AfD-Ausschussvorsitzende im Bundestag: kein Muss

In einem Kommentar regte der Theologe und SPD-Mitglied Richard Schröder an, AfD-Ausschussvorsitzende im Bundestag zu wählen, damit keine Inszenierung als Opfer möglich ist. Dagegen spricht die Ausrichtung der Partei hin zum Rechtsextremismus, welche durch Ämterbesetzungen in ihrer Dimension durch einen solchen Wahlakt nicht problematisiert wird. Ein Gegenkommentar.

Montag, 12. Mai 2025
Armin Pfahl-Traughber
Polizeiabsperrung nach einer AfD-Demo vor dem Bundestag
Polizeiabsperrung nach einer AfD-Demo vor dem Bundestag

Man solle die AfD wie alle anderen Parteien behandeln, diesen Ratschlag formulierte jüngst Jens Spahn. Derartige Auffassungen kann man auch außerhalb der CDU hören. Nicht mit identischer Ausrichtung, aber mit ähnlicher Orientierung tat dies jüngst Richard Schröder. Er war bekanntlich nicht nur Abgeordneter im Bundestag für die SPD, sondern auch SPD-Fraktionsvorsitzender in der letzten DDR-Volkskammer. „Was das Parlament aushalten muss“ lautete sein Gastkommentar in der „Welt am Sonntag“ (Nr. 17/27. April 2025).

Die Redaktion hatte den Untertitel wie folgt formuliert: „In der Frage des richtigen Umgangs mit der AfD im Deutschen Bundestag täte dem Land mehr Gelassenheit gut, meint Richard Schröder.“ Darin regte der Autor insbesondere an, bei den Ausschussvorsitzenden offener zu sein. Er argumentierte auch differenzierter als Spahn, wurde die AfD doch als seinerzeit als teilweise extremistisch verortet. Gleichwohl darf man auf den Kommentar von Schröder wiederum kritisch reagieren, was die Absicht des vorliegenden Gegenkommentars ist:

Ausschussvorsitzende müssen gewählt werden

Berechtigt wies der Autor darauf hin, dass nach Absprachen zwischen den Fraktionen je nach Fraktionsstärke die jeweiligen Vorsitze verteilt würden. Es gehe hier „aber gar nicht um die inhaltliche Frage der politischen Zusammenarbeit …, sondern um die formale Frage der Ämterverteilung im neuen Bundestag.“ Bei einem Ausschussvorsitz sei nicht die Richtlinienkompetenz, sondern die Sitzungsleitung wichtig. Die Intelligenz und nicht die Parteizugehörigkeit gelte als relevant. Diese Aussagen sind formal zutreffend, gleichwohl ergibt sich daraus nicht der angedeutete Schluss.

Denn ebenso wie ein unfähiger Ausschussvorsitzender jederzeit abgewählt werden kann, müsste er zunächst einmal in dieses Amt gewählt werden. Und hierbei hätten eben die Abgeordneten der anderen Parteien ihr entsprechendes Votum abzugeben. Es obliegt deren eigener Entscheidung, ob sie zugunsten einer bestimmten Partei stimmen. Denn die AfD galt seinerzeit auch für Schröder als „in Teilen rechtsextrem“. Kann man davon bei einem einzelnen Abgeordneten abstrahieren?

Formale Legalität bedingt keine notwendige Wahl

Weiter heißt es in dem Kommentar von Schröder, dass „alle Abgeordneten dieselben Rechten und Pflichten“ hätten. „Dass Abgeordnete bestimmter Parteien die Auffassungen der Abgeordneten anderer Parteien nicht teilen oder sogar ablehnen, ist der Normalfall.“ Auch dies ist eine richtige Einsicht, gleichwohl folgt aus ihr nicht die postulierte Notwendigkeit. Denn es besteht bei der AfD die Besonderheit, dass sie in der Gesamtschau in extremismustheoretischer und mittlerweile auch verfassungsschützerischer Sicht rechtsextremistisch ist.

Weiter heißt es in dem Kommentar: „Aber die AfD ist nicht verboten. Deshalb müssen ihre Abgeordneten formal wie alle anderen behandelt werden.“ Entgegen weit verbreiteten Fehlwahrnehmungen können auch legale Parteien extremistisch sein. Daraus folgt indessen nicht die Notwendigkeit von deren Wahl. Andere Auffassungen treffen zu, etwa: „Keine Partei des Bundestages würde rechtsextrem werden, wenn sie in einer Sache mit der AfD kooperieren würde.“ Doch wer behauptet das Gegenteil, was besagt eine solche Position? Eine Kooperation lehnt dann Schröder selbst ab.

Bessere Begründungen für eine Nicht-Wahl

Für ihn ist die „verbreitete Gleichsetzung der AfD mit der Nazipartei … verfehlt.“ Auch hier gilt: Es gibt auch andere Ideologievarianten des Rechtsextremismus. Jeder Nationalsozialist ist ein Rechtsextremist, aber nicht jeder Rechtsextremist muss ein Nationalsozialist sein. Der Blick in die deutsche Geschichte lehrt ebenso wie der in andere Länder, dass es auch Demokratiefeinde in einem sich bürgerlich gebenden Gewand gibt. Dementsprechende Auffassungen sollten mehr dokumentiert werden, um eine Nicht-Wahl nachvollziehbar zu machen.

Pauschale Etikettierungen überzeugen nicht, da liegt Schröder sicherlich richtig. Es mangelt in der politischen Debatte an einschlägigen Erläuterungen dafür, warum die AfD nicht eine Partei wie die anderen Parteien ist. Man findet entsprechende Belege in der Extremismusforschung und mittlerweile sieht das auch der Verfassungsschutz so. Mit diesen Einsichten lässt sich viel besser verstehen, warum hier Grenzziehungen angemessen sind, auch beim formalen Wahlakt. 

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