AfD: Chaos in Niedersachsen

Vor dem Parteitag am Wochenende nach Ostern haben sich in dem von einem Notvorstand zusammengehaltenen AfD-Landesverband die innerparteilichen Fronten verhärtet – neben dem früheren Chef Armin-Paul Hampel gibt es noch zwei weitere Kandidaten und eine Kandidatin für den Landesvorsitz.

Dienstag, 20. März 2018
Rainer Roeser

Krisenherde hat die AfD einige zu bieten. In Schleswig-Holstein bestreikt die Landesvorsitzende ihre eigene Landtagsfraktion. In Sachsen-Anhalt werden ein neuer Landes- und ein neuer Fraktionsvorsitzender gesucht, weil der bisherige Chef zum Monatsende zwangsweise beide Ämter abgibt. In Bayern läuft ein Ausschlussverfahren gegen den Vorsitzenden des mitglieder- und einflussreichen Bezirks Oberbayern, der sich anschickte, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl im Oktober zu werden. Aber wohl nirgendwo gab die AfD im letzten Jahr ein so chaotisches Bild ab wie in Niedersachsen.

Eine Woche nach Ostern ist dort Großreinemachen angesagt. Am 7. und 8. April sind die Mitglieder aus den rund 30 Kreisverbänden zwischen Nordsee und Harz zum Landesparteitag in die Braunschweiger Stadthalle eingeladen. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Wahl eines regulären Vorstands. Im Augenblick wird die Niedersachsen-AfD von einem Notvorstand zusammengehalten. Drei Nicht-Niedersachsen stehen an ihrer Spitze: die Bundesvorstandsmitglieder Stephan Protschka aus Bayern und Kay Gottschalk aus Nordrhein-Westfalen sowie der Hamburger Landeschef Dirk Nockemann. Ende Januar hatte die Bundesspitze die Reißleine gezogen und den erst im Frühjahr 2017 gewählten, aber schon komplett zerstrittenen Landesvorstand unter der Leitung von Armin-Paul Hampel abgesetzt.

Gegenseitige Denunziationen und Strafanzeigen

Nach aktuellem Stand wollen in Braunschweig drei Männer und eine Frau für den Landesvorsitz kandidieren: die Bundestagsabgeordneten Hampel (60), Jörn König (50) und Dietmar Friedhoff (51) sowie Dana Guth (47), die Chefin der Landtagsfraktion. Mit Ausnahme von Friedhoff waren sie im vorigen Jahr an den Pleiten, Pannen und Peinlichkeiten führend beteiligt. (bnr.de berichtete)

In Niedersachsen gehörte es über Monate fast schon zum guten AfD-Ton, einander mit Denunziationen und Strafanzeigen zu überziehen. Des Öfteren wurden Vorwürfe wegen des Finanzgebarens von Hampel laut. Sogar zur Hausdurchsuchung rückte die Polizei bei ihm an – fand aber nichts, was ihn in juristische Schwierigkeiten hätte bringen können. Seinen Kritikern blieb aber der Hinweis auf die miserable Kassenlage der niedersächsischen AfD, für die deren Ex-Schatzmeister süffisant unter anderem „exorbitante Mehrkosten für Alkohol und Verpflegung“ des Vorstands als Grund nannte.

Für Schlagzeilen sorgte auch die Peinlichkeit, dass die „Alternative für Deutschland“ zur Bundestagswahl in Niedersachsen beinahe überhaupt nicht auf den Stimmzetteln gestanden hätte. Die Öffentlichkeit beschäftigte zudem der Streit Hampels mit Dana Guth, der Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl. Mehr als einmal wurde Hampel mit der Aussage zitiert, Guth sei überhaupt „nicht unsere Wunschkandidatin“ gewesen. Für ihn war sie so etwas wie eine Dauergegnerin geworden. Vor einem Jahr hatte sie erfolglos versucht, ihn als Vorsitzenden abzulösen: Hampel holte bei einem unter Ausschluss der Medien abgehaltenen Parteitag rund 56 Prozent, Guth nur 23 Prozent.

Hampels Stern in der Bundespartei gesunken

Am Abend der Landtagswahl – die AfD hatte nur knapp 6,2 Prozent erreicht – folgte der nächste Schlag. Sieben Vorstandsmitglieder, darunter Landesvize Jörn König, verbreiteten eine Generalabrechnung mit Hampel. „Das demokratische Prinzip der gleichberechtigten Mitsprache wurde durch einen Alleinführungsanspruch, nach dem Motto ,Divide et impera' (Teile und herrsche) ersetzt“, klagten sie. „Ein Vorsitzender sollte nach unserer Auffassung transparent arbeiten, fair mit Kritikern umgehen, organisieren, strukturieren und führen können“ – Fähigkeiten, die Hampel ihrer Ansicht nach vermissen ließ. Ende November folgte ein Landeskonvent, der mit klarer Mehrheit den Rücktritt des gesamten Landesvorstands empfahl, um den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch Hampels Stern in der Bundespartei gesunken. Beim Bundesparteitag Anfang Dezember war er einer der großen Verlierer. Für den Bundesvorstand, dem er seit 2015 angehört hatte, kandidierte Hampel nicht mehr. Es wäre ihm auch schwergefallen, eine Mehrheit zu finden. Sein Abgang aus der AfD-Spitze trug aber sogar Züge einer Demütigung. Nicht einmal ein Grußwort als Vorsitzender des gastgebenden Landesverbandes durfte er in Hannover halten.

