AfD-Fraktion mit starkem Rechtsdrall

Die „Alternative für Deutschland“ stellt im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern die zweitstärkste Fraktion. Vieles deutet darauf hin, dass die AfD im Parlament eine harte, konfrontative Linie fahren wird. Der radikalere Parteiflügel besetzt Spitzenpostionen, während die moderaten Kräfte in der Unterzahl sind.

Dienstag, 25. Oktober 2016
Marc Brandstetter

Die Bewerbungsfrist endete am 14. Oktober. Die AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hatte mehr als ein Dutzend Stellen ausgeschrieben, um ihre 18 Abgeordneten zu unterstützen. Neben mehreren Fachreferenten suchten die Parlamentsneulinge einen persönlichen Referenten für den Fraktionschef Leif-Erik Holm sowie Mitarbeiter für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Mit Henning Hoffgaard hat bereits ein Redakteur der neurechten „Jungen Freiheit“ (JF) als Pressesprecher in Schwerin angeheuert. Gut einen Monat vor dem Urnengang in Mecklenburg-Vorpommern sprach Hoffgaard mit Blick auf die Großdemonstration von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit 40 000 Teilnehmern in der JF von einer „türkischen Landnahme“, heute verantwortet er den Facebook-Auftritt der AfD-Fraktion.

Mit 18 Parlamentariern stellt die AfD in der neuen Legislaturperiode die zweitstärkste Fraktion. 15 ihrer Kandidaten sind über die Landesliste eingezogen. Dazu kommen drei Direktmandate, die von der rechtspopulistischen Partei in Vorpommern gewonnen werden konnten. Christel Weißig ist die einzige Frau der Männer-Truppe. Anfang Oktober eröffnete die 70-Jährige als Alterspräsidentin den neuen Landtag. In ihrer Rede schlug die AfD-Abgeordnete vergleichsweise gemäßigte Töne an und warb für eine „gute parlamentarische Zusammenarbeit“. Die Demokratie sei ein hohes Gut, sagte die gelernte Bürokauffrau, die erst mit 68 Jahren über die AfD ihren Weg in die Politik gefunden hat.

Völkisch-nationaler Flügel scheitert per Losentscheid

Tatsächlich lässt die Zusammensetzung des Fraktionsvorstands eine andere Ausrichtung der AfD erwarten. In dem Führungsgremium, dem neben dem Vorsitzenden drei Stellvertreter und der parlamentarische Geschäftsführer angehören, sicherte sich der radikalere Parteiflügel die Mehrheit. Als Fraktionschef ging erwartungsgemäß Parteisprecher Leif-Erik Holm hervor. Sein Co-Vorsitzender Matthias Manthei hatte mehr Schwierigkeiten, von der Fraktion ins Amt gewählt zu werden. Der bisherige Amtsrichter, der auf Kreisebene einem asylfeindlichen NPD-Antrag zugestimmt hatte, benötigte bei seiner Wahl zum parlamentarischen Geschäftsführer die Hilfe von Glücksgöttin Fortuna.

Der völkisch-nationale Flügel wagte in persona von Thomas de Jesus Fernandes die Kraftprobe und scheiterte erst per Losentscheid. Im November vergangenen Jahres hatte Fernandes als Redner auf einer AfD-Demonstration der Bundesregierung eine „verfassungsfeindliche Politik“ vorgeworfen und angekündigt, man werde sich bei der Landtagswahl am 4. September „unser Land zurückholen“. Er schloss mit „Hoch die Fahnen, Mecklenburg-Vorpommern steht auf“.

Vertreter des Rechtsaußen-Flügels an der Spitze

Außerdem wählten die Rechtspopulisten mit Enrico Komning, der sich zuvor bereits für die FDP und die „Schill“-Partei engagierte, Holger Arppe und Ralph Weber drei Vertreter des Rechtsaußen-Flügels an die Spitze. Arppe, in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt und als Fürsprecher der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ bekannt, bekleidet fortan ebenso wie Komning und Weber das Amt eines Fraktionsvizes. Die bisherigen parteipolitischen Aktivitäten von Komning können nicht über seine politischen Wurzeln hinwegtäuschen – er gehört der Greifswalder Burschenschaft „Rugia“ an. Der an der Universität Greifswald lehrende Weber promovierte einen bekannten Neonazi-Musiker und ist bekennender Träger der bei Rechtsextremisten beliebten Modemarke „Thor Steinar“. Den Plenarsaal wird der Jura-Professor so gekleidet nicht betreten dürfen, im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist die Marke verboten.    

Einen anderen Posten verfehlte Weber dagegen. Seine Fraktion schickte ihn Anfang Oktober ins Rennen um den Posten des 2. Vizepräsidenten des Landtags, was Beobachter als weiteren Rückschlag der „gemäßigteren“ Fraktion um Holm und Manthei werten. Tatsächlich entfielen auf den AfD-Bewerber 20 Stimmen, seine Gegenkandidatin Mignon Schwenke (Die Linke) konnte dagegen 43 Zustimmungen verbuchen. Damit wurde die Linken-Politikerin gewählt. Von den 71 abgegebenen Stimmen waren 63 gültig. In der geheimen Wahl entschieden sich demnach zwei Abgeordnete von SPD, CDU oder der Linken für Weber.

Nachrücker marschierte bei NPD-Demos mit

Anschließend erklärte die selbst ernannte „Alternative“, die anderen Fraktionen hätten ihr den Vizepräsidenten-Posten „verweigert“. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Mathias Brodkorb stellte indes klar, die AfD habe sein Angebot, einen dritten Vizepräsidenten stellen zu können, nicht angenommen. Erneut schlüpft die AfD in die ihr bekannte Opferrolle, um gezielt Stimmung gegen die etablierten Parteien zu machen. In den sozialen Medien fuhr sie kaum überraschend die erwarteten Reaktionen ein. Dort war etwa zu lesen: „Die korrupten Altparteien setzen ihren Weg fort“. 

Eine andere brisante Personalie ist hingegen vertagt. Auf Platz 18 der Landesliste kandidierte mit Jens-Holger Schneider ein AfD-Mann mit besten Kontakten in die extrem rechte Szene. 2007 verließ Schneider seine damalige Partei CDU, nachdem „Endstation Rechts“ seine Teilnahme an NPD-Demonstrationen öffentlich gemacht hatte. Das Engagement für die AfD hinderte den 44-Jährigen in jüngster Vergangenheit nicht daran, bei Aufmärschen der Neonazi-Gruppierung „Wismar wehrt sich“ oder dem von der NPD gesteuerten Pegida-Ableger „MVgida“ mitzulaufen. Bald könnte Schneider dem „Hohen Haus“ in Mecklenburg-Vorpommern angehören. Er ist zweiter Nachrücker seiner Partei.

Kategorien
Tags