AfD: Kongress für rechte Medien im Bundestag

Wer zu den "freien" Medien gehört und wer zur "Lügenpresse", legte die AfD fest.
Am vergangenen Samstag hießen AfD-Abgeordnete rechte Medienschaffende, Blogger und Youtuber in den Räumen des Bundestags willkommen. Mit dem Titel war dann auch das Framing gesetzt: „1. Konferenz der freien Medien“. Wer „frei“ berichtet, berichtet im Sinne der AfD. Die Anderen, das ist die „Relotius-Presse“, wie sich die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, eine der Organisatorinnen, ausdrückte – „Lügenpresse“ also. Deren Vertreter waren auf der Veranstaltung unerwünscht, selbstredend.
Identitärer Aktivist mittendrin
An der Organisation beteiligten sich neben Höchst die Bundestagsabgeordneten Uwe Schulz, Petr Bystron und Udo Hemmelgarn. Für Hemmelgarn ist es nicht der erste mitorganisierte Kongress: Der „Verein zur Förderung des politischen Dialogs e.V.“, dem er vorsteht, veranstaltet seit einigen Jahren sogenannte Alternative Wissenskongresse, auf denen Verschwörungstheorien und bekannte Thesen von Reichsbürgern, etwa dass Deutschland ein besetztes Land sei, propagiert werden. Dort referierten beispielsweise Jürgen Elsässer vom „Compact Magazin“ und Karl Albrecht Schachtschneider, der 2005 noch als Sachverständiger der NPD auftrat, inzwischen aber zur Neuen Rechten und der AfD umgeschwenkt ist. Ein ähnliches Milieu traf sich am Samstag im Bundestag. Neben den Organisator*innen nahmen mindestens fünf weitere AfD-Bundestagsabgeordnete an der Veranstaltung teil. Eine zentrale Rolle nahm David Berger ein, Betreiber des Blogs „Philosophia Perennis“. Laut eigener Aussage sei die Veranstaltung auf Initiative seines Vereins, der „Vereinigung Freier Medien“, organisiert worden. Ein Aufsteller präsentierte einige der eingeladenen Organisationen: Neben dem „Compact Magazin“ und „PI-News“, dessen Autor Michael Stürzenberger an einer Podiumsdiskussion teilnahm, war auch das Logo von „Okzident Media“ darauf zu sehen, eine Firma aus dem Netzwerk der Identitären. Einer der Geschäftsführer, Daniel Sebbin, saß den AfD-Bundestagsabgeordneten gegenüber.„Wahrheits“-Medien
Auch zwei weitere Logos sind brisant: „Klagemauer TV“ und „Anti-Zensur-Koalition“. Beide gehören zum Netzwerk des Schweizer Sektenführers Ivo Sasek. Dessen Sekte, die „Organische Christus Generation“ mit angeblich 2.000 bis 3.000 deutschsprachigen Mitgliedern, propagiert eine organisch miteinander verwachsene Gemeinschaft statt Individualismus: „Wir sind alle miteinander schicksalsvereint.“ Das klingt nicht von ungefähr nach der NS-„Volksgemeinschaft“. Über seine Medien werde die „Wahrheit“ verbreitet, entgegen der „zensierten Lügen-Presse“. Auf den Veranstaltungen der „Anti-Zensur-Koalition“ traten in der Vergangenheit mehrfach bekannte Holocaustleugner auf, darunter Bernhard Schaub und Sylvia Stolz. Sasek selbst vertritt antisemitische und geschichtsrevisionistische Positionen. Nicht am Aufsteller zu lesen, aber trotzdem vor Ort waren bekannte Akteure der Neuen Rechten. Die Junge Freiheit war ebenso vertreten wie der Journalist Billy Six und der Aktivist Götz Kubitschek aus Schnellroda. Simon Kaupert und Philip Stein verkündeten ihre Anwesenheit sowohl als „Jungeuropa Verlag“, als auch in Form ihrer Organisation „Ein Prozent“. Über den Kleinstverlag „Jungeuropa“ wird zum Teil offen faschistische Literatur vertrieben, darunter eine deutsche Übersetzung des Buchs „Les Cadets de l’Alcazar“, das den Gründungsmythos des spanischen Faschismus verherrlicht.Redner der Werte-Union
