AfD-dominierte „Michel“-Kundgebung
Bei einer Veranstaltung in Hamburg zeigen norddeutsche AfD-Politiker, wie sie es inhaltlich mit dem Thema Klimaschutz halten.
Es soll um das Thema „CO 2 -Wahnsinn“ gehen und der AfD-Redner fordert: „Man müsste Millionen Menschen hier aus dem kalten Norden aus Deutschland in den warmen Süden nach Afrika und den Orient verfrachten! Das wäre echter Klimaschutz!“ Der Rostocker Politiker der „Alternative für Deutschland“ (AfD), Steffen Reinicke, machte auch keinen Hehl daraus, wen er abschieben würde. Zuvor hatte er behauptet, vor allem die Grünen hätten diese „Millionen von Menschen“ hierher „verfrachtet“ und nun „brauchen sie alle warme, beheizte Wohnungen“.
Der Lokalpolitiker macht sich auf dem Dag-Hammarskjöld-Platz vor dem Hamburger Dammtor-Bahnhof nicht einmal die Mühe, ernsthaft auf das wichtige Umwelt-Thema einzugehen. Um seine rund 60 Zuhörer in der Kälte bei der Kundgebung der Gruppe „Merkel muss weg“ bei Laune zu halten, ist nur ein Thema nötig. „Michel, wach endlich auf“, lautet das Motto dieser Veranstaltung, die zweifelsohne von der AfD dominiert wird.
„Jede Stunde 10.000 neue Klimakiller“
Reinicke stellt die „Klimakrise“ in Frage und weist symbolisch darauf hin, dass im Fall der „kalten Nachkriegsjahre auch von einer kleinen Eiszeit“ die Rede gewesen sei. Er schwadroniert: „Jede Stunde kommen 10.000 neue Klimakiller auf diese Welt“, das sei „Wahnsinn“, darüber könne man sich tatsächlich Sorgen machen. Auf Reinicke folgt der zweite Rostocker, Johannes Salomon. Der 1,95 m große Mann mit dem scharfen Scheitel, Mantel, Schlips und Daniel-Hechter-Einkaufstasche verkündet stolz, die patriotischen Kräfte seien überall im Aufwind. Er fordert „diese verpickelten, Pappplakate hochhaltenden Greta-huldigenden Malte-Torben-Sören-Justins“ sollten ihm aufmerksam zuzuhören und in Zukunft lieber „Sundays for Futures“ organisieren, bei denen um Diskussionen um den Euro gehe. Davon allerdings spricht auch Salomon in nur wenigen Sätzen. Es schließt sich die Forderung an: „Wählt die Partei der Vernunft, wählt AfD!“
Die Kleinstkundgebung scheint vorgeblich als Provokation für die Hansestadt Hamburg gedacht. Eine Facebook-Gruppe „Heimat Patriotismus Zukunft“ rief zur Teilnahme auf. Bullige Ordner sichern die Veranstaltung, dabei ist die Hamburger Polizei mit einem Aufgebot an Kräften vor Ort. In Hörweite haben sich Hunderte zum Gegenprotest versammelt. Das antifaschistische Bündnis „Keine Stimme für Nazis“ hatte im Vorfeld auf die letzte rechte Kundgebung Ende 2018 hingewiesen an der bereits Rechtsextreme und Rassisten aus den Reihen von NPD und dem Ku-Klux-Klan teilgenommen hatten.
Rechtsextreme und Hamburger Halbwelt
So ist es auch dieses Mal. Daniel Fiß aus dem Vorstand der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ Deutschland ist vor Ort, er fotografiert die Veranstaltung. Der rechte Blogger Hendryk Stöckel streamt das Ganze zunächst bei Facebook, nach einer Sperrung bei YouTube. Auch die Hamburger Halbwelt ist vertreten. Der ehemalige Kiez-Türsteher Thomas Gardlo, genannt „Togger“, war zuvor Administrator und Veranstalter der Vorgänger-Kundgebungen. Der Kampftrainer, der auch die „Identitären“ trainiert haben soll, tritt mit weißem Cowboy-Hut und Baumfäller-Jacke als Zuhörer auf. Lennart Schwarzbach von der NPD ist anwesend und ebenso Wolfram Schiedewitz. Letzterer leitet den „Verein Gedächtnisstätte“, der der Holocaust-Leugner-Szene nahesteht.
Als die AfD aus Buchholz in der Nordheide im Januar dieses Jahres gegen eine CDU-Veranstaltung mit Annegret Kramp-Karrenbauer in gelben Westen protestierte, gesellte sich auch der bekannte Rechtsextremist dazu. Von der AfD gepostete Fotos zeigen ihn mittendrin. „Diesel ist super“, ist ansonsten eine aktuelle Kampagne des Kreisverbandes der AfD. An der „Michel“-Kundgebung in Hamburg beteiligen sich am Sonntagmittag auch schleswig-holsteinische AfD-Politiker wie Annette Walther aus Stormarn.
„Islamisch besetzte Zone Hamburger Hauptbahnhof“
Dann wird von Salomon der islamfeindliche, mehrfach verurteilte Michael Stürzenberger als „Höhepunkt der heutigen Veranstaltung“ angekündigt. Der behauptet sogleich „die Gegend um den Hamburger Hauptbahnhof“ stelle eine „islamisch besetzte Zone“ dar. Stürzenberger ruft den „Freunden“ zu: „Die Zugehörigkeit zum Islam, dessen Bestandteile die Gewalt, das Töten und den Dschihad fördern, sind natürlich verantwortlich für all die Gewalterscheinungen, die wir in Deutschland haben!“ Die Zuhörer klatschen und zeigen sich zufrieden. Stürzenberger verkündet die Europawahl als Fanal.
Danach tritt einer der Organisatoren ans Mikro, er fordert zum „geordneten Rückzug“. Doch Reinicke übernimmt erneut das Mikrophon und verkündet in militärischem Tonfall: „Freunde, alle mal kurz stehengeblieben! Wir lassen uns von der Polizei nicht dazu treiben, hier mit Füßen nach unserem Staat zu treten“, der AfD-Mann will die Deutschland-Hymne singen. „Jaa“, rufen die bereits im Weggehen begriffenen. „Wir stellen uns gerade hin“, ordert Reinicke. Als alles vorbei ist, freut sich Livestreamer Hendryk Stöckel: „„Echt souverän gewesen“.