Riesa
AfD-Bundesparteitag: Keine Chance für angeblich Gemäßigte
Die AfD bestätigte auf ihrem Parteitag mit Personalentscheidungen ihren bisherigen Weg. Die Bundestagsfraktionsvorsitzenden sind jetzt auch die Parteivorsitzenden. Eine „Höckerisierung“ findet auch ohne Höcke statt, er übt sich offenbar für eine erhoffte „Einerspitze“ in Geduld und wirkt weiterhin bundespolitisch aus der „zweiten Reihe“. Ein Kommentar.

Die AfD verzeichnete in den letzten Monaten sowohl massive Mitgliederverluste als auch regelmäßige Wahlniederlagen. Mehrere Tausend Mitglieder haben in den letzten zwei Jahren ihr Parteibuch zurückgegeben, ihre Gesamtzahl liegt wohl mittlerweile unter 30.000. Und dann musste man erstmals in der Geschichte der Partei kontinuierlich Stimmenverluste verzeichnen. Nur knapp konnte die AfD mitunter noch in Landtage einziehen, in einem Fall flog sie sogar erstmals wieder aus einem Landtag heraus. Tino Chruppala wurde dafür als Parteisprecher die Verantwortung zugeschrieben.
Dieser hatte darüber hinaus in einer Bundestagsrede noch gegenüber dem Putin-Russland relativierende Statements abgegeben und damit breitere parteiinterne Verärgerung ausgelöst. Zumindest die noch in der AfD verbliebenen als gemäßigt Geltenden sahen dies so und wollten den gerade abgeschlossenen Parteitag zu dessen Sturz nutzen. Die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar erklärte etwa: „Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD.“
Als gemäßigt Geltende alternativ-, konzeptions- und planlos
Doch bei der entscheidenden Abstimmung auf dem Parteitag kam es nicht zu einem personellen Wechsel. Zwar erhielt Chrupalla nur 53 Prozent der Stimmen, also gerade mal knapp mehr als die Hälfte. Gleichwohl reichte ihm das für die Bestätigung als Parteisprecher. Als Amtsinhaber war er von einem als gemäßigt geltenden Konkurrenten herausgefordert worden, welcher 36 Prozent der Stimmen erhielt. Der gemeinte Norbert Kleinwächter hatte indessen noch nicht einmal in seinem brandenburgischen Landesverband einen gewissen Rückhalt. Daher handelt es sich um einen persönlichen Achtungserfolg für ihn, der aber für die Parteiausrichtung nicht relevant ist.
Chrupallas Erfolg kam indessen nicht überraschend, agierten die angeblich Gemäßigten doch alternativ-, konzeptions- und planlos. Bereits vor Beginn des Parteitags war ihr Scheitern vorhersehbar. Mit Chrupalla hat man es daher weiterhin mit einem Parteisprecher zu tun, der zwar formal nicht der „Flügel“-Fraktion angehört, aber sich in deren Nähe positioniert und auf deren Unterstützung angewiesen ist.
Machtkonzentration bei Chrupalla und Weidel
Das gilt auch für die gewählte Co-Vorsitzende bzw. zweite Sprecherin: Alice Weidel. Sie erhielt 67 Prozent der Stimmen. Nikolaus Fest, ihr Konkurrent, konnte lediglich 21 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Bei ihm handelt es sich aber nicht um einen Gemäßigten, wie manche Medienberichterstattung suggerierte. Rassistische Bemerkungen mit herabwürdigender Schärfe sprechen ebenso wenig dafür wie hämische Kommentare über verstorbene Politiker. In der Bilanz kann daher von einem Erfolg für den rechtsextremistischen „Flügel“-Kontext gesprochen werden.
Die AfD wird künftig bezogen auf die Bundestagsfraktion wie die Partei vom gleichen Personal geführt, welches in informeller Abhängigkeit eben von diesem politisch weit rechts anzusiedelnden Spektrum steht. Dessen Einfluss machten auch weitere Personalentscheidungen deutlich, etwa für das Bundesschiedsgericht oder den Bundesvorstand der Partei. Auch dort konnten jeweils Anhänger des „Flügel“ wichtige Positionen einnehmen und ihre Relevanz erhöhen.
„Höckerisierung“ auch ohne Höcke als Vorsitzendem
Abschließend soll noch der Blick auf deren wichtigste Figur geworfen werden: Björn Höcke. Erneut deutete er eine mögliche Kandidatur an, unterließ aber einen solchen Schritt ebenso erneut. Gegenüber einem Fernsehsender erklärte Höcke, er wolle lieber aus der „zweiten Reihe“ wirken. Dies ist eine treffende Formulierung, wirkt Höcke doch so über andere Personen. Dazu bedarf es keiner formalen Funktion als Vorsitzender. Höcke will sich wohl mehr in einer Strukturkommission engagieren.
Damit kann er die formalen Bedingungen für eine spätere Funktion an der Spitze mitgestalten, wozu etwa auch die Möglichkeit eines alleinigen Parteivorsitzenden zählen soll. Höcke dürfte angesichts der gesellschaftlichen wie parteiinternen Lage bewusst sein, dass seine gegenwärtige Kandidatur noch zu sehr in der Partei polarisieren würde. Er übt sich offenbar in Geduld und wartet auf den passenden Moment. Denn für eine ideologische „Höckerisierung“ der Partei bedarf es nicht notwendigerweise auch eines Höcke als realem Parteivorsitzenden.