AfD-Landeschefin ohne Partei
Das Bundesschiedsgericht der AfD hat die umstrittene schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen. Damit wurde einem Antrag des AfD-Bundesvorstandes stattgegeben.
Die 64-Jährige will sich mit der Entscheidung jedoch nicht abfinden und nach eigenen Angaben vors ordentliche Gericht ziehen. Ihre Nähe zu dem vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Verein „Gedächtnisstätte e.V.“, der Geschichtsrevisionisten bis hin zu Holocaust-Leugnern ein Betätigungsfeld und einen Ort im thüringischen Guthmannshausen bietet, hält als Begründung für ihren Rauswurf her. Der Verein steht bei der AfD seit 2015 auf der so genannten „Unvereinbarkeitsliste.“
Doris von Sayn-Wittgenstein, die der völkisch-nationalen Parteiströmung „Flügel“ zuzurechnen ist, sieht sich hingegen einer angeblichen Verleumdung ausgesetzt. Für sie macht es einen Unterschied, ob sie Kontakte zum Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ pflegt oder ob sie dort Mitglied ist, was sie abstreitet. Entsprechende Einlassungen, die auch zu ihrem Ausschluss aus der schleswig-holsteinischen AfD-Landtagsfraktion geführt haben, will sie nie gemacht haben. Da stehen sich Aussage gegen Aussage gegenüber.
Interner Machtpoker geht weiter
Und von Sayn-Wittgenstein, die entsprechend Veröffentlichungen der „taz“ in sozialen Medien mit Vertretern der rechten Szene im Kontakt steht, lässt es bewusst auf eine Machtprobe in der Partei ankommen. So legte sie nach ihrem Fraktionsausschluss am 4. Dezember 2018 ihr Amt als Landesvorsitzende nieder, um in der Parteiausschlussfrage am 29. April zunächst zu punkten, als nämlich das von ihr angerufene Landesschiedsgericht den Ausschluss durch den Bundesvorstand als nichtig erklärte. Mit diesem Rückenwind entschloss sich die Schleswig-Holsteinerin, bei einem Parteitag Ende Juni erneut zu kandidieren. Und sie wurde dann sogar an die Spitze gewählt. Zumindest im bundesweit unbedeutenden Landesverband hat sie noch eine Hausmacht. Sie reklamiert im Übrigen als ihren Verdienst, dass sich die Mitgliederzahl im Landesverband in ihrer Amtsperiode um rund 180 Neueintritte auf über 1100 positiv gestaltet habe.
Mit dem am heutigen Mittwoch mitgeteilten Rauswurf geht der interne Machtpoker dennoch weiter. Heißt es von der AfD, der Posten des Landesvorsitzes bleibe bis zu einer nächsten Nachwahl vakant und die Amtsgeschäfte würden von den bisherigen Stellvertretern Joachim Schneider und Roland Kaden wahrgenommen, pocht von Sayn-Wittgenstein auf Fortführung ihrer Rolle als Landesvorsitzende. Sie verweist gegenüber dem NDR auf die Satzung, demnach sei dort nicht vorgeschrieben, dass der Landesvorsitz an eine Parteimitgliedschaft gekoppelt ist: „Wir haben keinen Passus, wonach ich nur Vorsitzende sein kann, wenn ich Mitglied bin.“
Rote Linie überschritten
Das ist dann wohl mal eine nächste interne Kampfansage, die sich auch gegen den Fraktionsvorsitzenden Jörg Nobis richtet, der den Parteiausschluss begrüßte. Er sagte: „Für die Mitglieder der AfD gibt es eine rote Linie, deren Überschreitung stets zum Ende der Mitgliedschaft führt – unabhängig davon, welche Funktion oder welches Amt ein Mitglied in der Partei gerade innehat. Dass Doris von Sayn-Wittgenstein diese rote Linie überschritten hat, ist (...) offensichtlich.“ AfD-Mitglied Karl-Heinz Lenz, der mit seinen populistischen Kommentaren fleißig soziale Medien bedient, schreibt aktuell: „AfD-Landesvorsitzende will trotz Parteiausschluss weiter im Amt bleiben. In einem Mitgliederscheiben verbreitet sie abenteuerliche Verschwörungstheorien, über die man nur noch den Kopf schütteln kann.“
Bereits am morgigen 29. August fällt im „Kapitel Sayn-Wittgenstein“ eine weitere Entscheidung. Dann will das Landesverfassungsgericht in Schleswig verkünden, ob ihr Ausschluss aus der AfD-Landtagsfraktion rechtens war. Bei der Anhörung zu dem Fall in Schleswig hat sich von Sayn-Wittgenstein von Anwalt Dubravko Mandic (AfD) aus Freiburg vertreten lassen, der innerhalb der Partei ebenfalls als ein nationaler „Rechtsausleger“ gilt.
„Handwerkliche Fehler“ im Landesverband
Die Querelen im nördlichsten Landesverband sind damit aber insgesamt in keiner Weise befriedet. Auf dem Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) Ende Juni musste sich Nobis mit seinen drei weiteren Fraktionsmitgliedern anhören, dass sie eine zu geringe Mandatsträgerabgabe in die Parteikasse leisten. Allerdings ist gerade die Landeskassenführung ein weiterer Zankapfel. In Henstedt-Ulzburg sprach AfD-Bundesschatzmeister Klaus Fohrmann von „handwerklichen Fehlern“. Landesschatzmeister Reinhard Zimmermann zählt zu den Sayn-Wittgenstein-Anhängern. Auf der Homepage der schleswig-holsteinischen AfD war Sayn-Wittgenstein am Mittwochnachmittag immer noch als Landesvorsitzende aufgeführt.