Endgültig war das Maß voll, als zu einem im Januar geplanten Parteitag erst die Gruppe der Hampel-Gegner einlud, dann auch der Landeschef selbst, das Treffen dann aber doch nicht zustandekam, weil Hampel es wieder absagte. Vor dem Bürgerhaus in Hannover-Misburg ergab sich das ungewöhnliche Bild, dass AfD-Funktionäre – darunter König und Guth – gegen die „Willkür“ ihres eigenen Landeschef demonstrierten. (bnr.de berichtete)

Zwei Gruppen „diametral gegenüber“

All die Turbulenzen der vorigen Monate scheinen aber seine Ambitionen nicht bremsen zu können. Der frühere will auch der künftige Chef der niedersächsischen AfD sein. „#dranbleiben – Unser Landesvorsitzender Paul Hampel“, heißt es zur Begrüßung auf seiner Facebook-Seite. Gerade erst abgesetzt, warb er im Februar für einen „konstruktiven Neubeginn für unsere AfD Niedersachsen“. Der nun anstehende Parteitag solle „für klare Verhältnisse sorgen“. Mit ihm an der Spitze: Er werde sich erneut zur Wahl stellen. Nicht fehlen durfte der Hinweis auf die „destruktiven innerparteilichen Kräfte“ und der Aufruf an alle „alle konstruktiven Kräfte in der AfD Niedersachsen, mich dabei zu unterstützen“. Dabei würden „innerparteiliche Lager“ keine Rolle spielen.

Das sieht er mittlerweile möglicherweise etwas anders. Bei einer Veranstaltung der Kreisverbände Nienburg-Schaumburg und Diepholz Anfang des Monats sagte Hampel, in der AfD stünden sich zwei Gruppen „diametral gegenüber“. Wo er sich in diesem Streit verortet, machte er auch deutlich: Es genüge nicht, an einigen Stellschrauben zu drehen – benötigt werde „eine grundsätzliche gesellschaftliche Veränderung“. Er wandte sich auch gegen die Empfehlung von Parteivize Georg Pazderski, in gesellschaftlich relevanten Verbänden aktiv zu werden. BDI und Gewerkschaften, so Hampel, seien etwa „unsere politischen Gegner, und da hilft nur eins: Kampf dagegen!“. Hampel warnt vor einem Kurs der Anbiederung. Ihn beschleiche der „böse Verdacht, dass es bei uns einige gibt, die schon auf das Büro und den Dienstwagen stärker schielen, als es erlaubt ist“.

Als lachender Dritter für „den Neuanfang“?

Nebenbei kommt auch Dana Guth schlecht weg, deren Hannoveraner Fraktion er einen „Schmusekurs“ unterstellt. Sich selbst sieht Hampel als potenzielles Opfer von Kräften, die eigentlich der Bundesführung ans Leder wollen: „Bevor man sich die beiden Führungsköpfe vornimmt, Meuthen und Gauland, schießt man erstmal die Nebenfiguren weg.“

Hampel auf der einen Seite, Guth und König auf der anderen: Sie sind die Pole eines Streits, in dem Friedhoff, so dessen Hoffnung, der lachende Dritte sein könnte. Einer, der noch mit beiden Seiten sprechen kann. Einer, der aber auch beide Seiten kritisiert. Hampel habe sich „als Person über die Ziele und die Mehrheit der Mitglieder der AfD gestellt“, kritisierte er nach der Absage des Parteitags im Januar. Er habe „wiederholt unserer gemeinsamen Sache geschadet“. Niedersachsens AfD brauche nun „neue, unbeschädigte Personen“. König („ebenfalls zu stark beschädigt“) und Guth („auch sie gehört zu einem der Streitlager und das in prominenter Position“) können das aus seiner Sicht nicht sein.

Als „Ihr Kandidat für den Neuanfang“ präsentiert sich Friedhoff bei Facebook. Personell könnte das stimmen – politisch steht er eher nicht für Neues. Denn auch er weiß die Endzeitphantasien zu bedienen, die in großen Teilen der AfD kursieren: „Wir müssen Deutschland retten. Und wenn wir's nicht schaffen, ist es vorbei.“

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