AfD-Landeschef ruft zur „Schlacht“
Der Streit in Baden-Württembergs AfD steuert auf einen neuen Höhepunkt zu. Mehrere Kreisverbände verlangen einen Sonderparteitag, bei dem der Landesvorstand abgewählt werden könnte. Doch die Mehrheit dieses Vorstands hat einen ersten Vorstoß pro Parteitag abblitzen lassen. Einer der beiden Landeschefs ist empört und will zur „Schlacht“ rüsten.
Dirk Spaniel, Vorsitzender der AfD im Südwesten, mag's martialisch. In einem Schreiben an die Kreisverbände bittet er seine Parteifreunde, „mir als meine Mitstreiter im kommenden Kampf zur Seite zu stehen, die verbalen Klingen zu schärfen und sich für die aufziehende Schlacht zu rüsten“. Man könnte es für das Gedröhn eines Vorsitzenden gegen Konkurrenzparteien halten. Aber das ist es nicht. Seine „Schlachten“ führt Spaniel derzeit gegen die Mehrheit des Landesvorstands, dem er selbst angehört. Sein Ko-Landeschef Bernd Gögel und sechs weitere Vorstandsmitglieder hatten ihm und Landesschatzmeister Frank Kral schon vor Wochen vorgeworfen, sie würden Falschbehauptungen verbreiten, die Landesgeschäftsstelle unter ihre Kontrolle bringen und ihnen nicht genehme Beschäftigte loswerden wollen. Das Duo habe „eine Spur der kollegialen und moralischen Verwüstung“ hinterlassen.
Tiefer Riss im Landesverband
Auch ein Landesparteitag Anfang Juni konnte den tiefen Riss nicht kitten. Zwar lehnten die mehr als 500 nach Pforzheim gekommenen Mitglieder mit knappen Mehrheiten Abwahlanträge gegen den gesamten Vorstand oder dessen Mitglieder Spaniel und Kral ab – die Differenzen aber blieben. Dass der Antrag gegen die gesamte Landesspitze – mit 225 zu 227 Stimmen nur denkbar knapp – scheiterte, führen fünf Kreisverbände im Nachhinein auf eine Intervention von Versammlungsleiter Julian Flak zurück. „Aus den Reaktionen der anwesenden Mitglieder wurde deutlich, dass eine ganz überwiegende Mehrheit den bisherigen Vorstand ablösen wollte“, betonen sie.
Sie fordern einen weiteren Parteitag mit Neuwahl noch vor der Sommerpause. „Ein reines Zuwarten wird die Probleme im Vorstand nicht lösen. Weder eine Vorstandsklausur noch eine Mediation können eine konstruktive und erfolgreiche Vorstandsarbeit für unsere Partei hervorbringen, da es eben nicht nur um zwischenmenschliche Probleme geht, sondern um fehlende Bereitschaft, tatsächliche Missstände zu beseitigen.“ Mit einer Verzögerungstaktik komme der Landesverband nicht voran.
Hansjörg Schrade, Chef der AfD in Reutlingen, schickte die Forderung nach einem Sonderparteitag in die Landeshauptstadt und verwies auf die Unterstützung der Kreisverbände Ulm, Emmendingen, Pforzheim und Stuttgart. Doch der Landesspitze reichte die bloße Beteuerung nicht aus, die erforderliche Zahl von fünf Kreisverbänden sei erreicht. „Der LGS (Landesgeschäftsstelle) liegt aktuell nichts anderes als die E-Mail [...] mit den Ausführungen von Herrn Schrade vor. Nach Einschätzung des Landesvorstandes liegt damit bisher nur die diesbezügliche Willensbekundung des Kreissprechers Schrade vor“, beschloss das Gremium kühl.
Kollektiver Rücktritt für „friedlichen Weg“ zur Lösung
Nachzulesen ist das alles auf einer Internetseite, die von Spaniel-Unterstützern eingerichtet worden ist. „Die Gerechte Sache“ haben sie ihre Homepage genannt. Dort ist auch das Schreiben Spaniels an die Kreisverbände dokumentiert. „Entsetzt“ zeigt er sich darin über den Vorstandsbeschluss. Er halte ihn für eine „schriftgewordene Verachtung der Mitglieder“. Der Ko-Landeschef weiter: „Noch selten wurde auf Meinung und Wunsch einer nicht unerheblichen Anzahl von Parteimitgliedern derartig gepfiffen.“
Spaniel erneuerte seine Aufforderung an seine Vorstandskollegen, gemeinsam zurückzutreten, „um einen friedlichen Weg zur Findung einer neuen, arbeitsfähigen Parteiführung zu eröffnen“. Dass es zu einem solchen kollektiven Abgang kommen wird, glaubt er freilich nicht. Der Vorstandsmehrheit attestiert er, sie wolle ihn politisch „eliminieren“, da er „die Schluderei und Verschwendung, die im Landesvorstand im Laufe der Jahre Platz gegriffen hat, nicht mittragen“ wolle.
Sekundanten statt Mediatoren
Spaniel bestreitet zwar, dass es sich bei den Auseinandersetzungen um einen „Kampf zwischen Alternativer Mitte und Flügel“ handele. Doch wie er die parteiinternen Gegner beschreibt, ähnelt auffallend der Argumentation eines Björn Höcke. Während Höcke zuweilen von den „Halben“ sprach und damit Vertreter eines moderater wirkenden Kurses meinte, beschreibt Spaniel die AfD-interne Frontstellung mit den Worten: „Die Leichten gegen die Bewahrer.“ Der leichte Weg, auf dem er offenbar Gögel & Co. sieht, bestehe darin, „die AfD irgendwie unter Vertuschung aller Unzulänglichkeiten an die Regierung [zu] führen, um möglichst rasch an Ministerposten und Privilegien zu gelangen, zu gesellschaftlichem Respekt und Status“. Für diese Art von Parteimitgliedern gehe nur um persönliche Vorteile. Richtig sei hingegen „der Weg der Bewahrung der Grundwerte der AfD“. Für den, glaubt Spaniel, steht er selbst.
Nach dem Pforzheimer Parteitag vor drei Wochen befürwortete Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag und AfD-Mitglied in Baden-Württemberg, die Einsetzung eines externen Vermittlers. Mit Unterstützung eines Mediators könne die verfahrene Situation „zumindest entlastet werden“. Solche Vorschläge haben es schwer in einem Landesverband, der statt Mediatoren Sekundanten bevorzugt.