AfD-Parteitag im dritten Anlauf
Der Berliner Landesverband tagt Ende Januar offenbar in Brandenburg. AfD-Landeschef Georg Pazderski muss um sein Amt fürchten.
Zuletzt hatte die Berliner AfD nicht viel Glück mit ihren Landesparteitagen. Ein für den 1. September geplantes Treffen ihrer Mitglieder musste sie kurzfristig wieder absagen. Im Gemeinschaftshaus Lichtenrade hatte die Partei unter anderem ein Schiedsgericht wählen wollen. Doch die zuständige Bezirksverwaltung Tempelhof-Schöneberg in Berlin sagte ihr ab, weil ihre Räume nur an Gruppen aus dem Bezirk vermietet werden, nicht aber an deren Landesverbände. AfD-Pressesprecher Ronald Gläser schimpfte über die „stalinistische Willkür im freiesten deutschen Staat, den wir je hatten“. Die AfD zog vors Verwaltungsgericht, unterlag dort aber – und musste die Veranstaltung canceln.
Nur noch Notvorstand ab Neujahrstag
Für Anfang November plante die Partei einen weiteren Versuch. Diesmal sollten neben den Parteirichtern auch die Mitglieder eines neuen AfD-Landesvorstands bestimmt werden. Doch auch dieser Termin platzte. Nach eigenen Angaben hatte die AfD weder in Berlin noch im Umland der Bundeshauptstadt geeignete Räume finden können. Rund 100 Absagen habe es gegeben, klagte Landeschef Georg Pazderski vor den Medien. Die Berliner AfD braucht Platz und kann nicht jeden Saal nehmen: Rund 1600 Mitglieder dürfte der Landesverband derzeit zählen, von denen drei-, vierhundert zu einem Parteitag erwartet werden.
Im dritten Anlauf soll es nun aber klappen. Für den 25. und 26. Januar 2020 ist der Parteitag geplant. Einem Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ zufolge weicht die Berliner AfD ins Nachbarland Brandenburg aus – in die westlich von Spandau gelegene 45.000-Einwohner-Stadt Falkensee im Landkreis Havelland. Der Termin ist überfällig. Am 31. Dezember endet das Mandat des im November 2017 gewählten Landesvorstands. Nur noch ein sechsköpfiger Notvorstand wird ab dem Neujahrstag im Amt sein. Eingesetzt wurde er von einem seinerseits nur kommissarischen Landesschiedsgericht, dessen Mitglieder nicht gewählt, sondern lediglich vom Bundesschiedsgericht ernannt worden sind.
Desaströse Umfragewerte
Für die Miseren der Berliner AfD macht deren rechtes Lager vor allem Landeschef Georg Pazderski (68) verantwortlich. Ihm droht das Ende an der Spitze der Landespartei. Ungemach bereiten ihm zum einen die Berliner Statthalter von Björn Höckes „Flügel“-Gruppe. Wenn die Partei-Rechtsaußen gegen die „Halben“ in der AfD wettern, die allzu intensiv auf Ministerposten schielen, haben sie nicht zuletzt Leute wie Pazderski im Sinn. Umgekehrt zählte der Berliner Landeschef im Sommer zu den Unterzeichnern des gegen Höcke gerichteten „Appells der 100“. Angelastet wird ihm zudem seine Zurückhaltung im Landtagswahlkampf der „Flügel“-dominierten Brandenburger AfD.
Noch gefährlicher aber könnten Padzerski die Kritiker werden, die nicht zwingend zum „Flügel“ zählen. Sie fragen, woran es liegt, dass die AfD in Berlin bei der Sonntagsfrage zuletzt auf lediglich elf Prozent taxiert wurde, drei Prozent weniger als bei der Wahl des Abgeordnetenhauses im September 2016 und auch deutlich hinter den bundesweiten Umfragewerten der AfD. Und sie fragen, ob es auch mit der Landesspitze zu tun hat, wenn die Partei bei Wahlen in der Hauptstadt zuletzt sogar unter der Zehn-Prozent-Marke blieb – wie bei der Europawahl im Mai geschehen.
Zwischen Widerspruch und Anpassung
Als potenzieller Gegenkandidat Pazderskis gilt seit Monaten der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio. An der Basis der Partei wird er wegen seiner radikalen Auftritte im Bundestag geradezu geliebt, während Pazderski bestenfalls distanzierten Respekt genießt. AfD-Fans und -Mitglieder verbreiten in den sozialen Medien begeistert Curios Reden – was sich von Pazderski-Mitschnitten aus dem Abgeordnetenhaus fürwahr nicht sagen lässt. Die einfachen und rabiaten Ansagen Curios hier und langatmige Strategiepapiere aus Pazderskis Feder auf der anderen Seite: Der Amtsinhaber muss sich Sorgen machen. Das Ergebnis eines Landesparteitag im Mai könnte ihn nachdenklich stimmen. Seinerzeit hatten die Mitglieder ihre Delegierten für den Bundesparteitag gewählt. Curio kam auf den ersten Platz. Weit abgeschlagen belegte Pazderski Rang neun.
Wie manche andere Nationalkonservative in der AfD leitet Padzerski ein ambivalentes Verhalten zwischen Widerspruch und Anpassung: Widerspruch gegen die offen rechtsradikalen Teile der Partei, wie sie im „Flügel“ beheimatet sind, und zugleich Anpassung an die Radikalisierung der AfD, die auch ohne „Flügel“ vonstatten gehen kann. Der gebürtige Pfälzer hat eine solche Radikalisierung mit Strategiepapieren begleitet und nicht selten sogar mit vorbereitet. So konnte er die Jahre überdauern: Noch unter Bernd Lucke leitete er die Bundesgeschäftsstelle der Partei. Von 2015 bis Ende November gehörte er dem Bundesvorstand an, erst zwei Jahre als Beisitzer, dann ab 2017 als Parteivize. Seit Februar 2016 ist er Landessprecher in Berlin.
Pleite beim Bundesparteitag
Als Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus wurde Pazderski zwar im September mit 17 von 22 Stimmen im Amt bestätigt. Doch in der Partei schlägt ihm Misstrauen entgegen. Ihm sei es sehr gelegen gekommen, dass der Parteitag im November ausfiel, wurde gar gemutmaßt. Er habe seine Chancen, als stellvertretender Bundessprecher wiedergewählt zu werden, nicht durch ein schwaches Ergebnis oder gar eine Abwahl auf Landesebene nicht mindern mögen.
Sollte der Oberst a. D. so kalkuliert haben – was er bestritt –, hätte er sich gehörig verschätzt gehabt. Denn ganz unabhängig von Berliner Entwicklungen oder Taktierereien musste er beim Bundesparteitag in Braunschweig erfahren, was geschieht, wenn man sich zu offen mit dem „Flügel“ anlegt. Es erging ihm wie anderen aus dem vorgeblich „gemäßigten“ Lager. Wie Albrecht Glaser, Kay Gottschalk, Uwe Junge oder Dana Guth fiel Padzerski bei den Wahlen durch. Als Parteivize nicht bestätigt, trat er zur Wahl eines einfachen Vorstandsmitglieds nicht mehr an. Nun muss er sogar in Berlin fürchten.