Im gleichen Milieu bewegt sich das „Arcadi Magazin“, dessen Chefredakteur Yannick Noé sich auch in der AfD engagiert. Wie die Journalisten Christian Fuchs und Paul Middelhoff in ihrem Buch „Das Netzwerk der Neuen Rechten“ berichten, sei die erste Ausgabe „vom Sonnenkreuz-Versand verschickt […] [worden], der einem berüchtigten Neonazi gehört“. In derselben Publikation traten auch Werbepartner aus dem Neonazi-Spektrum auf.Und auch aus Österreich hat es mit „Info-Direkt“ ein Magazin mit ähnlichen Verstrickungen auf die AfD-Veranstaltung geschafft. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands kleidet die Zeitschrift „klassisch rechtsextreme Weltanschauung in ein modernes Gewand und lotet insbesondere in Form von omnipräsentem Antisemitismus, Volksgemeinschaftsdünkel, einer teils offen vertretenen antidemokratischen Stoßrichtung und quasi-revolutionärem Impetus die Grenze zum Neonazismus aus, was auch der politischen Vita zentraler Akteure entspricht“. Vor den Gästen referierten vorwiegend Bundestagsabgeordnete der AfD, darunter Martin Renner, aber auch Christian Jung, Blogger und ehemaliger Politiker der Kleinstpartei „Die Freiheit“. Zu „Presserecht und Reputationsmanagement“ war Ralf Höcker angekündigt. Der arbeitet nicht nur als Rechtsanwalt, sondern ist auch Teil der ultrakonservativen „Werte-Union“ und könnte so Einfluss auf die zukünftige Linie der CDU nehmen.Das Arcadi-Magazin hat grad drüben bei Insta ein paar der Partner der #AfD #Medienkonferenz gepostet.... pic.twitter.com/ixn3LXouX2
— Nadine Lindner (@ostwestkonflikt) 11. Mai 2019
„Widerliche Figur“
Angesichts dieses skurrilen Teilnehmerkreises erscheint der vermutlich als Provokation konzipierte Auftritt des US-amerikanischen Alt Right-Aktivisten und früheren „Breitbart“-Autoren Milo Yiannopoulos beinahe harmlos. Er sprang für den ursprünglich als Gast verkündeten Steve Bannon ein, musste seinen Auftritt aber ebenfalls in ein nahegelegenes Lokal nach Ende der eigentlichen Veranstaltung verlegen. Dort propagierte er altbekannte Inhalte der Neuen Rechten aus US-amerikanischer Perspektive: Er jammerte über die „schwache, verweiblichte deutsche Kultur“ und lobte „heroisch-männliche Werte“, die er in Donald Trump verkörpert sieht. Ob Yiannopoulos als offen homosexueller Mann, der mit einem schwarzen Muslim zusammenlebt, dieses rechte Idealbild verkörpert, stellte zumindest Philip Stein in Frage, der ihn auf Twitter eine „widerliche Figur“ nannte. Andere Teilnehmer feierten den Auftritt von Yiannopoulos, allen voran David Berger, der ihm einen Großteil des anschließenden Berichts auf seinem Blog einräumte. Und so kam es an diesem Tag nicht nur zum Zusammenrücken, sondern es traten auch mögliche Konfliktlinien zutage. Trotzdem dürften beide Seiten die Konferenz als Erfolg bewerten: Zum einen als Aufwertung für rechte Blogger, Youtuber und Zeitschriften, andererseits als Schulterschluss der AfD mit ihr wohlgesonnenen Medienschaffenden.Kategorien