Sie hatten Anfang des Jahres versucht, mit ihren wöchentlichen Aufmärschen auf den fahrenden Pegida-Zug aufzuspringen, waren aber gescheitert. Nun wollen sie nicht fehlen, wenn in Erfurt die Anfänge eines Thüringer Pegida-Modells ihre Schatten voraus werfen.
„Volksverräter“, „Lumpenpack“ und „Lügenpresse“
Zugpferd dabei ist der Landeschef und Fraktionsvorsitzende der AfD, Björn Höcke, der im Januar den Pegida-Aufmarsch in Dresden besucht und nach eigenen Angaben von Pegida gelernt hat. Die Thüringer Landtagsabgeordneten der demokratischen Parteien bezeichnet er als „Demokratie-Verhinderer“ und wendet sich gegen das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Asyl. Auf der Bühne sagt er seinen Anhängern: „Der Rechtsanspruch auf Asyl kann in seiner jetzigen Form nicht aufrechterhalten werden". Damit schließt er sich dem AfD-Vorsitzenden in Brandenburg, Alexander Gauland, an. Auch der ist an diesem Mittwoch zu Gast in Erfurt und wiederholt seine Forderung, der Rechtsanspruch auf Asyl müsse vorübergehend ausgesetzt werden. Wer Gaulands Vorbild beim Umgang mit Flüchtlingen ist, wird schnell klar, als der Brandenburger AfD-Chef Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban mit seinen unmenschlichen Hass- und Hetzkampagnen für den Karlspreis vorschlägt. Mit der Auszeichnung werden besondere Verdienste um die europäische Einigung gewürdigt. Als dritter Redner tritt in Erfurt Armin Paul Hampel von der AfD Niedersachsen ans Mikrofon, immer wieder antwortet die Menge mit den inzwischen obligatorischen Rufen wie „Volksverräter“, „Lumpenpack“ und „Lügenpresse“.
Vor dem Hintergrund der AfD-Aufmärsche in Erfurt befürchtet die Mobile Beratung in Thüringen (Mobit), dass Menschen sich „in ihren Postings, Ansichten und ihrem Verhalten bei den Demonstrationen“ radikalisieren. Die AfD schlage dabei eine Brücke zu den rassistischen Kundgebungen und Aufmärschen, die in Thüringen seit Anfang des Jahres stark zugenommen haben. Bei der AfD demonstrierten Neonazis Seite an Seite mit Menschen „mit bürgerlichem Selbstverständnis und rassistischen Positionen, die mit Kundgebungen und Demonstrationen aus dem erkennbar extrem rechten Lager nicht mobilisiert werden können“. Die Neonazis würden diese Entwicklungen als Rückenwind für zunehmend militantere Aktionen interpretieren, befürchtet Stefan Heerdegen von Mobit. Zwar machten sie sich nicht mit den politischen Zielen der AfD gemein, nutzten jedoch deren Mobilisierungspotenzial. Bestärkt werden diese Befürchtungen durch die Entwicklungen seit den ersten Pegida-Aufmärschen im vergangenen Jahr. Hatte es in den drei Monaten vor Pegida bundesweit 33 Übergriffe auf Migranten und Flüchtlinge gegeben, wurden in den drei Monaten nach dem ersten Pegida-Aufzug 76 rassistisch motivierte Übergriffe Taten gezählt.
AfD-„Herbstoffensive“ in Magdeburg
In Erfurt macht die AfD in der kommenden Woche Pause und reagiert damit auf Andre Poggenburg, den Landessprecher der Partei in Sachsen-Anhalt. Zu Beginn der Veranstaltung übernahm er die Begrüßung und forderte die Anwesenden auf, am kommenden Mittwoch zu einem AfD-Marsch nach Magdeburg zu kommen. In dem ostdeutschen Bundesland wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt, nach einer kurzzeitigen Schwächung könnte die AfD in das Landesparlament einziehen. Auch hier profitiert die Partei in ihrer ausgerufenen „Herbstoffensive“ von den Diskussionen um steigende Flüchtlingszahlen.
In Thüringen mobilisiert die AfD am 21. Oktober auf den Erfurter Domplatz, dort soll dann auch die Bundesvorsitzende Frauke Petry reden. Nach anfänglicher Skepsis kommt die die promovierte Chemikerin inzwischen wohl auch innerparteilich nicht mehr an dem Thüringer Landesverband und seinem rechtsnationalen Vorsitzenden Höcke vorbei.