Dauerbefangenheit?

AfD-Mann Jens Maier darf wieder Recht sprechen - vorerst

Seit der Bundestagswahl beschäftigt die Debatte darüber, ob der Rechtsextremist Jens Maier wieder als Richter tätig sein darf, Öffentlichkeit und Justiz. Nachdem der AfD-Mann nicht mehr ins Parlament gewählt wurde, will er nun wieder an einem Gericht Recht sprechen.

Montag, 14. März 2022
Michael Klarmann
Jens Maier gemeinsam mit Lutz Bachmann auf der Bühne bei einer Pegida-Demo, Foto: Screenshot
Jens Maier gemeinsam mit Lutz Bachmann auf der Bühne bei einer Pegida-Demo, Foto: Screenshot

Weil Maier vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, will Sachsens Justizministerium den 60-Jährigen jedoch in den Ruhestand versetzen. Gleichwohl hat er an diesem Montag seine Arbeit am Amtsgericht Dippoldiswalde vorerst wieder aufgenommen. Hintergrund ist eine bei seinem Dienstgericht anhängige Entscheidung, die sich aber laut Pressemitteilung vom Landgericht Leipzig aus „prozessualen Gründen“ verzögert.

Grund für die formaljuristischen Verzögerungen ist, dass Maier sich gegen seinen Ruhestand wehrt und in dem Rechtsstreit durch den Szeneanwalt Jochen Lober aus Köln vertreten lässt. Ihm muss Akteneinsicht gewährt werden und der Jurist will sich in dem Verfahren erst dann äußern. Solange das nicht geschehen sei, könne die zuständige Kammer keine Entscheidung treffen, teilte die Presseabteilung am Leipziger Landgericht am Freitag mit. Maier kann also ab Montag wieder Recht sprechen im Namen des Volkes und Staates, der ihn als verfassungsrechtlich höchst bedenklich einstuft.

Maier hatte ein Herz für die NPD-„Kameraden“

Wiederholt geriet der frühere Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete wegen seiner Aussagen in die Schlagzeilen, gleichwohl auch in seiner Rolle als Richter. Als solcher entschied Maier 2016 in einem Eilverfahren auf Antrag der NPD, dass der Wissenschaftler Steffen Kailitz mehrere Thesen über die NPD nicht mehr öffentlich verbreiten dürfe. Der renommierte Extremismusforscher hatte seine Aussagen schon im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen. Maier hatte die Entscheidung als Einzelrichter getroffen, da die eigentlich zuständige Kammer seinerzeit nicht beschlussfähig war. Maiers Beschluss kassierte die voll besetzte Kammer später allerdings. Im Hauptsacheverfahren wurde die Klage der NPD im April 2017 abgewiesen.

Im Januar 2017 hatte Maier in Dresden Schlagzeilen im Windschatten einer umstrittenen Rede des AfD-Mannes Björn Höcke gemacht. Im Ballhaus Watzke fand seinerzeit eine Art überdachte „Pegida“-Versammlung auf Einladung der AfD-Jugend statt. Vor Höcke hatte der damalige Dresdener AfD-Direktkandidat für die Bundestagswahl gesprochen. Maier, seinerzeit noch Richter am Landgericht, hatte auf die „Umerziehung“ der Deutschen geschimpft und den „Schuldkult“ seit Ende des Zweiten Weltkrieges „für endgültig beendet“ erklärt. Über das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren amüsierte sich Maier und äußerte den Verdacht, dass er davon ausgehe, „dass viele von den Kameraden [bei der NPD] jetzt am feiern sind“.
Neustart oder Ruhestand?

Nun könnte der Ex-Parlamentarier allerdings vor der Rückkehr in den Richterberuf stehen. Maier saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag und wurde dem rechtsextremen „Flügel“ um Höcke zugerechnet. Nachdem er nicht wiedergewählt wurde, stellte er einen Antrag auf Rückführung in das frühere Dienstverhältnis. Das steht ihm laut Abgeordnetengesetz zu. Das sächsische Justizministerium hat sich dagegen gewehrt, wogegen sich nun auch Maier rechtlich zur Wehr setzt.

Doch weder im Hauptsache-, noch im Eilverfahren kann die zuständige Kammer laut Pressemitteilung vor dem 14. März entscheiden. Nach dem entsprechenden Paragrafen des Richtergesetzes kann ein Richter jedoch dann in den Ruhestand versetzt werden, „wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden“.

Justizkrise dank Maier?

Eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege bedeutet, dass bei einem Richter aufgrund seines Verhaltens die Verfassungstreue, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität in Frage stünden und so die Gefahr einer „Justizkrise“ bestehe. Die „Neue Richtervereinigung“ (NRV)  hatte schon im Januar darauf hingewiesen, dass Maier als Richter höchst problematisch sein könnte. Ruben Franzen, Sprecher der Landesgruppe Sachsen der NRV, erinnerte daran, dass Richter als objektiv handelnde Menschen angesehen werden müssten.

Es gehe also darum, ob eine Person für das Richteramt grundsätzlich geeignet sei, so Franzen. Ein Rechtsstaat dürfe nicht zulassen, dass die Beteiligten eines Gerichtsverfahrens etwa wegen ihrer Herkunft oder ihrer politischen oder religiösen Meinung „Auswirkungen“ befürchten oder sogar erleiden müssten. „Noch bedenklicher ist es, dass möglicherweise ein anderer Verfahrensbeteiligter Vorteile davon haben könnte, der ‚richtigen‘ Gesinnung zu sein“, teilte Franzen im Januar zudem mit. Zwar gebe es für Prozessbeteiligte die Möglichkeit, im Einzelfall Richter mittels Befangenheitsantrag abzulehnen. Drohe dies allerdings bei einem Einzelrichter zu einem Art Dauerzustand zu werden, so Franzen weiter, könne dies zugleich andere Gerichte lähmen, die über eine Vielzahl von Befangenheitsanträgen entscheiden müssten.

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