AfD-Dynastie Bremen

Die Mitglieder aus der Hansestadt wählten Frank Magnitz zu ihrem Spitzenkandidaten bei der Bürgerschaftswahl. Sein Bundestagsmandat will er behalten, auch wenn er ins Parlament des Stadtstaates einzieht. Einer seiner Gegner sieht einen „Familienclan“ am Werk.

Dienstag, 22. Januar 2019
Rainer Roeser

Spätestens seit Frauke Petry und Marcus Pretzell sich mit ihren Doppelmandaten davongemacht haben, ist es in der AfD streng verpönt, zugleich zwei Parlamenten anzugehören. Eigentlich. Für Frank Magnitz gilt die Regel nicht. Der Bremer Landeschef hat sich am Wochenende auf Platz eins der Liste für die Bürgerschaft wählen lassen. Wenn die AfD am 26. Mai die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, will er seinen Platz im Landesparlament einnehmen – und zugleich sein Bundestagsmandat behalten. Bundestag plus Bürgerschaft parallel, das sei machbar, problemlos sogar, denkt er. Zumindest bis zum Herbst, wenn, wie Magnitz meint, die Große Koalition in Berlin geplatzt sei und im Bund sowieso neu gewählt werde. 

Medien ausgesperrt

Hinrich Lührssen ist sauer. Erst Mitte letzten Jahres war der Journalist, der sich in der Hansestadt unter anderem mit Beiträgen im Radio-Bremen-Magazin „buten un binnen“ einen Namen gemacht hat, in die Politik eingestiegen. Die AfD kooptierte ihn rasch in ihren Landesvorstand. Nun wollte er die Spitzenkandidatur. Doch plötzlich stellte sich auch Magnitz der Wahl und hatte mit 32 zu 19 Stimmen beim Bremer Parteitag die Nase vorn. Lührssen schäumte: „Entgegen allen früheren öffentlichen Aussagen“ sei der Landesvorsitzende angetreten. Und er beschuldigte Magnitz nicht nur der Lüge: „Für mich ist damit klar: die Möglichkeit eines demokratischen Neuanfangs in der Bremer AfD ist vertan.“ Der „Weser-Kurier“ zitiert ihn mit dem Vorwurf, „mit allen Tricks“ beherrsche Magnitz gemeinsam mit seinem Vize Thomas Jürgewitz die Bremer AfD. Abweichende Meinungen dulde das Duo nicht.

Auch journalistische Beobachtung ist eher nicht erwünscht. Als sich die Mitglieder am Sonntag zu ihrem Parteitag trafen, mussten die Vertreter der Medien draußen vor der Tür bleiben. Sogar als die AfD tags darauf die Ergebnisse des Treffens bei einer Pressekonferenz präsentierte, blieb dort mit der „taz“ eine Zeitung ausgesperrt. Die „taz“ sei „eine Institution im Kampf gegen rechts“, soll Landesvize Thomas Jürgewitz den Ausschluss begründet haben.

Gescheiterter Kandidat sieht „Familienclan“ am Werk

Es gehört wohl zum Wesen der AfD, dass gerade ihre kleinsten Landesverbände quasi dynastisch geführt werden. Im Saarland sagt man Landeschef Josef Dörr nach, dass er nach dem System „Family and Friends“ regiert; sein Heimatort Quierschied wurde zum Epizentrum der Saar-AfD. Bremen ist Magnitz-Land. Bei dem Parteitag sei eine „Magnitz-Liste der Magnitz-Partei“ gewählt worden, befand am Rande der Veranstaltung der Reporter von „Radio Bremen“.

Lührssen sah gar einen „Familienclan“ am Werk. Er nannte diese Titulierung zwar einen „Spaß“. Dass man darüber im Hause Magnitz schmunzeln könnte, ist freilich nicht zu erwarten. Wieder im ernsthaften Modus monierte Lührssen, dass an der Wahl des Spitzenkandidaten allein sechs Personen aus der Magnitz-Familie teilgenommen hätten. Überraschen kann vor diesem Hintergrund nicht, dass Ann-Katrin Magnitz, die Tochter des Landesvorsitzenden, auf Listenplatz fünf kam.

