AfD-Fraktionsvize leitet rechtsextremen Verein

Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Andreas Kalbitz, ist Chef einer rechtsextremen Vereinigung. Die nennt sich selbst „Kulturverein“.

Montag, 19. Oktober 2015
Julian Feldmann

Im Dezember vergangenen Jahres ließ sich Kalbitz (Jg. 1972), der wenige Monate zuvor in den Landtag von Brandenburg gewählt worden war, als Vorsitzender des Vereins für „Kultur- und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit e.V.“ eintragen. Bereits seit 2010 sitzt der Abgeordnete im Vorstand dieses „Kulturvereins“, zu dessen Mitgliedern bekannte Rechtsextremisten zählen.

Der Verein für „Kultur- und Zeitgeschichte“ war 1985 von dem einstigen SS-Hauptsturmführer Waldemar Schütz (1913-1999) initiiert worden. Nach dem Krieg engagierte sich der SS-Mann zunächst bei der Deutschen Reichspartei (DRP), später wurde er Mitglied des NPD-Bundesvorstandes und saß für die Partei im niedersächsischen Landtag. Schütz galt zudem als einer der umtriebigsten Verleger der rechtsextremen Szene und war Vorstandsmitglied der „Gesellschaft für freie Publizistik“, laut Verfassungsschutz die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung.

Neben Schütz gründeten noch weitere Rechtsextremisten den vor allem im Hintergrund aktiven Verein. So waren der Altnazi Klaus-Christoph Marloh, der rechtsextreme Historiker Georg Franz-Willing und das NPD-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Huber in der Organisation aktiv. Was sie damit bewirken wollten, ist in einem Unterstützungsaufruf dargelegt, der 1985 in rechtsextremen Zeitungen erschien: „Dem Verein geht es vor allem darum, daß nicht auf Dauer ein so einseitig verzerrtes Bild der Deutschen in der Welt erhalten bleibt. (…) Es besteht sogar die Gefahr, dass künftige Generationen von Deutschen selbst über die Bewertung der Vergangenheit ihres Volkes unsicher werden und insbesondere die Zeit vor 1945 mit einer teuflischen Epoche gleichsetzen. Der Verein will diesen Gefahren begegnen und mit der Sicherung und Verbreitung der historischen Wahrheit eine notwendige Aufgabe für unser Volk erfüllen.“

Umdeutung der deutschen Geschichte                                                                                       

Ziel der Vereinsgründung war also die Umdeutung der deutschen Geschichte. Nach Auskunft des bayerischen Verfassungsschutzes hat sich der Verein nie von einer „rechtsextremistisch orientierten Geschichtsbetrachtung“ distanziert. Vereinzelt, so die Behörde, „tauchen noch entsprechende Publikationen in rechtsextremistischen Verlagen auf“. Trotz mehrerer Veröffentlichungen in den vergangenen Jahren behauptet der Verfassungsschutz in Brandenburg, es gäbe seit mehr als zehn Jahren keine Hinweise mehr auf Aktivitäten des Vereins.

Kalbitz ist seit mindestens 2008 Mitglied in dem braunen „Kulturverein“, zu diesem Zeitpunkt leitete Hans-Ulrich Kopp die Organisation. Mit dem NPD-Mann Manfred Aengenvoort aus Oberhausen saß Kalbitz ab 2010 sogar gemeinsam im Vorstand. Der ehemalige Vorsitzende des NPD-Bundesschiedsgerichtes Aengenvoort ist nicht das einzige NPD-Mitglied im Verein. Ebenfalls im braunen „Kulturverein“ sind Hans-Jochen Voß, Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Unna/Hamm, Hartmut Höschen und der rechtsextreme Münchner Stadtrat Karl Richter von der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“. Seit langem Aktivposten in der geschichtsrevisionistischen Vereinigung ist der rechtsextreme Publizist und Multifunktionär Rolf Kosiek.

