„Desiderius-Erasmus-Stiftung“
AfD mit Teilerfolg für Stiftungsgelder
Mit seiner Entscheidung im von der AfD angestrengten Hauptsacheverfahren hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis der Finanzierung parteinaher Stiftungen gekippt. Die Karlsruher Richter entschieden, dass Stiftungsförderung ohne Fördergesetz verfassungswidrig ist. Die AfD hatte geklagt, weil die ihr nahestehende „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ bislang keine Gelder bekam. Damit nimmt die Frage nach einem Stiftungsgesetz wieder an Fahrt auf.
Es geht um viel Geld, sehr viel Geld. Schätzungsweise etwa 70 Millionen Euro pro Jahr stünden der "Desiderius-Erasmus-Stiftung" (DES) aus Steuermitteln zu, wenn es nach der AfD geht. Sie hatte vor dem höchsten deutschen Gericht dagegen geklagt, dass die ihr nahestehende Stiftung bislang kein Geld aus dem Bundeshaushalt bezieht. Die anderen Parteien im Bundestag enthielten der DES die Gelder mit der Begründung vor, sie sei nicht verfassungstreu. Mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag 2021 aber stehe ihrer parteinahen Stiftung nach bisheriger Praxis ein Anspruch auf Förderung zu. Die DES wurde bisher per Vermerk im Haushaltsgesetz von einer Förderung ausgeschlossen. Eine richtige Gesetzesgrundlage aber gibt es nicht, denn ein transparentes Stiftungsgesetz fehlt.
In ihrer Entscheidung über den AfD-Antrag, der sich auf den Erlass des Haushaltsgesetzes 2019 bezog, sehen die Richter*innen des Zweiten Senats in Karlsruhe die politische Chancengleichheit der AfD für das Haushaltsjahr 2019 verletzt. Für den Ausschluss von der staatlichen Finanzierung reiche ein Haushaltsbeschluss nicht aus. Es brauche unbedingt ein eigenes Gesetz, das die Stiftungsförderung regelt. Den Antrag, der die Nichtberücksichtigung der DES im Bundeshaushaltsgesetz 2022 betrifft, wurde vom Verfahren abgetrennt. Die übrigen Anträge der AfD verwarf der Senat als unzulässig.
Entscheidung aus dem Jahr 1986
Momentan werden die parteinahen Stiftungen in Deutschland mit 660 Millionen Euro pro Jahr unterstützt. Dazu gehören die Friedrich-Ebert-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Wie viel Geld welche Stiftung erhält, wird bislang in den Haushaltsverhandlungen des Bundestages festgesetzt. Die exakte Höhe der Förderungen hatten die Vertreter*innen der Stiftungen bislang mit einem Verteilungsschlüssel ermittelt, der unter anderem die Zweitstimmenwahlergebnisse der nahestehenden Parteien bei Bundestagswahlen berücksichtigt.
Die DES wurde bisher per Vermerk im Haushaltsgesetz ausgeschlossen. Eine richtige Gesetzesgrundlage aber gibt es nicht, denn ein transparentes Stiftungsgesetz fehlt. Nach bisheriger Praxis steht der AfD-nahen Stiftung ein Anspruch auf Förderung mit dem Wiedereinzug in den Bundestag zu. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 1986 entscheiden, „alle dauerhaft, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik“ seien bei der Mittelvergabe angemessen zu berücksichtigen sind. Damit gemeint sind die Parteien, die seit „mehr als einer Legislaturperiode“ im Bundestag vertreten sind. Diese bislang einzige Entscheidung zum Thema aus Karlsruhe stand aktuell vor Gericht ebenso zur Disposition wie das Haushaltsgesetz des Bundes und das grundgesetzlich festgelegte Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien.
Frühere Klagen abgewiesen
Vorausgegangen waren Klagen von AfD und DES vor dem Verwaltungsgericht Köln und dem Bundesverfassungsgericht. Dort ging es vor allem um die Zeit vor der Bundestagswahl im September 2021. Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht wurden abgewiesen oder scheiterten ebenso wie die Eilanträge im Organstreitverfahren gegen den Deutschen Bundestag, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung, das Bundesinnenministerium das Bundesfinanzministerium. Ende Juli entschieden die Richter, die AfD habe nicht ausreichend dargelegt, dass das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien auch die vorläufige Anordnung von Zahlungspflichten zugunsten ihrer nahestehenden Stiftung umfasse.
Eine mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren des Organstreitverfahrens hatte Ende Oktober 2022 vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts stattgefunden. Neben der Befragung zur inhaltlichen Ausrichtung der DES und ihres Personals wurde hier mit der Befragung von Vertreter*innen anderer Stiftungen auch die die Frage nach der Nähe zwischen den politischen Stiftungen und ihren Parteien thematisiert. Denn in seinem Urteil aus dem Jahr 1986 hatte das Gericht entschieden, die Verteilung staatlicher Gelder an parteinahe Stiftungen sei grundsätzlich dann keine Form der unzulässigen Parteienfinanzierung, wenn die Stiftungen rechtlich und organisatorisch von den ihnen nahestehenden Parteien unabhängig seien. Sie dürften nicht die politischen Ziele der jeweiligen Parteien durchsetzen, sondern müssten die politische Bildung fördern.