Überfall weidlich ausgeschlachtet

Die Platzierung könnte reichen, wenn die AfD besser abschneidet als bei der Bürgerschaftswahl vor vier Jahren. An höhere Ergebnisse scheinen Magnitz und seine Mitstreiter im Bremer Landesverband in beinahe allen Lebenslagen zu denken. Weidlich schlachteten sie etwa einen bisher ungeklärten Überfall aus, dessen Opfer Magnitz am Abend des 7. Januar geworden war. Von einem Schlag mit einem Kantholz und von Tritten gegen das am Boden liegende Opfer berichtete die Partei und sprach von einem „Mordanschlag“. Im Nachhinein erwies sich die Darstellung der AfD zu dem Überfall als in weiten Teilen falsch, wie Zeugenhinweise, das Gutachten eines Rechtsmediziners und Videoaufnahmen vom Tathergang nahelegen. Kantholz und Tritte gab es nicht – aber offenbar einen AfD-Politiker, dem es darum ging, ein möglichst blutiges Bild möglichst schnell möglichst weit verbreiten zu lassen.

„Mediale Betroffenheit“ und „eine entsprechende Aufmerksamkeit“ habe er mit der Veröffentlichung des Bildes, das ihn voller Blut zeigte, erzielen wollen, schrieb Magnitz später in einer Mail an die Mitglieder. Der Plan ging auf: „Wir haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!“ Und weiter: „In Bremen selbst dürfte das Thema bei denen, die unsicher, aber uns nicht gänzlich abgeneigt sind, für Sympathien gesorgt haben.“

Streit mit der „Jungen Alternative“

Auf ein zweistelliges Ergebnis hofft Magnitz diesmal. 2015 war die Partei bei mageren 5,5 Prozent hängen geblieben. Freude an ihren vier errungenen Mandaten hatte die Partei auch nicht lange. Drei Abgeordnete gingen ihr noch im selben Jahr von der Stange, weil die AfD immer weiter nach rechts rückte. Geblieben ist ihr als Bürgerschaftsmitglied nur Alexander Tassis. Aber auch der ist in der Magnitz-Partei zur persona non grata geworden. Kurz vor dem Parteitag berichtete Tassis, mittlerweile werde er bereits mit dem fünften Parteiausschlussverfahren überzogen.

Der neuen Bürgerschaft wird Tassis, der auch im Vorstand der „Patriotischen Plattform“ sitzt, nicht mehr angehören. Auch für Robert Teske, den Landeschef der „Jungen Alternative“, wird es nichts mit einer Parlamentskarriere. Er und Magnitz, der Teske einst sogar in seinem Wahlkreisbüro anstellte, sind tief zerstritten. Spätestens im Dezember war es nicht mehr zu übersehen. Da forderte der AfD-Landesvorstand die Bremer „Junge Alternative“ (JA) auf, sich selbst aufzulösen. Begründet wurde das unter anderem mit der Beobachtung des JA-Landesverbandes durch den Verfassungsschutz. AfD-Landeschef Frank Magnitz klagte zudem, die JA habe bei der „Klärung“ bestimmter Vorgänge nur „unbefriedigend kooperiert“.

31 Parteiausschlussverfahren

Die „Junge Alternative“ wies die Forderung umgehend zurück: Die Auflösungsempfehlung werde „dankend abgelehnt“. Ohnehin sei der einstimmige Beschluss des AfD-Vorstands nur zustande gekommen, weil „vor Parteiordnungsmaßnahmen nicht zurückgeschreckt wird, um kritische Stimmen zu unterdrücken“. Der Griff zum Satzungsrecht scheint in der Bremer AfD eine beliebte Übung zu sein. Der gescheiterte Spitzenkandidat Lührssen attestiert ihr jedenfalls große Chancen, „mit 31 Parteiausschlussverfahren in fünf Jahren als politische Volltrottel im Guinness-Buch der Rekorde zu landen“.

Magnitz, der des Öfteren die Nähe von Björn Höcke suchte und als Schirmherr einer „Jungen Alternative“ fungierte, deren Nähe zur „Identitären Bewegung“ überhaupt nicht übersehen werden konnte, hat sich von alten Freunden abgewandt und damit die eigene Macht gesichert. Hätte er nicht für die Bürgerschaft kandidiert, hätte dort womöglich eine Riege von AfD-Abgeordneten einziehen können, die für ihn nicht kalkulierbar wären. Gäbe er sein Bundestagsmandat ab, würde ausgerechnet Teske nachrücken. Auch das galt es zu verhindern. Dass sich der Rechtsausleger politisch gewandelt hat, muss man nicht vermuten. Eher, dass das Prinzip „Family and Friends“ nicht nur in Quierschied erfolgreich sein kann, sondern auch in Hansestädten.

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