AfD Hamburg: Angst vor den Pegida-Fotos
Die Hansestadt wählt am Sonntag eine neue Bürgerschaft. In Umfragen wird die Rechtspartei nur auf sechs bis sieben Prozent taxiert.
Alexander Wolf hatte Angst. Sechs Tage vor der Bürgerschaftswahl war Björn Höcke am Montagabend bei Pegida zu Gast. Und Wolf, zweiter Mann in der Hamburger AfD und Anfang Dezember in den Bundesvorstand aufgestiegen, machte sich Sorgen. Er befürchte, dass bei der Kundgebung in Dresden „möglicherweise negative Bilder entstehen könnten, die der AfD angelastet werden“, verriet er dpa. „Denn so berechtigt das Anliegen auch sein mag, birgt eine Demonstration doch immer ein Risiko, weil man nicht kontrollieren kann, wer daran teilnimmt.“ Von Höcke, der seiner Partei gerade erst bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringens einen Propagandaerfolg verschafft hatte, fühlt er sich enttäuscht: „Ich hätte es solidarischer gefunden, wenige Tage vor den hamburgischen Wahlen nicht bei Pegida aufzutreten“, sagte er dem ZDF.
Die Szenen vom 1. September 2018 in Chemnitz lasten schwer auf dem Gemüt jener AfD-Politiker, die sich „gemäßigt“ geben. Neue Bilder, die den Schulterschluss ihrer Partei mit bekennenden Rechtsextremisten nahelegen, können sie nicht brauchen. Nicht in Zeiten, da sich der Verfassungsschutz dem „Prüffall“ AfD widmet. Und auch nicht in Zeiten, da ihr wohl „moderatester“ Landesverband kurz vor einer wichtigen Wahl steht.
Stagnation hart an der Fünf-Prozent-Hürde?
Hamburgs AfD hat es auch ohne solche Querschüsse schon schwer genug. (bnr.de berichtete) Auf lediglich sieben Prozent wurde sie in den Umfragen der letzten Wochen taxiert. Während die ostdeutschen Landesverbände im vorigen Herbst ihre Ergebnisse locker verdoppelten, würde das ein äußerst mageres Plus von gerade einmal einem Prozentpunkt, verglichen mit der Bürgerschaftswahl von 2015, bedeuten. Doch es könnte noch schlimmer kommen. Infratest dimap ermittelte in der vorigen Woche gar nur noch sechs Prozent. Eine Stagnation hart an der Fünf-Prozent-Hürde? Weit entfernt scheint Hamburgs AfD jedenfalls von ihrem Wahlziel, diesmal zweistellig zu werden.
Daran konnte auch der Wahlkampf unter dem Motto „Hanseatisch, mutig, unbequem!“ nichts ändern. Nicht der auf der Straße und nicht der im TV. In ihrem Wahlwerbespot schaffte es die Partei, ihr Hamburg-Zerrbild in einer Minute zusammenzufassen: Hamburg als Stauhauptstadt mit unsinnigen Fahrverboten, Baustellenchaos und Parkplatzvernichtung. Hamburg, das unter importierter Kriminalität und linksextremer Gewalt leidet. Asylbetrug und Migration, die die Stadt drastisch verändern. Der Islam, der sich immer weiter ausbreitet. Hamburg als Bildungsnotstandsgebiet. „Hamburg wird voller und schmutziger“, klagt Spitzenkandidat Dirk Nockemann zu den Aufnahmen, die auch optisch in Schwarz und Weiß gehalten sind.
Abschlussveranstaltung außerhalb der Stadt
Zum Wahlkampfabschluss wird am Freitagabend Bundessprecher Jörg Meuthen erwartet. Allerdings nicht in der Hansestadt selbst, sondern im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg, 15 Kilometer nördlich der Stadtgrenze. In Hamburg fand die Partei nach eigenen Angaben keine geeignete Lokalität. Noch nicht bekannt ist bislang auch, ob sich in der Stadt wenigstens für eine Wahlparty Räume auftreiben lassen.
