AfD-Spitze vor dem Show-down

Die AfD wählt am Wochenende bei einem Parteitag in Essen einen neuen Vorstand. Es ist auch eine Richtungsentscheidung: die AfD als konservativ-wirtschaftsliberale Kraft oder als Partei, die bei Bedarf weit nach rechts ausgreift.

 

Freitag, 03. Juli 2015
Rainer Roeser

Norbert Kleinwächter, Chef der AfD in Dahme-Spreewald, hatte eine Idee. Man möge doch, so sieht es sein Antrag für den Parteitag vor, Bernd Lucke und Frauke Petry „in Würdigung ihrer Leistungen“ zu Ehrenvorsitzenden ernennen. Unter einer Bedingung: Beide müssten diesmal bei der Vorstandswahl auf eine Kandidatur verzichten. Als kooptierte Mitglieder dürften sie dann sogar in der Spitze der Partei weiter mitdiskutieren, ginge es nach Kleinwächter. Aber – aus Schaden wird man etwas klüger –: ganz ohne Stimmrecht.

Kleinwächters Antrag ist eine der skurrilen Begleiterscheinungen des Essener Mega-Parteitags. Mehr als 4000 Mitglieder haben sich für das zweitägige Treffen angemeldet. Erwartet wird auf der Bühne der Gruga-Halle der Showdown zwischen Lucke und Petry, der sich wohl auch nicht mehr durch wohlmeinende Anträge aus der brandenburgischen Provinz vermeiden lässt. Zwei Züge rasen aufeinander zu, und wer da noch ins Gleisbett klettert und wild gestikulierend hofft, dass jemand die Notbremse zieht, wirkt hilflos bis lächerlich.

Immerhin ist kurz vor dem Parteitag etwas deutlicher geworden, mit welchen Personaltableaus die Kontrahenten ihren High Noon bestreiten. Lucke will Ulrike Trebesius an seiner Seite haben, Vorsitzende des von ihm initiierten „Weckruf“-Vereins und wie er Mitglied im EU-Parlament. Die politisch blasse Schleswig-Holsteinerin soll Petry aus der Spitze verdrängen. Zu Luckes Riege zählt zudem erwartungsgemäß Bernd Kölmel, auch er Abgeordneter in Brüssel. Als wichtigster Statthalter in Berlin und Generalsekretär soll Andre Yorulmaz dienen. Lucke preist ihn als potenziellen „Brückenbauer“ an. Tatsächlich ist der 32-Jährige aus Recklinghausen bisher weder durch besondere integrative Fähigkeiten in der chronisch zerstrittenen heimischen NRW-AfD aufgefallen, noch durch irgendwelche andere nennenswerte Beiträge in der internen Debatte.

Allerdings bringt er schon qua Person Pluspunkte für Lucke, der das Image der AfD aufhellen möchte: Kann eine Partei homophob sein, wenn ihr Generalsekretär schwul ist, kann sie ausländerfeindlich sein, wenn diese Spitzenkraft Sohn eines türkischen Vaters ist? Luckes Gegner haben sich freilich schon auf Yorulmaz eingeschossen. Doch weniger wegen familiärer Wurzeln oder des Privatlebens – mehr wegen seiner früheren Tätigkeit als Teamleiter eines umstrittenen Finanzvertriebs, die ihn angreifbar erscheinen lässt.

„Spektakulärster Parteitag nach dem 2. Weltkrieg“

Petrys Lager hat am Donnerstag die „Top 9“ seiner Kandidaten veröffentlicht. Wirklich überraschend ist keiner der Namen. Alexander Gauland und Beatrix von Storch gehören zum Team, dazu unter anderem Hessen-Chef Albrecht Glaser, Baden-Württembergs Landesvize Jörg Meuthen als Angebot für vorgeblich „Liberale“ und vom dezidiert rechten Flügel Julian Flak als Kandidat der „Jungen Alternative“.

Die Neuner-Liste hat einen Schönheitsfehler: Zu besetzen sind nicht neun, sondern 13 Vorstandsämter. Die Lücke füllten Petry-Anhänger, die unter dem Label „Initiative Bürgerliche AfD“ agieren. Sie haben sogar Flyer mit den Bildern der empfohlenen Kandidaten vorbereitet, auf dass das Fußvolk auch sicher weiß, für wen es zu votieren hat. Die Liste ist aufschlussreich, finden sich dort doch über die „Top 9“ hinaus gleich drei ausgewiesene Vertreter des Rechtsaußen-Flügels: Andre Poggenburg, Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt und Vertrauter des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke, Hans-Thomas Tillschneider, Sprecher der „Patriotischen Plattform“, sowie Martin Renner, AfD-Mitbegründer mit ausgeprägten Sympathien für die rechtspopulistische britische UKIP und derzeit für eine „Konservative Avantgarde“ in der Partei unterwegs.

Poggenburg im Übrigen kam die bemerkenswerte Formulierung in den Sinn, in Essen werde „wohl der größte und wahrscheinlich spektakulärste Parteitag nach dem 2. Weltkrieg stattfinden“. Zum Neonazi macht ihn auch eine solche formulierungstechnische Fehlleistung nicht. Aber die Frage, ob es neben dem Freud'schen Versprecher auch Freud'sche Verschreiber gibt, mag erlaubt sein. 

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