AfD nach ersten Landtagswahlen: Auf Schrumpfkurs
Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg kam die AfD auf 9,7 Prozent, in Rheinland-Pfalz auf 8,3 Prozent. Minus 5,4 Prozent hier, minus 4,3 Prozent dort: Die rechtsradikale Partei war die Verliererin des Wahlsonntags.
Vor fünf Jahren war es eine der großen Überraschungen, dass die AfD in Baden-Württemberg zwei Wahlkreise direkt gewinnen konnte. In Pforzheim gelang ihr das mit immerhin 24,2 Prozent und dem landesweit besten Ergebnis. Gestern Abend stand den AfD-Mitgliedern in der Stadt am Rande des Schwarzwalds der Sinn nicht nach Feierlichkeiten. Und das lag nicht nur an Corona. 8,4 Prozent verlor die Partei dort. Statt das Mandat direkt zu holen, langte es am Ende lediglich für Platz vier hinter Grünen, CDU und FDP. Nur noch für den vierten Rang reichte es auch in Mannheim I, dem zweiten Wahlkreis, der vor fünf Jahren an die AfD gegangen war. Dort schrumpfte die Partei sogar von 23,0 auf 12,7 Prozent.
Auch landesweit verlor die Partei drastisch. Hatten 2016 noch knapp 810.000 Bürger:innen für die AfD votiert, waren es diesmal nur rund 473.000. Infratest dimap zufolge verlor die AfD vorherige Wähler:innen an alle anderen Parteien, besonders deutlich freilich ans Lager derer, die zu Hause blieben und auch nicht per Brief abstimmten. Als auch der letzte der 70 Wahlkreise seine Ergebnisse nach Stuttgart gemeldet hatte, wurden landesweit 9,7 Prozent notiert. 2016 hatte die AfD im Südwesten mit 15,1 Prozent ihr bis dato höchstes Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland erzielt. 23 Abgeordnete konnte sie damals in den Landtag schicken. Diesmal sind es, obwohl das Parlament wegen der Überhang- und Ausgleichsmandate größer wird, nur 17: eine Frau und 16 Männer.
„Flügel“-Schläge
Wiedergewählt wurden unter anderem Fraktionschef Bernd Gögel und sein Dauergegenspieler, der „Flügel“-nahe Rottweiler Abgeordnete Emil Sänze. Der Konflikt zweier Lager dürfte der Fraktion folglich erhalten bleiben. Auf eine – nach AfD-Maßstäben – prominente Unterstützerin wird Sänze allerdings verzichten müssen: Christina Baum, wohl bekannteste Vertreterin des „Flügels“ in Baden-Württemberg, scheiterte. Im heimischen Wahlkreis Main-Tauber kam sie lediglich auf 10,7 Prozent (minus 6,5 %) – zu wenig für eines der begehrten Zweitmandate.
Derweil wird sich ein anderer Vertreter des rechtsradikalen Flügels voraussichtlich komplett aus der AfD verabschieden. Dubravko Mandic, Rechtsanwalt, Ratsmitglied in Freiburg und Wahlkreiskandidat in Lörrach, kündigte dies am Wahlabend an: Wenn das Landesschiedsgericht im laufenden Verfahren seinen Ausschluss beschließe, werde er dagegen „eher keine Rechtsmittel“ beim Bundesschiedsgericht einlegen. Wer die Schuld am Wahldebakel trägt, ist für ihn klar: „Meuthen und andere sogenannte liberale Mitglieder haben uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Die AfD verfolge mittlerweile einen Kurs der Anbiederung. Mandic hatte in Lörrach 7,9 Prozent geholt. Vor fünf Jahren war der AfD-Kandidat dort auf 13,2 Prozent gekommen.
Pleite in Mainz
Ihre höchsten Ergebnisse holte die AfD in Pforzheim (15,8 %) und Hohenlohe (14,1 %). In Stuttgart I (3,3 %) und Stuttgart II (4,9 %) verfehlte sie hingegen sogar die Fünf-Prozent-Marke, die sie in Freiburg II (5,1 %) und Heidelberg (5,2 %) nur mit Mühe übertraf.
Um mehr als ein Drittel schrumpfte auch das Ergebnis im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz. Auf 8,3 Prozent kam die AfD, nachdem sie 2016 noch 12,6 Prozent geholt hatte. 14 Mandate errang die Partei 2016. Diesmal sind es lediglich neun: Acht Männer und eine Frau standen auf den ersten Plätzen der Landesliste. Ihre besten Ergebnisse holte die AfD in Germersheim mit 14,1, Ludwigshafen II mit 13,0, Pirmasens mit 12,1 und Ludwigshafen I mit 12,0 Prozent. Am schwächsten schnitt sie in den drei Mainzer Wahlkreisen ab (3,4, 5,0 und 5,2 %).
Hemmschuh Corona
Für das dürftige Abschneiden machten Politiker:innen der AfD einerseits Corona, andererseits die Diskussion über eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz verantwortlich. Corona vor allem, weil Zeiten der Krise vor allem Zeiten der Exekutive sind – oder wie Gögel sagte: „Da versammeln sich die Wähler doch eher hinter den Agierenden und hinter den Regierenden.“
Michael Frisch, Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, sah das ähnlich. In der Corona-Pandemie sei die AfD als Oppositionspartei kaum vorgekommen. Das habe es der AfD schwer gemacht, ihre Botschaften an die Wähler heranzutragen. Ganz anders sah dies ihm zufolge vor fünf Jahren aus: „Wir waren auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise – das hat uns damals einen unglaublichen Zulauf bei den Wählern gebracht.“ Der AfD sind die (alten) Themen abhanden gekommen, und beim potenziellen (neuen) Megathema Corona dringt sie nicht durch, falls sich Pandemie-Verharmloser und Pandemie-Verleugner und aktuell die Gegner der Impfstrategie sowie die Impfgegner aus Prinzip überhaupt einmal auf eine gemeinsame Linie verständigen können.
„Verfassungsschutz auf den Hals gehetzt“
Zur inhaltlichen Schwäche kommt das Problem des Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. „Völlig rechtswidrig“ sei der AfD der Verfassungsschutz „auf den Hals gehetzt“ worden, „um uns auch hier in die bestimmte Ecke zu stellen“, klagt Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Landeschefin der Südwest-AfD. Bundessprecher Jörg Meuthen sagt, auch wenn das Gericht den Verfassungsschutz vorerst gestoppt habe, „die Wähler assoziieren mit der AfD jetzt aufgrund der breiten Berichterstattung die Verfassungsschutzbeobachtung“.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sagten in einer Umfrage 80 Prozent aller Befragten, die AfD distanziere sich nicht genug von rechtsextremen Positionen. Sogar unter den eigenen Wähler:innen im Südwesten meinen das 37 Prozent. In Rheinland-Pfalz liegt dieser Wert bei 33 Prozent. Man könnte die Zahlen so interpretieren, dass sogar in der eigenen Klientel Zweifel an der demokratischen Lauterkeit ihrer Partei existieren. Man kann sie aber auch anders verstehen: dass sogar jene AfD-Wähler:innen, die zumindest das Problem einer Rechtsextremismus-Affinität der Partei erkennen, sich dadurch von der Stimmabgabe für diese Partei nicht abhalten lassen. Und weitergedacht: dass ein gehöriger Teil ihrer Stammwählerschaft nicht trotz, sondern wegen ihrer Extremismusnähe und Rechtsradikalität die Kreuzchen bei der AfD setzt.