In westdeutschen Großstädten gebe es ein überwiegend linksgrünes Milieu und Medien, die meist rot-grün dominiert seien, erklärte Parteichef und Spitzenkandidat Dirk Nockemann im vergangenen Jahr die besonderen Probleme der Partei in der Hansestadt. Hinzu komme „eine allmächtige Antifa, die Leute bedroht, die uns einen Saal vermieten wollen, und dafür sorgt, dass wir als Nazis bezeichnet werden“. Die AfD sei aber „eine verlässliche politische Kraft in Hamburg“, angesiedelt „im bürgerlich konservativen Spektrum“, gab sich Nockemann handzahm. Die Hamburger AfD sei eine Partei, „die sich überhaupt nicht ins Völkische begibt“. Von einer Rechtsdrift seiner Partei will auch Wolf nichts wissen. „Wir haben den gleichen bürgerlich konservativen Kurs, den wir auch 2015 hatten“, beteuert er.
„Kein guter Stil“ in Niedersachsen
Öffentlichen Streit, der ansonsten die AfD-Landesverbände im Nordwesten beschäftigt, haben die Hamburger vermeiden können. In Niedersachsen zielt der „Flügel“ nach wie vor auf einen Sturz der Landesvorsitzenden Dana Guth. Gerade erst trafen sich die AfD-Rechtsaußen mit Höcke halbkonspirativ und hinter verschlossenen Türen in der Nähe von Hannover. Guth war nicht amüsiert. „Kein guter Stil“ sei das Treffen gewesen, monierte sie. Höcke habe erneut „die Vereinbarung unterlaufen“, solche Veranstaltungen vorher anzukündigen.
In Schleswig-Holstein wählten die Mitglieder mit Doris von Sayn-Wittgenstein eine Vorsitzende, die der eigene Bundesvorstand ausschließen wollte. Nach erfolgtem Rauswurf geht sie nun vor Gericht gegen den Bundesvorstand vor. An die Spitze des Landesverbandes rückten ihre beiden Stellvertreter. Doch einer von ihnen legte sein Amt rasch nieder – aus „parteiinternen Gründen“, wie er die „Lübecker Nachrichten“ wissen ließ.
Chaos in Bremen
In Bremen schließlich hat sich die ehemals fünfköpfige Bürgerschaftsfraktion in drei Teile zerlegt. Landeschef Peter Beck geht mit einem Ausschlussverfahren gegen den früheren Fraktionsvorsitzenden und Bremerhavener Kreischef Thomas Jürgewitz vor. Er wirft ihm vor, von Bremerhaven aus gegen den Landesvorstand zu agitieren und dabei mit parteischädigenden Behauptungen zu arbeiten. Sein Versuch, den Konkurrenten seiner Parteiämter zu entheben, ist in der ersten Instanz aber zunächst einmal gescheitert. Es sei „inhaltlich nichts vorhanden“, was auch nur annähernd einen Parteiausschluss rechtfertige, sagt Jürgewitz.
Hamburgs AfD blieb von derlei Friktionen bisher verschont. Drohen sie aber doch einmal, macht man die Schotten dicht. So wie beim letzten Landesparteitag, als die Medienvertreter von der Diskussion über den Bericht des Vorstands ausgeschlossen wurden. Hanseatische Korrektheit und Geradlinigkeit ade.
Bilder mit Bachmann vermieden
Und Wolfs Sorge wegen unschöner Bilder aus Dresden? Höcke vermeidet sie. Er kommt erst kurz vor seinem Auftritt auf den Neumarkt, verschwindet direkt nach der Rede wieder in seinem Wagen. Erst jetzt darf Pegida-Chef Lutz Bachmann wieder auf die Bühne. Die Hymne muss ohne Höcke gesungen werden. Es ziemt sich in diesen Tagen nicht für einen AfD-Politiker, mit einem vorbestraften Volksverhetzer auf offener Bühne für Fotos zu posieren. So viel Bürgerlichkeitssimulation muss sein.