AfD: Neu-Abgeordnete mit rechter Schlagseite

Die AfD zieht mit 19 Sitzen ins Wiesbadener Parlament ein. Ihrem Spitzenkandidaten Rainer Rahn gelang es, das Bild eines gemäßigten Landesverbands zu zeichnen. Dabei halten einige Abgeordnete in spe Kontakt zu rechtsextremen Gruppierungen: Andrea Walter aus Rüsselsheim besuchte offenbar in der Vergangenheit Vorträge von ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS.

Dienstag, 30. Oktober 2018
Fabian Jellonek

Am Ende holte die AfD in Hessen 13,1 Prozent der Wählerstimmen. Ein Ergebnis, mit dem die Partei zufrieden war. Umfragen hatten sie zwischenzeitlich höher bewertet. Aber die Partei steckt auf Bundesebene mitten in einer Auseinandersetzung über Konsequenzen aus einer drohenden Überwachung durch die Verfassungsschutzämter. Zudem konnte der Spitzenkandidat Rainer Rahn wenig Euphorie erzeugen. Als „lustlos“ beschrieb der „Spiegel seine Wahlkampfführung. Unter anderem hatte Rahn einen Drehtermin des „Hessischen Rundfunks während der Anfahrt zum Drehort platzen lassen.

Die weitgehend emotionslos vorgetragenen Reden des Spitzenkandidaten verdecken mitunter die rechtslastigen Inhalte. Deutschland sei, so formulierte es Rahn beim Bundesparteitag der AfD in Augsburg, „Importweltmeister für fremde Kulturen, Terror und Kriminalität“. Trotz solchem Gedankenguts gelang es dem Doppel-Dr. seine Kandidatur und die Landesliste als “gemäßigt“ zu verkaufen.

Enge Verbindungen zu „Identitären“

Dabei werden die 19 Sitze der AfD im zukünftigen hessischen Landtag keineswegs nur von überzeugten Anhängerinnen und Anhängern demokratischer Werte besetzt. Vielen bekannt sind beispielsweise die engen Verbindungen zwischen AfD-Mann Andreas Lichert und der „Identitären Bewegung“ im Raum Halle. Auch zum neurechten Institut für Staatspolitik unterhielt Lichert einen direkten Draht. Er nahm beispielsweise an einer Podiumsdiskussion des Kubitschek-Instituts teil, auf dem er unter anderem mit dem österreichischen Kader der „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, diskutierte. Wenige Wochen vor der Wahl war Lichert darum bemüht, alle formalen und organisatorischen Kontakte zu den Gruppen aufzugeben.

Aber auch weniger profilierte Kandidaten der Landesliste offenbaren anti-demokratische Haltungen. Über das zwölfte Ticket bezieht die Rüsselsheimerin Alexandra Walter zukünftig einen Sitz im Landesparlament. Auf Facebook formuliert die Neu-Parlamentarierin insbesondere in Bezug auf die deutsche Geschichte abgründige Positionen. Sie kommentierte beispielsweise ein Bild des Accounts „Traditionsbuchreihe“. Auf dem Bild sieht man einen alten Mann an einem Wohnzimmertisch. Er trägt das Sweatshirt einer trendigen Marke, die derzeit vor allem junge Menschen im rechten wie im linken Spektrum tragen. Vor ihm liegt ein Stapel Autogrammkarten, die er unterzeichnet. Die Autogrammkarten zeigen ihn in jungen Jahren  –  nicht etwa in einem Fußballtrikot, sondern in einer Uniform der Waffen-SS.

Geschichtsrevisionistisches Weltbild?

Der Mann heißt Dries Coolens, ist belgischer Staatsbürger und schloss sich während des Zweiten Weltkriegs als Freiwilliger der Waffen-SS an. Heute wird er in rechtsextremen Kreisen verehrt. Diese Verehrung teilt offenbar auch Alexandra Walter, denn ihr Kommentar zum Bild lautet: „Klasse! Habe ihn bei einer Vortragsveranstaltung hören dürfen. Ein toller Mensch, der viel zu erzählen hat.“ Sitzt für die AfD also zukünftig eine Frau im Parlament, die Vorträge von ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS besucht und lobende Worte für diese findet?

Vieles deutet daraufhin, dass die AfD eine Abgeordnete in den Landtag schickt, die ein geschichtsrevisionistisches Weltbild hat: Ein weiterer Kommentar von Walter findet sich unter einem Eintrag des AfD-Kreisverbands Offenbacher Land. Der ist Experten in der Region für seine kruden Thesen zur deutschen Geschichte bekannt. In diesem Posting geht es um die Versenkung der „Wilhelm Gustloff“ durch russische Torpedos. Ein Besucher der Seite kritisiert diese Darstellung und Inszenierung von deutschen Opfern. Er merkt an, dass Deutschland während des Krieges Millionen von Menschen in Russland ermordet hätte. Daraufhin wird Walter deutlich: „waren sie bei den angeblichen Verbrechen, die sie anprangern dabei? Kommunist!“, richtet sie an ihren Vorredner.

Lachende Smileys für Neonazi-Video

Auch die Gegenwart nimmt Walter anders wahr, als viele Menschen im Land. Unter einem Videobeitrag von RT diskutiert sie mit anderen Usern. Auf Englisch schreibt sie, man solle keine Rücksicht darauf nehmen, wenn internationale Medien einen als Nazi charakterisieren würden, denn „die ganze Welt lacht uns aus, weil wir so eine Horde von Sissies sind. Ein guter Ruf beruht nicht auf Schwäche und Unterwerfung“. Man unterstellt ihr sehr wahrscheinlich nichts Falsches, wenn man davon ausgeht, dass der Ausdruck „Sissies“ aus ihrer Tastatur weder wertfrei noch lobend ist. Im weiteren Verlauf der Diskussion schwadroniert sie auch über einen bald bevorstehenden Bürgerkrieg in Deutschland.

Kommentare von Walter finden sich auch unter einem Video des Dortmunder Neonazis Michael B. Im Video verfolgt B. zwei Journalistinnen, weil ihm deren Berichterstattung über eine Neonazi-Demo nicht passt. Die beiden Frauen fliehen schließlich vor ihm in einen Supermarkt. Alexandra Walter, zukünftig im Landtag Hessen, findet das witzig und postet dazu lachende Smileys.

Ähnlich wie Lichert scheint auch Walter nicht viel auf den Unvereinbarkeitsbeschluss zur „Identitären Bewegung zu geben. Der Wiesbadener Rechercheblog „rewiu“ fand im Netz Bilder von Walter bei einem Besuch der diesjährigen Buchmesse. Mit auf dem Selfie: Eine Aktivistin der „Identitären Bewegung“ aus dem Raum Bonn.

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