Wie eine Anwesenheitsliste der Mitgliederversammlung aus dem vergangenen Jahr zeigt, war auch der NPD-Barde Frank Rennicke als Gast bei der von Kalbitz geleiteten Veranstaltung im thüringischen Arnstadt zugegen. Und Kalbitz’ Verein pflegt Kontakte zu einer anderen rechtsextremen Organisation: Sein Archiv will der „Kulturverein“ in den Räumen der „Gedächtnisstätte“ im thüringischen Guthmannshausen unterbringen. Der „Gedächtnisstätte“ bescheinigt der thüringische Verfassungsschutz: „Unter dem Deckmantel des Gedenkens an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs agitiert der rechtsextremistische Verein gegen den demokratischen Verfassungsstaat.“

Von der CSU zu den Republikanern

Der im München geborene Kalbitz engagierte sich zunächst in der CSU und der Jungen Union. Im Jahre 1992 trat er dann den rechtsextremen Republikanern bei, die zu diesem Zeitpunkt vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Seine Zeit bei den Republikanern hatte er im Landtagswahlkampf im übrigen verschwiegen. Er hatte sich daran nicht mehr erinnern können, sagte Kalbitz nach dem Auffliegen seiner früheren Republikaner-Mitgliedschaft. Bis mindestens 1994 gehörte der heutige AfD-Funktionär der rechtsextremen Partei an.

Im rechten „Witikobrief“ pries Kalbitz 2001 das NPD-nahe „Freundschafts- und Hilfswerk Ost“ an, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Auch für die Zeitschrift der rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO), „Fritz“, steuerte Kalbitz 2003 mindestens zwei Texte bei. In einem Artikel kritisiert der heutige AfD-Funktionär den  Umgang mit den gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges und schreibt von einem „Bewußtseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend“. Außerdem bespricht Kalbitz ein Buch, in dem die Terroranschläge vom 11. September 2001 als von den USA selbst inszeniert dargestellt werden. Kalbitz lobt die Verschwörungstheorien als „Meisterleistung investigativen Journalismusses“.

Rechter Verleger als Vereinsvize

Bereits als Schüler war Kalbitz in der Pennalen Burschenschaft „Saxonia-Czernowitz“ aktiv, einer stramm-rechten schlagenden Schülerverbindung. Die „Saxonia“ trifft sich im Haus der Burschenschaft „Danubia“, deren Aktivitas vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Über die Burschenschaft könnte Kalbitz auch seinen Stellvertreter im „Kulturverein“ kennengelernt haben. Der Rechtsanwalt Roland H. ist Mitglied der „Danubia“, so schrieb es zumindest Hans-Helmut Knütter 2007 in den „Burschenschaftlichen Blättern“. Knütter trat bei dem Verein für „Kultur- und Zeitgeschichte“ selbst als Referent auf.

Neben Kalbitz und H. sitzt Rainer Höke (Jg. 1955) aus dem nordrhein-westfälischen Preußisch Oldendorf (Kreis Minden-Lübbecke) als Schatzmeister im Vorstand der geschichtsrevisionistischen Vereinigung. Höke ist Geschäftsführer der „Deutschen Verlagsgesellschaft“ (DVG), einem rechtsextremen Verlagshaus, das 1963 von Waldemar Schütz gegründet worden war. Ausgeliefert wird das Verlagsprogramm der DVG heute nach Informationen, die bnr.de vorliegen, vom rechtsextremen „Deutschen Buchdienst“ in Dresden.

AfD sieht keinen Handlungsbedarf

Als Stellvertreter steht Kalbitz im Landtag dem AfD-Fraktionschef Alexander Gauland zur Seite. Kalbitz gilt neben Gauland, der wegen seiner Tätigkeit im Bundesvorstand der AfD viele Auswärtstermine hat, als intellektueller Kopf der Fraktion im Landtag. Nachdem das rbb-Magazin „Klartext“ Gauland mit Kalbitz’ aktuellen Verbindungen in die rechte Szene konfrontiert hat, sieht der AfD-Bundesvize keinen Grund zum Handeln. „Jeder kann in jedem Verein sein, in der AfD“, sagte Gauland dem Sender. Kalbitz will seine rechtsextremen Mitstreiter nicht näher kennen. Verfassungsfeindliche Tendenzen seien ihm in dem Verein, der als offizielle Anschrift Kalbitz’ Privatadresse in Königs Wusterhausen eingetragen hat, nicht aufgefallen.

Nachdem die Grünen einen Ausschluss von Kablitz aus der AfD-Fraktion forderten, wies der AfD-Mann dies zurück. Er überlege jedoch, sein Vorstandsamt in dem rechten Verein aufzugeben, hieß es in Medienberichten. „Nach und nach fallen die Masken von AfD-Abgeordneten im Landtag“, sagt die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, Inka Gossmann-Reetz. „Hinter der demokratischen Fassade breitet sich ein brauner Sumpf aus“, kommentierte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Jan Redmann.
 

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